Lausitz, Landkreis Görlitz, Wolfsland. Seit dem Jahr 2000 ist der Canis Lupus nach über 100 Jahren offiziell zurück in Deutschland und hat sich für die Lausitz entschieden. Das Anfang Juli veröffentlichte Monitoring des Kontaktbüros „Wolfsregion Lausitz“ weist für 2015 nun 14 Rudel auf, es kamen im Vergleich zum Vorjahr vier neue hinzu. Derzeit kann man also von etwa 50 Tieren in Sachsen ausgehen, eine Nachricht, welche Naturfreunde freuen dürfte. Doch offenbar treffen die Tiere auch wieder auf ihren alten Feind, welcher sie einst in fast ganz Europa ausrottete – den Menschen.
Erneut wurde am 9. Juli 2016 im Waldgebiet Biehain bei Horka ein erschossener Wolf gefunden. Er ist Teil einer Serie von illegalen Tötungen ohne Aufklärung im Lausitzer Revier. Die Mitteilung des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen vom 12. Juli klingt da fast ein wenig lakonisch: „Am Samstag, den 9. Juli 2016 wurde im Landkreis Görlitz, im Waldgebiet Biehain, ein toter Wolf gefunden. Nach ersten Erkenntnissen ist das Tier erschossen worden. Hierzu haben Spezialisten des Landeskriminalamtes Sachsen die Ermittlungen wegen der illegalen Tötung des Wolfes übernommen, sie dauern gegenwärtig noch an.“
Wird also, immerhin kümmert sich ja nun das LKA um die Sache. Die werden sicher denjenigen finden, welcher das europaweit streng geschützte Tier zur Strecke brachte. Und eine Strafe droht schließlich auch. Denn, so das LKA: „Sollte ein Beschuldigter ermittelt werden, droht diesem eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.“
Angesichts der bisherigen Erfolge wohl eher eine leere Drohung.
Seitens des Kontaktbüros in der Lausitz werden die Zahlen seit 2009 genannt. So wurden „in Sachsen 7 illegal getötete Wölfe gefunden. In 6 Fällen wurden die Tiere geschossen und ein Wolf wurde vorsätzlich überfahren.“ Macht demnach nun Fall Nummer acht, ermittelt hat das LKA nach eigenen Angaben seit 2011 in sechs Fällen, Aufklärungsrate Null.
Bei WWF Deutschland hat man dafür eher wenig Verständnis, mittlerweile zählt man in ganz Deutschland 18 illegal erschossene Wölfe. „Deutschland hat ein Wilderei-Problem. Immer wieder werden bedrohte und geschützte Tiere illegal getötet. Im seltensten Fall wird ein solches Verbrechen jedoch aufgeklärt. Das ist eines modernen Rechtsstaats unwürdig“, erklärte Moritz Klose, Wildtierreferent beim WWF Deutschland in einer aktuellen Stellungnahme anlässlich der Erschießung des Wolfes in Horka bei Niesky.
Und angesichts der ausbleibenden Ermittlungserfolge bieten die Naturschützer nun Geld an. Für sachdienliche Hinweise, die im aktuellen Fall zur Ergreifung des Täters führen, hat der WWF eine Belohnung von 25.000 Euro ausgesetzt.
Strukturelle Probleme und eine auffällige Häufung rings um Horka
Die Tierschützer sehen mit Blick auf das Vorgehen in anderen Ländern seit längerem Nachholbedarf – insbesondere also auch in Sachsen, wo sich der Wolf schwerpunktmäßig in Deutschland bewegt. „Während in Ländern wie Österreich (Bundeskriminalamt) oder den USA (Fish and Wildlife Service) Wilderei von speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Sondereinheiten verfolgt wird, ist in Deutschland die örtliche Polizeibehörde meist auf sich allein gestellt. Ohne spezifische fachliche Ausbildung und Routine ist ein Aufklären derartiger Delikte schwer möglich.“, so der WWF.
So also nun erneut bei dem Fall in Horka? Bereits 2015 konnten die Beamten trotz einer Überführung eines ebenfalls erschossenen jungen Wolfes an das Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW) und eine genetische Zuordnung des Tieres am Senckenberg Institut für Wildtiergenetik in Gelnhausen keinen Täter finden. In Summe also wie bei allen Fällen bislang: Viel Aufwand, wenig Ertrag, der oder die Täter kamen straffrei davon.
Dabei ist der räumliche Schwerpunkt der Taten nicht groß.
Der Fundort war damals die Gemeinde Vierkirchen, im Landkreis Görlitz und nur 25 Kilometer in südwestlicher Richtung von Horka entfernt. Im Jahr zuvor, 2014, fand sich eine erschossene Wölfin an der Straße zwischen Halbendorf/Spree und Lömischau im Landkreis Bautzen. Der Fundort liegt 30 Kilometer westlich von Horka. Im gleichen Jahr entdeckten Forstarbeiter in Weißkeißel, ebenfalls im Landkreis Görlitz den Rüden (Vaterwolf) des damaligen Daubitzer Rudels. Von Horka aus 30 Kilometer in nördlicher Richtung.
Sachdienliche Hinweise, welche zur Ergreifung des Täters von Horka führen nimm der WWF entgegen. Kontakt Moritz Klose, Tel. 030-311777-294 oder per Mail an moritz.klose(at)wwf.de.
Info: Sachsen mit Alleingang
Wo der Wolf europaweit außerhalb jeglicher Jagdrechte steht, sieht man dies in Sachsen alles ein wenig anders. Im Rahmen einer Gesetzesänderung fand sich der Wolf trotz strengen Schutzstatus 2013 neben dem Naturschutzgesetz auch im sächsischen Jagdrecht wieder – ein bis dahin einmaliger Vorgang in Deutschland. Jagen darf man ihn dennoch nicht, aber so steht er schon mal auf der Liste. Die Begründung der unter hohem Lobbydruck aus Teilen der Jägerschaft entstandenen Änderung unter CDU-Regie: Sollte einst einmal die Population des Wolfes überhandnehmen, müsse man einschreiten können.
Gleichzeitig verpflichteten sich die sächsischen Jäger am Monitoring zu Wolfssichtungen teilzunehmen, um die Entwicklung zu beobachten. Die Hoffnung damals: eine Steigerung der Akzeptanz für den Wolf in der Bevölkerung aber auch unter den Jägern.
Hintergrund der neuen Regelung könnte jedoch auch ein alter „Fresskonflikt“ sein. Der Wolf ist genau das Tier, welches die Jagdpächter im Rahmen der „Wildbewirtschaftung“ in den vergangenen Jahren ersetzten. Nun ist er zurück, die Natur wäre also auch bei einer weiter steigenden Wolfspopulation in der Lage, sich selbst zu regulieren. Wird die Anzahl der Rudel oder die Rudel selbst zu groß und damit die Nahrung an meist schwachem Wild zu wenig, wandern einzelne Wölfe bereits jetzt schon von der Lausitz aus in andere Regionen ab.
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