Als es in der Silvesternacht in Köln zu hunderten Übergriffen auf Frauen kam, hielt die Kölner Polizei noch den Deckel drauf und meldete „keine größeren Vorkommnisse“. Es dauerte eine Woche, bis die sexuellen Übergriffe Thema in den Medien wurden. Und weil auch ähnliche Vorkommnisse aus Hamburg gemeldet wurden, schaltete sich das Bundeskriminalamt (BKA) ein und begann, Daten aus allen Bundesländern zu sammeln. Auch aus Sachsen.

Als dann am 11. Januar auch die Leipziger Polizei noch nachträglich meldete, dass es am Leipziger Hauptbahnhof einen Vorfall gab, schäumten auch die üblichen Leipziger Medien und politischen Schnellsprecher, schürten auf gewohnte Art die Panik.

Klüger macht so etwas nicht. Vor allem beantwortet es nicht die Frage, warum das jetzt alles passiert. Ist das verabredet? Oder tobt sich da ein Frust aus, der mit unserem eigenen Frust nichts zu tun hat? Der etwas mit der verkniffenen Flüchtlingspolitik zu tun hat und dem Abladen von Asylsuchenden in Zwischenzuständen, in denen für sie auf Jahre nichts geklärt ist?

Das ist kein Grund, sexuell übergriffig zu werden.

Aber es könnte ein Ansatz sein, mal endlich drüber nachzudenken und nicht den zugeknöpften Bürokraten vom Format Thomas die Maizière die Entscheidungen zu überlassen, wie mit Menschen, Nordafrikanern, jungen Männern umgegangen wird, die in der Bundesrepublik Asyl beantragt haben. Denn unübersehbar geht das schief, weil es Zustände schafft, die die Betroffenen überfordern und ihr Ankommen verhindern. Denn Fakt ist: Wer sich integrieren kann in unsere Gesellschaft, der taucht eher nicht mehr in diesen halbangetrunkenen Junge-Männer-Horden auf, die jetzt so desaströs aufgefallen sind.

Die Grünen-Fraktion wollte es aber mit einer eindeutigen Stellungnahme zum Leipziger Vorfall nicht belassen. Auch wenn sie dabei auf die Lücken im Strafgesetz verwies, die Frauen in vielen Situationen schutz- und rechtlos machen. Und das betrifft nicht nur Männer aus Tunesien oder Libyen, sondern auch einheimische, die sich in trunkenem Zustand oft nicht besser verhalten.

„Es muss endlich klar werden: Ein Nein ist ein Nein. Bisher reicht es jedoch im Sexualstrafrecht nicht aus, wenn eine Frau ausdrücklich und mehrfach Nein sagt. Sie muss sich körperlich wehren, sonst liegt in den meisten Fällen keine Straftat vor“, benennt Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, diese Gesetzeslücke. „Diese gesetzliche Klarstellung hat die Regierungskoalition im Bund im Jahr 2014 trotz der Proteste – unter anderem aus der Grünen-Bundestagsfraktion – nicht vorgenommen. Diese Lücke im Strafrecht muss endlich geschlossen werden.“

Was natürlich zum Thema führt: Denn wenn solche Übergriffe bislang nicht gesetzlich sanktionierbar waren, fehlt jeder Maßstab. War das, was da in Köln passierte, jetzt etwas Neues? Oder war nur neu, dass vor allem Männer aus Nordafrika als Täter genannt wurden? – Berichte aus München deuten darauf hin, dass Gleiches beim Oktoberfest fast schon der Normalzustand ist. Dann heißt das Thema wohl eher: Männer und Alkohol.

Die Grünen wollten nun trotzdem wissen, ob Vergleichbares in der Silvesternacht auch in Sachsen passiert ist.

Der Innenminister hat jetzt geantwortet, nachdem die Polizei alle Anzeigen aus der Zeit zwischen 18 Uhr am 31. Dezember und  6 Uhr am 1. Januar durchgeforstet hat. Das Ergebnis, so Markus Ulbig (CDU): „Eine Lage in dem Umfang und Ausmaß, wie sie in der Silvesternacht in Köln bestand, gab es in Sachsen nicht. Gleichwohl wurden im Freistaat Sachsen für die Silvesternacht 2015/2016 drei Straftaten der Beleidigung – auf sexueller Grundlage gemäß § 185 StGB – sowie eine Straftat der sexuellen Nötigung gemäß § 177/1 StGB registriert (Stand 8. Januar 2016).“

Die sexuelle Nötigung – das ist der Fall, den die Leipziger Polizei am 11. Januar gemeldet hat – ziemlich detailliert, so dass auch ein wenig fassbar wurde, was die Täter noch so alles auf dem Kerbholz haben und welche Gruppendynamik augenscheinlich in der Gruppe herrscht, mit der sie am Neujahrsmorgen an der Haltestelle vorm Hauptbahnhof aufkreuzten. Die anderen drei Fälle fanden in Dresden statt, umfassten aber vor allem den Tatbestand der sexuellen Beleidigung.

Trotzdem hat Sachsen alle vier Fälle an das BKA gemeldet. Das hat die Fälle vor allem gesammelt, um Strategien zu entwickeln, damit sich so etwas nicht wieder ereignet. Dazu muss man aber erst einmal wissen, was wirklich passiert ist, welche Tätergruppen unterwegs waren und warum es zu den Übergriffen kam.

Markus Ulbig: „Dieser vom Arbeitskreis II ‚Innere Sicherheit‘ der Innenministerkonferenz beschlossenen Vorgehensweise liegt die Erkenntnis zugrunde, dass nur eine genaue Analyse dieses Kriminalitätsphänomens wirksame Vorbeugungs- und Bekämpfungsstrategien gründen kann. Entsprechende Ergebnisse werden auch im Freistaat Sachsen umgesetzt werden.“

Man werde aber nicht auf die Ergebnisse warten, sondern mit den vorhandenen Kräften versuchen, solche Vorfälle zu verhindern. Markus Ulbig: „Unabhängig davon werden die gemeinsamen Bemühungen der sächsischen Polizei und der Bundespolizei zur Schaffung von Sicherheit namentlich in den großen Hauptbahnhöfen in Leipzig und Dresden sowie in ihrem unmittelbaren Umfeld z. B. durch gemeinsame Streifen fortgeführt. Die örtlich zuständigen Polizeidienststellen sind hinsichtlich dieser Thematik sensibilisiert. Sobald sie Kenntnis von derartigen Straftaten erhalten, setzt die Strafverfolgung ein.“

Ein Problem in Köln war ja, dass augenscheinlich doch zu wenig (Bundes-)Polizei vor Ort war und im entscheidenden Moment keine Verstärkung angefordert wurde (oder werden konnte).

Die Anfrage der Grünen zum Thema.

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