Jörg T. (44) war schuldunfähig. Darin waren sich die Prozessparteien im Landgericht einig. Die Staatanwaltschaft Leipzig warf dem 44-Jährigen versuchten Totschlag in zwei Fällen vor. In der Nacht zum 8. Juni 2014 hatte er einen Türsteher mit einem Messer in einer Disco angegriffen. Beim Versuch der Polizei, ihn zu entwaffnen, schossen die Beamten ihn nieder, weil sie sich in Lebensgefahr sahen. Die 1. Strafkammer des Landgerichts verhängte am Mittwoch eine Bewährungsstrafe.
Jörg T. litt im Juni 2014 an einem schweren schizophrenen Schub. Seit Tagen war er nicht mehr aus dem Haus gegangen ohne ein Messer, weil er Angst um sein Leben hatte. Seine Schizophrenie führte am 8. Juni zu einem Polizeieinsatz, weil er gegen drei Uhr in einer Disco nach einem Streit mit Gästen den Türsteher Maxim K. (23) mit einem Messer attackierte. „Ohne Grund griff der Angeklagte zu einem Messer und stach in Richtung Bauch“, führte Staatsanwältin Katrin Minkus in ihrem Plädoyer am Mittwoch zu der Tat an. „Rechtlich ist das als versuchter Totschlag zu werten.“
Nebenklägervertreter von Maxim K. führte aus, dass man diese Tat nur als gefährliche Körperverletzung an seinem Mandanten würdigen könnte, weil der Angeklagte in einem psychotischen Schub Angst um sein Leben hatte. Damals war T. der Meinung gewesen, dass er durch den Sicherheitsmann eine Treppe heruntergestoßen wurde. In Wirklichkeit fiel er auf ein Fahrrad bei der Auseinandersetzung.
„Ich bin verblüfft“, zeigte sich Strafverteidiger Matthias Luderer über die rechtliche Würdigung nicht als versuchten Totschlag sondern als gefährliche Körperverletzung überrascht. „Die Nebenklage hatte Dinge vorgebracht, die ich ähnlich vertrete.“
Er argwöhnte ebenfalls über die Interpretation der Polizeimaßnahmen durch die Staatsanwältin. „Es sind ja keine Gärtner“, bewertete er die Polizeiarbeit. Als sie seinen Mandanten damals in einer komplizierten Situation gestellt hatten, sahen sie einen bewaffneten Mann, so Luderer.
„Es kann nicht so gewesen sein“, bezweifelte der Verteidiger eine konkrete Lebensgefahr für den Beamten Markus H. (33) in dem Moment, als er damals den Schuss abgegeben hatte, „weil der Schusskanal anders war.“ Die Schussabgabe sei allerdings nachvollziehbar gewesen.
Für Maxim K. hatte der Prozess viel gebracht. „Für mich ist das heute abgeschlossen.“ Erst kurz vor Prozessbeginn hatte er von der Erkrankung T.’s erfahren und musste im Laufe der Verhandlungen umdenken. „Ich bin überzeugt, dass es ihm leid tut.“
„Ich werde meinen Teil dazu beitragen“, verlautbarte Jörg. T. zu seinen Bestrebungen, weitere Gefahr durch ihn und seine Krankheit zu verhindern. „Ich bedauere es. Ich habe nicht bewusst versucht, jemanden zu töten“, sagte er in seinem letzten Wort.
Den Ausführungen des Angeklagten, der Verteidigung und der Nebenklage folgte das Gericht und verurteilte Jörg T. wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. „Die Taten beging er im Zustand der Schuldunfähigkeit“, rechtfertigte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf das Strafmaß, unter anderem aufgrund des vorliegenden psychologischen Gutachtens.
„Sie haben ungewöhnlich erfolgreich auf die Medikamente angesprochen“, hob die Kammer außerdem hervor und sah sich dazu veranlasst, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. In den nächsten fünf Jahren muss T. sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen, um seine Behandlung nachzuweisen. Das Urteil ist rechtskräftig.
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