Es begann alles mit einem Interview auf dem linken Dresdner Portal "Alternative Dresdner Nachrichten" adnn.me. In diesem schildern zwei Geschädigte einen Überfall von rund 50 offenkundigen PEGIDA-Anhängern am 22. Dezember 2014 im Anschluss an das "Weihnachtssingen" auf eine Gruppe von jugendlichen Migranten. Was das Interview so bemerkenswert macht - die Polizei in Dresden scheint, so zeigt es zumindest die Polizeimeldung zu dem Vorgang, Opfer und Täter irgendwie anders herum zu sehen. Nun gehen weitere Medien der Geschichte nach - auch die L-IZ. Denn bislang geben sich PEGIDA-Anhänger betont gewaltfrei.
Was die kurdischen Jugendlichen Can und Cem (Vornamen) gegenüber den Journalisten von addn.me öffentlich schildern, überschreiben die Macher des Portals mit “Hetzjagd auf Migranten”. Als die 20 bis 30 Jugendlichen, offenbar alle zwischen 12 bis 20 Jahre alt, in der Dresdner “Centrum Galerie” – gelegen zwischen dem Demonstrationsplatz an der Semperoper und dem Dresdner Hauptbahnhof – “abhängen und shoppen” wollen, kommt es auch laut Polizeibericht gegen 20:25 Uhr zu einer folgenschweren Begegnung. Rund 50 laut Beschreibung der beiden Zeugen “erwachsene Männer”, nach den Angaben der beiden Interviewten viele mit Dynamo Dresden – Utensilien unterwegs, treffen auf die Gruppe Migranten. Und nach einem kurzen Wortwechsel prügeln die “sehr breiten und kräftigen” Männer zwischen 20 und 40 Jahren los, so die Darstellung.
Dabei sollen sie “Wir sind das Volk” gerufen haben und teils mit Teasern und anderen Tatwerkzeugen wie Schlagstöcken vorgegangen sein. Ein Indiz, dass es sich – so die Zeugenaussagen stimmen – um eine vorbereitete Tat handeln könnte. Hinzu kommt, dass die Verkaufsmall ein beliebter und bekannter Treffpunkt von jugendlichen Migranten aber auch deutschen Jugendlichen sei. Mindestens fünf Verletzte soll der Überfall auf Seiten der Jugendlichen ergeben haben, darunter ein 15-jähriges Mädchen, welches aufgrund einer asthmatischen Erkrankung nicht fliehen konnte.
Die anderen flüchteten in die “Centrum Galerie”, versteckten sich, Passanten sollen den Übergriff beklatscht haben. Geholfen hat scheinbar niemand. Die Polizei – laut den beiden Jugendlichen Can und Cem bereits anwesend, als der Übergriff noch im Gange war, inhaftierte anschließend laut eigener Meldung vom 23. Dezember neun Jugendliche aus der Gruppe, welche nach den Aussagen im Interview selbst überfallen worden waren.
Im Polizeideutsch der Grund für die Verhaftung: “Kurz darauf gegen 21.30 Uhr hatten Beamte der Bundespolizei am Haltepunkt Friedrichstadt einen verletzten Mann festgestellt. Er gab an, auf dem Rückweg von der Pegida-Demonstration bei einer Auseinandersetzung auf der Prager Straße (direkt an der Centrum Galerie, d. Red.) verletzt worden zu sein. Dabei hatte der 24-Jährige zwei Stichverletzungen erlitten. Desweiteren war er geschlagen und getreten worden. Der Verletzte wurde in ein Dresdner Krankenhaus gebracht. Die neun festgestellten Jugendlichen und Männer wurden daraufhin vorläufig festgenommen. Sie wurden in der Nacht alle wieder entlassen”
Dass der Vorfall selbst stattfand, ist also auch der Polizei klar, wenn sie schreibt, sie sei zwar gerufen worden, war aber zu spät gekommen. “Passanten gaben an, dass sich die Gruppen in Richtung Bahnhof entfernt hätten. Auch dort konnten keine Beteiligten ausfindig gemacht werden.” Die Darstellung der beiden Zeugen im Interview auf addn.me “Nur Migranten wurden von der Polizei mitgenommen und verhört. Die PEGIDA-Anhänger haben nur Platzverbote (Platzverweise Anm. d. Red.) bekommen.”
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Was seitdem im Raum steht, ist die Aussage eines verletzten Mannes, welcher offenbar die Migranten als Täter benannte oder eine Polizei, die einfach messerscharf loskombinierte und eine Inhaftierung von neun Menschen, ohne dass die Polizei einen genaueren Grund dafür angibt. Im Weiteren die diametral entgegengesetzten Darstellungen der beiden Zeugen zur Verlautbarung der Polizei, man habe niemanden mehr von den mutmaßlichen PEGIDA-Demonstranten an der “Centrum Galerie” angetroffen.
Und hinzu kommt nun ein weiterer Vorgang am 24. Dezember 2014, welchen die TAZ seit heute thematisiert. Denn die 15-Jährige Asthmatikerin namens Wadha fand zwei Tage nach dem Vorfall den Mut, unter Begleitung ihrer Mutter eine Strafanzeige zu stellen. Oder besser stellen zu wollen. Denn ein Beamter in der Dienststelle Schießgasse habe sie “abgefertigt”, so die TAZ und behauptet, dass Mädchen hätte sich die Verletzungen selbst zugefügt.
Spätestens da stellt sich wohl die Frage, wie es die Polizei meint, wenn sie am 23. Dezember in ihrer Mitteilung schrieb: “Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Dabei muss insbesondere der eigentlichen Tathergang sowie ein möglicher Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen geprüft werden. Zeugen der Auseinandersetzung werden gebeten, sich unter der Rufnummer (0351) 483 22 33 bei der Dresdner Polizei zu melden.” Ein Aufruf, der an der Dienststelle Schießgasse wohl ungehört bleiben sollte.
Während die TAZ es im Vorfeld ihres Artikels mit einer Anfrage bei der Dresdner Polizei zum Vorfall versuchte, hat sich die L-IZ bereits gestern mit eigenen Fragen zu dem Vorgang an das Sächsische Ministerium des Innern (SMI) mit Bitte um schriftliche Antwort bis zum 8. Januar 2015 gewandt. Denn so schreibt die TAZ: “Die Polizei wollte sich auf Anfrage der TAZ am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen äußern.”
Die Jugendlichen jedenfalls hätten nun Angst, sich an Montagen in der Nähe des Dresdner Zentrums aufzuhalten, so das Ende des Interviews auf addn.me. Die Polizei ermittelt. Ob in alle Richtungen, wird sich zeigen.
Zu den einzelnen Darstellungen im Netz
Die TAZ vom 2. Januar 2015: “Angriff unter Applaus” In Dresden sollen Pegidisten migrantische Jugendliche angegriffen haben. Eine Strafanzeige wollte die Polizei jedoch nicht aufnehmen
www.taz.de/Vorfall-bei-Pegida-Demo-/!152095/
Zum Interview: Hetzjagd auf Migranten in Dresden auf addn.me vom 28. Dezember 2014
www.addn.me/nazis/interview-hetzjagd-auf-migranten-in-dresden
Die Polizeimeldung der PD Dresden vom 23. Dezember 2014
www.polizei.sachsen.de/de/MI_2014_33605.htm
Zur Centrum Galerie im Netz
centrumgalerie.de/impressum
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