Im Prozess gegen einen mutmaรŸlichen Betreiber des illegalen Streaming-Portals kinox.to hat am Mittwoch der erste Zeuge ausgesagt. Bastian P. (33) war fรผr die Programmierung des Vorgรคngerdienstes kino.to verantwortlich. Bei Gericht bestรคtigte der Norddeutsche, dass Avit O. (32) schon bei diesem Raubkopie-Angebot seine Finger im Spiel hatte.

Der Auftritt bei Gericht war Bastian P. spรผrbar unangenehm. Am Montag hatte der Programmierer beantragt, unter Ausschluss der ร–ffentlichkeit vernommen zu werden. โ€œIch vermag hierfรผr keinen Grund zu sehen, weil die ร–ffentlichkeit in der Hauptverhandlung ein sehr hohes Gut istโ€, entgegnete der Vorsitzende Karsten Nickel. Der Informatiker musste mangels stichhaltiger Argumente klein beigeben. Das รถffentliche Interesse hielt sich ohnehin in Grenzen. Neben dem Autor hatten bloรŸ zwei Mitarbeiter der โ€œGesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungenโ€ sowie zwei junge Studenten den Weg ins Landgericht auf sich genommen.

Die Vernehmung gestaltete sich zรคh. โ€œSchildern Sie mal, wie sich in den Jahren ab 2008 ihre persรถnliche und berufliche Entwicklung gestaltet hatโ€, forderte Nickel Bastian P. auf. Die frรผhere Nummer 2 der kino.to-Hierarchie redet zwar seit Jahren mit Ermittlern und Gerichten, sprudelt aber nicht wie ein Wasserfall. Beinahe jeden zweiten Satz musste ihm der Vorsitzende aus der Nase ziehen: โ€œ2008 habe ich fรผr ein paar Auftraggeber gearbeitetโ€, erzรคhlte P. โ€œDiese Seite ist damals auch entstanden.โ€ โ€“ โ€œWelche Seite?โ€ โ€“ โ€œKino.to.โ€- โ€œWie ist diese Seite entstanden?โ€ โ€“ โ€œKino.to wurde an einem Wochenende programmiert fรผr 500 Euro und eine Kiste Cola.โ€

Dass ihn der Job im Juni 2011 fรผr lรคngere Zeit hinter Gitter bringen sollte, ahnte der Programmierer, der damals in Hamburg lebte, noch nicht. โ€œWir dachten immer, solange wir keine Filme direkt anbieten, ist alles okayโ€, erinnerte sich P. Am 11. April 2012 verurteilte das Landgericht den Web-Spezialisten zu dreieinhalb Jahren Haft. Die Hรคlfte der Strafe musste P. in Leipzig und Schleswig-Holstein absitzen. Der Rest ist bis 2016 zur Bewรคhrung ausgesetzt.

Am Mittwoch machte der frรผhere Cyber-Kriminelle, der heute in einem kleinen Dorf vor den Toren Hamburgs lebt, keinen Hehl aus der Zusammenarbeit mit Avit O. Der Lรผbecker Hacker hatte sich laut Anklage Anfang 2009 Zugangsdaten zu einem internen Forum sowie einem Mailserver des kino.to-Chefs Dirk B. verschafft. Bastian P. erfuhr durch den Leipziger von dem Angriff. Avit O. รผberzeugte das Fรผhrungsduo in Skype-Gesprรคchen und bei einem Treffen in Hamburg allerdings von seinen guten Absichten. โ€œEr hatte uns versichert, dass er uns wohlgesonnen sei und keinen Schindluder mit den Daten vorhรคtteโ€, erklรคrte der Programmierer. โ€œForderungen gab es nicht.โ€

Aufgrund seines Hacker-Talents avancierte Avit O. zum Teil des Kernteams um Dirk B. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden geht davon aus, dass der Angeklagte in der internen Hierarchie die Nummer drei gewesen sei. โ€œBis zum Ende der kino.to-Zeit hat er uns geholfenโ€, berichtete P. der Wirtschaftskammer. โ€œIrgendwann war er in der Kontaktliste und da blieb er dann auch.โ€ O. durfte sogar an einer gemeinsamen Weihnachtsfeier in Leipzig teilnehmen.

Der einstige Chefprogrammierer rรคumte freimรผtig ein, dass er im Herbst 2010 gemeinsam mit O. zwei frรผhere Mitstreiter in Ostfriesland aufgesucht habe. โ€œBei Ebay oder so sollten unsere persรถnlichen Daten verkauft werdenโ€, schilderte P. โ€œAuf jeden Fall haben wir versucht herauszufinden, woran das liegen kรถnnte.โ€ Dirk B. und sein Programmierer vermuteten, dass sich Unbekannte Zugang zu den Computern von Bernd und Karin N. verschafft haben kรถnnten. Das Ehepaar war fรผr die Freischaltung von Links zustรคndig. โ€œDas waren die einzigen, die sich mit Computern รผberhaupt nicht auskannten.โ€

Glaubt man dem Programmierer, stand er an jenem Tag morgens um 8 Uhr bei Familie N. auf der Matte. Avit O. wartete in P.โ€™s Auto. Im Kofferraum lag eine Schreckschusspistole, die der Lรผbecker mitgebracht hatte. โ€œWas wollten Sie bei der Familie N. erreichen?โ€, erkundigte sich Nickel. โ€œIch wollte mir ihre Computer ansehenโ€, antwortete P. mit zittriger Stimme. โ€œIch hab ihnen die Situation geschildert. Dass wir erpresst werden und vermuten, dass ihre Computer infiziert sind.โ€

Bernd N. gab nach. Die Nummer zwei durfte einen kurzen Blick auf die Rechner werfen, fand aber nichts Auffรคlliges. Eine vollstรคndige รœberprรผfung der Gerรคte habe ihm der โ€œFreischalterโ€ verweigert. AnschlieรŸen sei man gemeinsam zu einem weiteren Link-Kontrolleur gefahren, der gleich um die Ecke gewohnt hatte. Richter Nickel zitierte aus einem Vernehmungsprotokoll. Karin N. sagte bei der Polizei aus, Bastian P. solle gedroht haben, im Auto sitze jemand mit einer Knarre. Der Chefprogrammierer schaltete um auf Verteidigung. โ€œIch glaube nicht, dass ich das gesagt habe.โ€

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