Rechtsextreme sind in der Wahl ihrer Feinde nicht sehr wählerisch. Als „Antifa“, „Zecke“ oder „Kommunist“ gilt für viele Neonazis und sonstigen Rechtsradikalen so ziemlich jede Person, die sich politisch links neben der Union verortet. Gewalttätige Übergriffe drohen daher grundsätzlich allen, die sich antirassistisch engagieren oder äußern. Diese Erfahrung musste in der vergangenen Nacht auch ein bekannter Leipziger Blogger machen.

Martin Meißner berichtet seit mehreren Jahren auf seinem Blog „Dunkel. Dreckig. Reudnitz.“ aus einem Stadtteil, der sich rasch wandelt. Wenn im Lene-Voigt-Park irgendeine Veranstaltung stattfindet, dann ist er dabei. Hauptsächlich handelt sein Blog von Kuriositäten, Nebensächlichkeiten und Dingen, die das Herz der „Hood“-Bewohner erwärmen – zum Beispiel gutes Essen. In der Leipziger Blogosphäre hat sich Meißner einen festen Platz erarbeitet. Nebenbei sitzt er noch im Stadtbezirksbeirat Südost und beschäftigt sich dort mit Angelegenheiten wie den Neubauplänen eines Supermarktes in der Riebeckstraße.

Eine typische „Zecke“, als welche sich beispielsweise die Fans des FC St. Pauli regelmäßig selbst besingen, ist Meißner nicht. Dennoch wurden er und seine Freundin in der vergangenen Nacht Opfer eines offenbar rechtsextremen Übergriffs. Zeugen konnten beobachten, wie drei Vermummte die Worte „Meißner du Zecke“ auf das Haus sprühten, in dem sich seine Wohnung befindet. Danach warfen sie mehrere Fenster ein und flüchteten. Die Polizei ermittelt nun wegen Sachbeschädigung und Beleidigung.

Ein symbolträchtiger Abend

Die Tat ereignete sich am Abend des 9. November, also 77 Jahre nachdem Nazis mit ähnlichen Methoden die systematische Verfolgung deutscher Juden begannen. Etwa eine Stunde vor dem Angriff beendete zudem das rassistische Bündnis Legida seine Kundgebung auf dem Richard-Wagner-Platz. Warum ausgerechnet er zur Zielscheibe wurde, kann sich Meißner nicht erklären. „Einen konkreten Anlass dafür sehe ich nicht.“ Es sei denn, die Täter hätten Anstoß an einem gestern veröffentlichen Blogbeitrag genommen, in dem für die Teilnahme an Stolperstein-Gedenkaktionen geworben wurde.

Einen Vorfall dieser Art habe er bislang noch nicht erlebt. Allerdings erhielt sein Arbeitgeber bereits Anfang März eine anonyme E-Mail mit bedrohlichem Inhalt: „Wir empfehlen Ihrem Mitarbeiter, seine linke Kommunisten-Dreckschnauze zu halten! Sonst braucht er selbst bald einen Rollstuhl! Meißner steht auf der Liste der Vaterlandsverräter.“ Auch damals konnte sich der Blogger den konkreten Anlass nicht erklären. Womöglich bestand ein Zusammenhang mit der von ihm gegründeten „Reisegruppe Reudnitz“, die mehrmals vom Lene-Voigt-Park zum Legida-Gegenprotest zog. Ende 2013 war er mit antirassistischem Engagement in Erscheinung getreten, als er in Reaktion auf den Widerstand gegen den Moscheebau in Gohlis eine Online-Petition mit dem Titel „Leipzig sagt Ja“ startete, die von fast 6.000 Personen unterzeichnet und dem Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung übergeben wurde.

Meißner lässt sich von den Einschüchterungsversuchen nicht unterkriegen. Die Drohung per E-Mail kommentierte er damals mit den Worten: „Ich habe erstmal richtig laut gelacht. Was für ein Start in die Woche.“ Und auch für den nächtlichen Besuch von Rechtsextremen hatte Meißner schnell die passende Antwort parat: „Eine Bewegung, die sich von mir bedroht fühlt, kann ja nichts taugen.“

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