Die hitzige Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen in einem ehemaligen Gymnasium in Leipzig-Schönefeld ist abgeebbt, die Notunterkunft seit Ende März wieder geschlossen. Die Nachwehen standen am Donnerstag im Leipziger Amtsgericht auf dem Sitzungsplan. Ein 37-Jähriger musste sich wegen Volksverhetzung verantworten.

Im November 2013 war die Stimmung in Leipzig-Schönefeld aufgeheizt: Zahlreiche Anwohner fühlten sich von der Stadt Leipzig überrumpelt, weil rund 100 Asylbewerber in ein ehemaliges Gymnasium einquartiert werden sollten. Zusätzlich zur Szenerie gesellten sich NPD-Anhänger, um die bereits rassistisch aufgeladene Stimmung zusätzlich anzufeuern. Zahlreiche Gruppen kritisierten die Reaktionen aus der Bürgerschaft und die Umtriebe von Neonazis unter anderem mit Kundgebungen.

Mittendrin befand sich damals Michael R.. Der Anwohner besuchte am 25. November 2013 die Informationsveranstaltung in der Gedächtniskirche. Ihn hätten die Argumente der Stadtverwaltung interessiert. Außerdem habe er sich schlecht informiert gefühlt. Gegen Ausländer habe er selbstredend nichts, nur sei der Unterbringungsort schlecht gewählt gewesen. Ein bekanntes rassistisches Argumentationsmuster bei Debatten über die Unterbringung von Flüchtlingen.

Die Veranstaltung glich einem großen Wirrwarr: Neonazis waren anwesend, wurden allerdings von Sicherheitskräften an der kurzen Leine gehalten. Zahlreiche Anwohner bezeichneten die Vertreter der Stadt immer wieder als Lügner. Rassistische Kommentare waren eher die Regel statt die Ausnahme und fanden mitunter breite Zustimmung. Dazu kamen noch Rassismus-Kritiker.

Michael R. hatte in der aufgeladenen Stimmung schnell einen Standpunkt gefunden. “Dann können wir Auschwitz wieder aufmachen”, posaunte der Heim-Gegner in die Menge. Und schob nach: “Da haben sie dann auch was zum Duschen.” Gleich zu Verhandlungsbeginn räumte der Leipziger ein, diese Sätze geäußert zu haben. Allerdings nur zu seinem Platznachbarn. Außerdem habe jemand anderes vor ihm denselben Wortlaut von sich gegeben.

Zwei Studentinnen, R. (20) und K. (19), berichteten allerdings, dass sowohl durch Körperhaltung als auch durch die Lautstärke des vielfach vorbestraften Angeklagten klar gewesen sei, dass das Podium sein Adressat gewesen sein müsse. Zeugin M. (26) saß mehrere Meter entfernt vor dem Mann und versuchte, die Veranstaltung stichpunktartig zu protokollieren. Auch sie nahm die Äußerung deutlich wahr.

Nach Wahrnehmung der Zeuginnen erntete der Leipziger bereits beim ersten Satz Zustimmung und setzte mit einem zweiten Satz noch einmal einen drauf. Amtsrichterin Heike Gunter-Gröne sah die Vorwürfe bestätigt. Sie verurteilte Michael R. zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf beantragt. “Es dürfen bei so einer Situation solche Sätze nicht fallen”, begründet die Juristin die Entscheidung.

Michael R. muss außerdem 200 Euro an die Flüchtlingshilfe überweisen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar