Auf der Suche nach einem guten Friseur fragt man lieber nicht Jürgen Kasek. Der sächsische Grünen-Vorsitzende ist gelernter Rechtsanwalt. Verbraucher sollten Friseur-Bewertungen des 34-Jährigen deshalb besser keinen Glauben schenken. Dennoch legte AfD-Coiffeur Ralf Nahlob im vergangenen Jahr eine sarkastische Twitter-Bemerkung Kaseks über seine Fertigkeiten mit der Schere auf die berühmte Goldwaage. Das Oberlandesgericht Dresden erteilte dem Rechtsaußen-Politiker jetzt eine schallende Ohrfeige.
Kasek hatte während des Landtagswahlkampfs via Twitter eine unglückliche Botschaft in die Welt gesendet: “Ab sofort empfehle ich, nicht mehr zum Friseur Gentlemens Cut in #Leipzig zugehen. Inhaber ist ein #AFD ler. Man weiß nie, wo die Schere ansetzt.”
Während der Grünen-Politiker den Tweet nach wenigen Stunden wieder von seinem Profil entfernte, machte die AfD mit der Äußerung Wahlkampf. Ihr Kandidat Ralf Nahlob, Miteigentümer des “Gentlemens Cut”, zog gegen Kasek vor Gericht. Die Äußerung verletze seine Persönlichkeitsrechte. Außerdem beeinträchtige der Boykottaufruf in unzulässiger Weise seinen Gewerbebetrieb.
Das Landgericht gab ihm in erster Instanz Recht. Die Richter verurteilten Kasek zur Unterlassung. Der Jurist legte Berufung ein. Vor dem Oberlandesgericht erwirkte der Grünen-Politiker am 22. April zusammen mit seinem Rechtsanwalt René Hobusch die Aufhebung des umstrittenen Urteils.
Die Äußerung, der Kläger sei Mitglied der AfD, sei nach Auffassung der Richter eine wahre Tatsachenbehauptung, deren Verbreitung nicht untersagt werden könne. Der Satz: “Man weiß nie, wo die Schere ansetzt.” stelle obendrein keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, sondern eine sarkastische und in zulässiger Form zugespitzte Äußerung im Wahlkampf.
In der schriftlichen Urteilsbegründung, die das Oberlandesgericht am Dienstag veröffentlichte, kommen die Richter zu der Erkenntnis, dass Kasek keinesfalls intendiert habe, Twitter-Nutzer aufgrund mangelhafter Qualität vor dem Besuch von Nahlobs Salon zu warnen. “Als maßgeblicher Adressatenkreis ist hier auf einen politisch interessierten Leser abzustellen, der den Blog des Beklagten als Informationsquelle im Rahmen des Landtagswahlkampfes nutzt und gerade nicht auf einen Internet-Nutzer, der sich über die Qualität der in Leipzig ansässigen Friseure informieren will.”
Jürgen Kasek hat Grund zur Freude. “Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden eben in Deutschland doch durch die Gesetze und nicht durch die AfD bestimmt, die von sich aus nicht behaupten sollte, die Partei der Meinungsfreiheit zu sein”, kommentierte der sächsische Grünen-Vorsitzende das rechtskräftige Urteil. Ralf Nahlob kann gegen die Entscheidung jetzt nur noch Verfassungsbeschwerde einlegen.
Das schriftliche Urteil findet sich in anonymisierter Form unter dem Aktenzeichen 4 U 1676/14 in der Entscheidungsdatenbank des OLG Dresden.
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