Das Landgericht Leipzig hat am Mittwoch einen früheren Mitarbeiter des Jugendamts vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte Tino H. (42) eine Mitschuld am tragischen Tod des zweijährigen Kieron-Marcel vorgeworfen. Das Kleinkind war am 13. Juni 2012 in einer Gohliser Wohnung verdurstet, nachdem seine Mutter wenige Tage zuvor an einer Überdosis Heroin verstorben war.
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Kieron-Marcels qualvoller Tod hätte verhindert werden können, hätte Tino H. als zuständiger Sachbearbeiter frühzeitig interveniert. Der Sozialarbeiter betreute die kleine Familie von November 2011 bis April 2012 als Eingangsmanager für den Allgemeinen Sozialdienst des Leipziger Jugendamts. Die Mutter, Christine F. (25), nahm bis Anfang 2012 an einem Methadon-Programm teil.
Zu Jahresbeginn häuften sich allerdings mehrere Unzuverlässigkeiten. Im Februar erhielt die Leipzigerin Polizeibesuch, nachdem sie im Drogenrausch halluzinierte und Gegenstände aus ihrer Wohnung geworfen hatte. Anfang April zog die Frau zu einem neuen Lebensgefährten ins Stuttgarter Umland. Ende Mai verließ sie den neuen Freund aufgrund des Suchtdrucks und kehrte mit ihrem Sohn in die Messestadt zurück.
Nach Auffassung des Gerichts lagen zu keinem Zeitpunkt für Tino H. erkennbare Umstände vor, die den Sozialarbeiter zum Handeln gezwungen hätten und den Tod des kleinen Jungen mitverursacht haben. In der Entscheidung, die Mutter mit dem Kind zu ihrem neuen Partner ziehen zu lassen, erkannte die 9. Strafkammer sogar eine Verbesserung des Kindeswohls. “Dass es zu diesem tragischen Verlauf gekommen ist, ist allein der Situation geschuldet, dass Frau F. Mitte Mai unter zu hohem Suchtdruck gesagt hat, ‘ich will wieder zurück'”, betonte der Vorsitzende Klaus Kühlborn. Tino H. sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für die Betreuung von Mutter und Kind zuständig gewesen.
Staatsanwältin Wienke Naumann hatte die Verhängung einer Geldstrafe über 120 Tagessätze beantragt. “Wir haben den gesicherten Fakt, dass ab dem 10. April 2012 ein akutes Drogenproblem bestanden hatte”, erklärte die Anklägerin. Die Suchtproblematik der Mutter war nach Auffassung des Gerichts zu dem Zeitpunkt allerdings nicht von Relevanz, da der neue Lebenspartner gleichfalls über das Wohlergehen des Kindes gewacht hätte. Bei einem Gesprächstermin mit dem Trio konnte sich H. davon überzeugen, dass Kieron-Marcel den Freund der Mutter akzeptiert hatte.
Das Amtsgericht hatte Tino H. im Mai 2014 wegen fahrlässiger Tötung zur Zahlung von 90 Tagessätzen verurteilt. Diese Entscheidung hob die Berufungskammer am Mittwoch auf und sprach den Sozialarbeiter frei. Freunde und Kollegen des Angeklagten spendeten der Kammer spontanen Beifall. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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