Völlig unerwartet wurde Katrin von W. (41) am Morgen des 29. Januar 2015 angegriffen. Wegen versuchten Totschlags muss Julian G. (28) sich nun seit Montag vor dem Landgericht Leipzig verantworten. Alkohol und die Trennung von seiner Freundin sollen der Grund gewesen sein, weshalb der Angeklagte die Kontrolle über sich verlor. An den Angriff selbst habe er keine Erinnerung mehr, so Julian G. in seiner Einlassung.
Den Arbeitsbeginn des 29. Januar 2015 wird Katrin von W. wohl nie vergessen. Sie arbeitete als Verkäuferin in dem Backwarengeschäft im Hauptbahnhof und trat gegen fünf Uhr ihren Dienst an. Beim Abholen ihrer Waren traf sie auf Julian G., der sie nur wenige Minuten später übel zurichtete. Seitdem sitzt er in Haft. Der schmächtige 28-Jährige, der in Bremen geboren ist, sieht nicht aus wie ein Schläger. Im Gerichtssaal wirkte er zurückhaltend.
In seiner Einlassung vor der 5. Strafkammer skizzierte er die Bruchstücke des Abends. Der Abend begann mit der Trennung von seiner Freundin und mit Alkohol wollte er den Trennungsschmerz bekämpfen: “Ich wollte eigentlich nur abschalten. Es half aber nichts. Es ging immer weiter bergab.”
Als das Bier alle war, machte Julian G. sich auf den Weg, neues zu besorgen und landete in der Gaststätte Sachseneck in Gohlis. “Da habe ich noch ein paar Bier getrunken”, gab er an. Was bis zum Morgen dann weiter geschah, daran konnte er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr erinnern. “Das Nächste was ich weiß, ist, dass ich bei der Polizei war.”
“Er kam als Gast zu meiner Gaststätte”, erinnerte sich Kornelia-Michaela R. (52) sehr gut an den jungen Mann, der gegen Mitternacht erschien. Er kam mit einem anderen Gast ins Gespräch, bis man irgendwann auf die Trennung zu sprechen kam. Tröstende Worte quittierte Julian mit “Halts Maul.” Seine Aggression wuchs nach und nach und seine Beleidigungen wurden immer lauter.
Der Wirtin wurde es nach einer Weile zu bunt und sie forderte ihn auf zu gehen. “Du weißt wohl nicht, wer ich bin”, ging er sie an. “Ich bin der Führer der Antifa.” Unbeeindruckt verwies sie ihn der Tür. “Ich finde heraus, wo du wohnst. Ich bringe dich um”, gab er der 52-Jährigen beim Herausgehen noch zu verstehen.
Gegen halb vier wurde er dann das Problem des Taxifahrers Roland G. (49). Im Taxi verdüsterte sich die Stimmung des Angeklagten abermals. “Ich werde sterben und sie auch”, brummelte er geistesabwesend. Dem 49-Jährigen war die Situation nicht ganz geheuer und er rief einen Kollegen zum Hauptbahnhof, wo die Fahrt enden sollte. “Ihre Familie wird auch sterben”, fauchte der Fahrgast weiter.
Am Ziel angelangt, stellte sich heraus, dass Julian G. den Fahrpreis nicht zahlen konnte. Die Polizei wurde verständigt. Beim Eintreffen der Beamten wurde aus den Todesdrohungen dann ein “Ich hab dich doch lieb”. Bei seiner Durchsuchung trat etwas Geld zutage, womit sich der Taxifahrer zufrieden gab und von einer Strafanzeige absah. Was Julian G. in der folgenden Stunde tat, konnte am Montag noch nicht geklärt werden.
Gegen fünf Uhr traf Katrin von W. auf den 25-Jährigen, der ihr den Weg ins Lager versperrte. “Er lief von rechts nach links”, beschrieb sie die Situation. Sie forderte ihn mehrmals auf, Platz zu machen. Er reagierte nicht, sondern legte sich überdies noch vor die Tür. Nach einer erneuten Aufforderung sprang er plötzlich auf und würgte die 41-Jährige bis sie zu Boden ging. “Ich habe keine Luft bekommen”, schilderte sie unter Tränen dem Schwurgericht. “Er hat mir auf den Kopf getreten.” Die Verkäuferin schrie um ihr Leben.
Für eine kurze Zeit ließ G. dann von ihr ab. “Er hat mich gefragt, ob ich jetzt ruhig bin”, gab sie zu der kurzen Pause an. Wimmernd habe sie ihn angefleht aufzuhören, doch er machte weiter. “Ich habe meinen Sohn gesehen”, verdeutlichte W. die für sie dramatische Situation. “Ich dachte, ich komme nicht mehr raus.” Schließlich vernahm eine Bahnangestellte die Schreie und informierte die am Bahnhof befindliche Polizeistreife, die den Täter dann stoppte und festnahm.
“Es ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe”, versuchte sich der Angeklagte nach der Aussage der Geschädigten unter Tränen zu entschuldigen. “Es tut mir unbeschreiblich leid.” Die 41-Jährige konnte die Entschuldigung nicht annehmen. “Sie haben mir ein Stück Sicherheit genommen”, entgegnete sie. “Vielleicht irgendwann.”
Bereits in einem Brief hatte sich der Angeklagte für die Tat entschuldigt. Angehörige und Freunde von G. sammelten für sein Opfer 5.000 Euro als Täter-Opfer-Ausgleich.
Zwei weitere Prozesstermine sind angesetzt, am kommenden Freitag wird die Verhandlung fortgeführt.
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