Avit O. (32) hat am Montag ein Geständnis abgelegt. Strafverteidiger Andreas Boine gab für den Lübecker eine Erklärung ab, in der dieser seine Beteiligung an dem Raubkopie-Portal kino.to einräumte. Dass sich der Angeklagte zu diesem Anklagepunkt einließ, überraschte nicht wirklich. Die Beweislast ist erdrückend.
Neben Erkenntnissen aus der Auswertung beschlagnahmter Datenträger und Dokumente stehen der Generalstaatsanwaltschaft eine Reihe von Zeugen zur Verfügung, um O.’s Mittäterschaft bei kino.to zu belegen. So kooperierte beispielsweise Chefprogrammierer Bastian P., der am Mittwoch vernommen werden soll, bislang umfangreich mit den Strafverfolgern.
Am Montag hätten bereits Bernd und Karin N. den Norddeutschen, der in kino.to-Kreisen unter dem Decknamen “Pedro” agierte, im Gerichtssaal identifizieren sollen. Dass es hierzu nicht kam, war einem Fauxpas des Landgerichts geschuldet. Der Verwaltung lag nicht die aktuelle Anschrift des Ehepaares vor, das bis 2010 Links zu raubkopierten Filmen und Serienepisoden auf dem Streaming-Portal eingepflegt hatte. Nach einem Streit mit Betreiber Dirk B., der in der Kündigung des Paares gipfelte, verkauften die “Freischalter” Informationen über die Hintermänner an die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechten (GVU). Die Rede ist von einem sechsstelligen Euro-Betrag.
Dass die beiden Zeugen von ihrem umfassenden Schweigerecht, das ihnen aufgrund laufender Ermittlungen zusteht, Gebrauch machen werden, ist unwahrscheinlich. Staatsanwalt Till Neumann teilte am Montag mit, dass das Verfahren bald abgeschlossen werden solle. Die beiden N.’s dürfen aufgrund ihrer Aussagebereitschaft bei Behörden und GVU auf eine Einstellung hoffen. Immerhin konnte das illegale Portal nur durch ihr Mitwirken abgeschaltet werden. Zu guter Letzt hatte Avit O. seine Beteiligung an kino.to in einer polizeilichen Vernehmung im Juni 2014 selbst eingeräumt.
Wenn sich Avit O., der im Prozess bisher geschwiegen hat, jetzt zum kino.to-Komplex äußert, dann um den entstandenen Schaden zu begrenzen. Ein Geständnis kann das Verfahren abkürzen und sich obendrein strafmildernd auswirken. Verteidiger Boine begann den kurzen Vortrag in O.’s Kindheit. Im Alter von fünf Jahren habe der Hacker seinen ersten Computer geschenkt bekommen. Später beschäftigte er sich intensiv mit dem Internet. kino.to habe ihn fasziniert.
Als er gravierende Sicherheitslücke in der Portal-Software entdeckte, habe er sich mittels eines Hacks die Daten der Betreiber beschafft. Laut Anklage im März 2009, nach O.’s Erinnerungen um 2008 oder 2009, schrieb er Dirk B. eine Mail. Der kino.to-Chef soll die Initiative zunächst für einen Erpressungsversuch gehalten haben. Bei einem Gespräch in Hamburg konnte O. den Leipziger und seinen Programmierer Bastian P. jedoch von seinen guten Absichten überzeugen. “Er erklärte seine Bereitschaft, auch in Zukunft zu helfen, wenn es Sicherheitslücken gibt”, gab Boine an. Eine Anstellung gegen Bezahlung habe O. allerdings abgelehnt. Sein Mandant habe sich nie mit den Filehostern beschäftigt und keinerlei Kenntnis von den wirtschaftlichen Gegebenheiten gehabt.
Boine räumte ein, Avit O. habe Dirk B. die Daten der Betreiber des Konkurrenzportals movie2k.to geschickt. Wie er an diese gelangt sei, ließ sein Verteidiger offen. Außerdem habe sich der Angeklagte gemeinsam mit Bastian P. Zugang zu den Laptops des Ehepaares N. und eines weiteren “Freischalters” verschafft. Bei den “Hausbesuchen” habe er eine Gaspistole mit sich geführt. Diese hätte jedoch nur der Selbstverteidigung gedient. Außerdem sei er im Auto sitzen geblieben, während Bastian P. die Räumlichkeiten des Trios aufgesucht habe. “Herr O. war selbst total aufgeregt”, führte Boine aus.
Etwaige Nachfragen wollte der Angeklagte freilich nicht beantworten. Alles in allem umfasste das schmale Geständnis nur das, was ohnehin in den Akten steht und sich nicht aus der Welt räumen lässt. Zu den Vorwürfen, die kinox.to betreffen, verlor er kein Wort. Der Prozess soll am Mittwoch mit der Vernehmung von Bastian P. fortgesetzt werden.
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