Seit dem 24. Februar 2016 ist der Stadtratsbeschluss der Stadt Leipzig zum Thema Wildtiere im Zirkus getroffen. Darin heißt es, dass keine kommunalen Plätze mehr für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden, welche „nichtmenschliche Primaten, Elefanten, Großbären, Nashörner, Flusspferde und Giraffen mitführen.“ Nun ist seit dem 18. März 2016 der Zirkus „Berolina“ auf dem Cottaweg und hat die Pforten geöffnet. Zu sehen gibt es unter anderem drei Elefanten – mindestens einer offenbar in schlechtem Zustand. Meint zumindest ein Leipziger Tierarzt, der in zwei Vorstellungen zugegen war und nun Anzeige stellte.
Der Zirkus „Berolina“ weiß, was die Stunde geschlagen hat. In einer bislang bundesweit von 1.269 Menschen gezeichneten Netzpetition appellieren die Zirkusbetreiber gerade an den Bundestag, er möge entgegen der aktuellen Beschlussfassung des Bundesrates vom 18. März 2016 Wildtiere im Zirkus auch weiterhin zulassen. Erreichen wollen die Zirkusbetreiber 120.000 Menschen. Zum Vergleich: Die Leipziger Petition hatte Anfang 2016 über 3.000 Gegner dieser Zurschaustellung in der Messestadt gefunden.
Hinzu kommen Stadtratsbeschlüsse in mittlerweile über 40 Städten Deutschlands, welche Zirkusbetrieben, die Wildtiere zur Schau stellen, ihre kommunalen Flächen verweigern. So auch Leipzig mit der Fläche am Cottaweg. Was den Zirkus „Berolina“ wohl zu einem der letzten gastierenden Wildtierzirkusse an diesem Ort machen dürfte, da der Vertrag mit der Stadt offenbar vor dem Ratsbeschluss abgeschlossen war.
Neben den enger werdenden Flächen in Städten kommt seit dem 21. März 2016 nun eine Anzeige gemäß Tierschutzgesetz §§ 1, 2 und 3 gegen die Zirkusbetreiber hinzu.
Darin schreibt ein Leipziger Tierarzt parallel an die Presse und an Ute-Marina Döhlert, Abteilungsleiterin Tierseuchenbekämpfung und Tierschutz im städtischen Veterinäramt: „Schmerzen und Leiden ohne vernünftigen Grund sowie Abverlangen von Leistungen, die mit Schmerzen und Leiden verbunden sind“ müssen laut Tierschutzgesetz im Zirkus ausgeschlossen sein.
Seine Beobachtungen im Zirkus „Berolina“: „Einer der drei mitgeführten Elefanten (der mit den kleinsten Stoßzähnen) wies sowohl zur Abendvorstellung am 19. März 2016 sowie in der Nachmittagsvorstellung am 20. März 2016 an beiden Oberarmen lateral ca. handgroße Umfangsvermehrungen mit Zusammenhangstrennung der Haut auf, die den Wundrändern zufolge vermutlich bereits mehrere Tage bestehen. Zudem zeigte dieser Elefant eine geringgradige Lahmheit der Vordergliedmaßen. Der Elefant kam trotzdem in beiden Vorstellungen zum Einsatz.“
Darüber hinaus sei der Pflegezustand der Elefanten schlecht, die Tiere wiesen alle eine „borkige Haut sowohl am Rücken als auch am Kopf auf.“. Dies sei als Hinweis darauf zu werten, dass die in den Zirkusleitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) festgelegte tägliche Pflege der Elefanten vernachlässigt würde.
Schwere Vorwürfe in schweren Zeiten für Zirkusbetreiber, welche ihrerseits längst seit Jahren gegen Tierschützer ankämpfen. So konnten sie 2011 die erste bundesdeutsche Initiative gegen Wildtiere im Zirkus noch erfolgreich abwenden. Der zentrale Einwand auch in der aktuell laufenden Petition: „Es konnten keine stichhaltigen Belege für ein angebliches Leiden von Zirkustieren vorgebracht werden.“ Hinzu kommt, dass Betreiber, wie der des Zirkus „Berolina“, in dem Verbot so etwas wie ein Berufsverbot sehen wollen. Von Tierschützern hingegen halten sie nicht viel. „Tierschützer kann sich in unserem Lande hingegen jeder nennen – ganz gleich, ob er ein Lama vom Alpaka oder Guanako unterscheiden kann oder nicht“, kann man auf der Seite des Zirkus „Berolina“ lesen.
Der Leipziger Tierarzt, welcher seinen Namen nicht in der Presse lesen möchte, legt in seiner Anzeige noch einen obenauf und stellt seit heute auch die ordnungsgemäße Unterbringung der Tiere laut seinen Beobachtungen am 17., 19. und 20. März in Abrede. Diese sei nicht verhaltensgerecht, es gebe zu wenig Beschäftigung und „eine Scheuermöglichkeit, als auch ein Sandbad oder Baumstämme, wie in den Zirkusleitlinien vorgegeben sowie im Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz empfohlen, fehlen.“
Der Zirkus „Berolina“ möchte sein Gastspiel noch bis zum 3. April 2016 in Leipzig fortsetzen. Übrigens, so die Betreiber auf der Webseite: „Wer im Circus Tiere hält, bedarf einer behördlichen Erlaubnis, die nur erteilt bekommt, wer über die erforderliche Sachkunde verfügt. In jeder Gastspielstadt finden Kontrollen durch das zuständige Veterinäramt statt. Damit dürften Circusunternehmen zu den wohl am stärksten überwachten Tierhaltern in Deutschland zählen.“
Dann dürfte eine nochmalige Überprüfung der Elefanten kein Problem für den Berliner Zirkusbetreiber darstellen. Das Amt und der Zirkus wurden heute Morgen schriftlich um eine Stellungnahme zum Vorfall gebeten. Auf direkte Nachfrage hieß es aus dem städtischen Veterinäramt gegenüber L-IZ, dass der Anzeige bereits nachgegangen wird.
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Es gibt 8 Kommentare
Es gibt verschiedene “Gnadenhöfe” für Elefanten. Zur Not finden sich bestimmt einige Unterstützer, um weitere Plätze zu schaffen
Bin da etwas zwiegespalten. Ein Zirkus ist für so manches Kind die erste Begegnungsstätte mit echten Raubtieren (von Hauskatzen mal abgesehen). Ich wuchs in Berlin gegenüber dem Tierpark auf, dort war in den 60ern der einzige Spielplatz, rundherum wurden gerade hunderte Wohnungen aus dem Berliner Karnickelsand gestampft, Spielplätze gabs erst später. Und so kam es, dass ich fast täglich im Tierpark war, damals war der noch an einem einzigen Tag zu schaffen. Immer zog es mich ins Brehm-Haus, damals waren da die Raubkatzen untergebracht. Stundenlang konnte ich die Tiere beobachten und mich ihrer Schönheit und Anmut erfreuen und doch auch ihre Wildheit spüren. Manchmal ergab sich ein Gespräch mit den Pflegern, ich fragte hunderte Löcher in bestimmt 50 Bäuche.
Wenn man mit diesem Wissen in einen Zirkus geht und sich Raubtierdressuren ansieht oder gar Eisbärendressuren, wenn man genau weis, dass diese Tiere auch in der 10. Schmusekatzengeneration noch knallharte Raubtiere sind, dann versteht man, wieviel Arbeit, aber auch Liebe zum Tier, hinter diesen Dressuren steckt. Gibt es die quälenden Dompteure eigentlich noch? Wenn, dann wissen sie aber auch ganz genau, dass jede Minute in der Manege ihre letzte sein kann. Bei einer Raubkatze zeigt sich Unmut recht deutlich. Ein Bär schlägt einfach zu, da gibts keine Vorwanung. Und auch Elefanten können sich rächen, die vergessen nichts. Es gibt immer wieder mal Meldungen über Angriffe von Zirkustieren.
Ja, enge Käfige oder Zirkuswagen, kein richtiger Auslauf, das ist kein Leben. Wenn man schon selbst noch so toll gestaltete Zoos kritisch betrachtet, weil eben der Spaghat zwischen artgerechter Haltung und Zurschaustellung nie so ganz gelingen kann, wieviel mehr Kritik muss dann an der Haltung der Zirkustiere geübt werden?
Doch bei allem Zauber den so ein Zirkus ausübt: die Tiere haben da nichts zu suchen.
Das Dilemma ergibt sich aber aus einem Verbot: wohin mit diesen Tieren? In Zoos können sie oft nicht, sie können sich in die neuen Situationen oft nicht mehr eingewöhnen. Private Haltung ist so gut wie ausgeschlossen. Elefant im 4. Stock auf dem Balkon?
Gnadenhöfe fallen auch aus. Und nun?
Ich bin nicht der Meinung, dass man als Übergangslösung Tiere leiden lassen soll, nur weil sie schon da sind. Und natürlich hat auch ein Hamster nichts in einem Käfig verloren, ich persönlich lehne jede Ausbeutung von Mensch und Tier ab. Jede.
Hallo Yvonne,
genau darum geht es bei den derzeitigen Gesetzesinitiativen und den Versuchen der Stadt Leipzig. Was heute ist, kann man nur beschreiben. Was morgen kommt, wird gerade debattiert.
Ich bin jetzt nicht der größte Freund von Wildtieren im Zirkus, finde die Aufregung aber oft ganz schön geheuchelt. Wenn man sich das Leben unserer Haus- und Nutztiere so manches mal anguckt, müsste man da nicht bei Massentierhaltung anfangen und streng genommen auch überlegen, ob ein Hamster im Käfig glücklich sein kann? So blöd es klingt, zumindest werden die Tiere im Zirkus beschäftigt und wer sich damit auskennt ahnt, dass ihnen diese Beschäftigung fehlen würde, wenn man sie einfach in irgendein Gehege stellt. Eine Art Übergangsregelung (z.B. kein Nachkauf o.ä.) fänd ich da sinnvoller.
An André: (aus dem Artikel) Der zentrale Einwand auch in der aktuell laufenden Petition: „Es konnten keine stichhaltigen Belege für ein angebliches Leiden von Zirkustieren vorgebracht werden.“ Den Rest kann man in der unter dem Beitrag verlinkten Petition nachlesen.
“[…] appellieren die Zirkusbetreiber gerade an den Bundestag, er möge entgegen der aktuellen Beschlussfassung des Bundesrates vom 18. März 2016 Wildtiere im Zirkus auch weiterhin zulassen.[…]”
mit welcher Begründung?
Find ich gut, Elefanten haben, wie alle Tiere, im Zirkus nichts zu suchen. Selbst bei “guter” Pflege leiden die Tiere ihr ganzes Leben lang. Da die Betreiber ja über “Sachkunde” verfügen, werden sie das ja wissen.