Der Prozess gegen sechs Angreifer des Polizeipostens in der Eisenbahnstraße wurde am Freitag von mehreren Rechtsextremisten besucht. Die Neonazis ließen es sich nicht nehmen, die Konfrontation mit den Angeklagten zu suchen. Bereits am Donnerstag war auf der Facebookseite einer Leipziger Neonazi-Gruppe um den parteilosen Stadtrat Enrico Böhm (Ex-NPD) ein Beitrag erschienen, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren.

Dass Böhm am Freitag höchstpersönlich im Amtsgericht erschien, wirkte vor diesem Hintergrund wenig überraschend. Während der vielfach verurteilte Kommunalpolitiker noch vor dem offiziellen Sitzungsbeginn jedoch wieder das Weite suchte, blieben zwei weitere ungewohnte Interessierte im Saal. Eine von diesen, Annemarie K., machte sich eifrig Notizen von den Vorgängen vor Gericht. Als sie während einer Zeugenvernehmung Anstalten machte, die Angeklagten mit dem Handy zu fotografieren, platze den Verteidigern Kasek und Christian Avenarius der Kragen.

Amtsrichterin Renate Guha wirkte angesichts der Entrüstung von der Anklagebank überfordert. Noch während die Vorsitzende und die Verteidiger diskutierten, ob das Handy der Dame zur Feststellung ungesetzlicher Fotografien in Augenschein genommen werden solle, stahl sich die Frau langsam aus dem Saal. Jürgen Kasek ging hinterher, die Sitzung wurde unterbrochen. Am Einlass wurde K. von Justizwachtmeistern gestoppt. Ergebnis: Auf dem Handy seien keine verbotenen Bilder aufgefunden worden. (Anm. d. Red.: Vor Gericht ist das Fotografieren während der Verhandlung untersagt. Die Ausnahmegenehmigungen zu Fotoaufnahmen vor Beginn oder in den Pausen eines Prozesses werden berufstätigen Journalisten im Vorfeld durch das Gericht schriftlich gegen Nachweis gestattet.)

Auf Krawall war an diesem Morgen auch Reinhard Rade gebürstet. Der Leipziger Bauunternehmer kam in der nötig gewordenen Sitzungspause offenbar in ein verbales Scharmützel mit Patrick S. vor dem Gerichtsgebäude. Die Männer erstatteten jedenfalls anschließend wechselseitige Anzeigen wegen Beleidigung. Nach dem Vorfall war Rades Interesse an der Verhandlung selbst verflogen. In den Sitzungssaal kehrte er nach der Unterbrechung nicht mehr zurück. Und auch Annemarie K. machte sich mit Unschuldsmiene auf den Heimweg.

Im Prozess selbst kamen heute die persönlichen Verhältnisse des Sextetts zur Sprache. Über nennenswerte Vorstrafen verfügt lediglich Patrick S., der laut Anklage den Polizeibus, der vor dem Revier abgeparkt war, mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet haben soll. Der Erwerbslose ist unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Dass die Mitangeklagte Direnc T. (22) im vierten Semester Jura studiert, sorgte im Saal für allgemeines Schmunzeln.

Die sechs Beschuldigten, die am Mittwoch Geständnisse abgelegt hatten, äußerten sich am Freitag durchweg reumütig. „Ich distanziere mich politisch von der Art dieser Tat. Eigentlich gehört dieser Aktivismus nicht zur Art meiner politischen Arbeit“, betonte Patrick S.. Offensichtlich war der Anschlag das Ergebnis gruppendynamischer Prozesse, wie die Jugendgerichtshilfe mehrfach betonte.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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