Julian O. (24) hat eine komplizierte Biografie. Aufgewachsen in Heimen und bei Pflegefamilien, geriet der junge Mann früh auf die schiefe Bahn. Mit 14 probierte er erstmals Alkohol, mit 16 trank er regelmäßig. Die Schule verließ er nach neun Jahren am Ende der 7. Klasse. Wegen Auseinandersetzungen mit Polizisten musste sich der Wiederholungstäter am Donnerstag vor dem Amtsgericht verantworten.
Vor zehn Jahren geriet der Auszubildende erstmals mit dem Gesetz in Konflikt. Das Bundeszentralregister kennt sieben Einträge. Diebstähle, Sachbeschädigungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. 2009 wurde Julian O. bei einem Einbruch in einen Supermarkt auf frischer Tat gestellt. Ein Polizist schoss ihm ins Knie. Zu Unrecht, fand die Staatsanwaltschaft, und klagte den Beamten an.
Julian O. erhielt für diese Tat eine letzte Chance. Zwei Jahre auf Bewährung wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Widerstand. Das gnädige Urteil war die Belohnung für eine erfolgreiche Suchttherapie. Die Jugendgerichtshilfe attestierte dem Heranwachsenden damals eine positive Sozialprognose. Doch er wurde rückfällig, trank wieder, beging Straftaten und musste ins Gefängnis. Seit Juli ist er auf freiem Fuß.
Am Donnerstag saß der Mehrfachtäter wieder einmal im Amtsgericht auf der Anklagebank. Verhandelt wurden zwei Vorfälle aus dem Jahr 2012. Am 15. August hatte Julian O. gemeinsam mit weiteren Personen abends vor einem Grundstück in Sellerhausen-Stünz herumgelärmt. Die Polizei kam.
Der Betrunkene befolgte erst einen Platzverweis nicht, schlug dann nach den Beamten und versuchte einem Ordnungshüter ins Gesicht zu schlagen. Als ihn die Beamten schließlich abführten, drohte er lautstark: “Ich bring euch um.” Während der Fahrt zum Zentralen Polizeigewahrsam bespuckte er die Beamten. Auch der angeordneten Blutentnahme setzte sich Julian O. zur Wehr – letztlich erfolglos.
Am 28. Oktober versuchte er zunächst, ein Fahrrad zu klauen. Als dies misslang schlug er auf einen abgeparkten Pkw ein. Die Polizei kam vorbei. Wieder ging Julian O. die Beamten an, wehrte sich und sparte nicht mit wüsten Beschimpfungen. Erneut war Alkohol im Spiel.
Vor Gericht erklärte Verteidiger Ingo Stolzenburg, die Anklagen seien “im Wesentlichen zutreffend.” Allerdings könne sich sein Mandant aufgrund von Gedächtnislücken nicht an die Taten erinnern. Der Angeklagte gab an, ab Frühjahr 2012 regelmäßig getrunken zu haben. Zehn bis fünfzehn Bier am Tag, dazu zwei bis drei Flaschen Hochprozentiges pro Woche. Auslöser für den Rückfall sei die Trennung von seiner damaligen Freundin gewesen.
Rechtsmediziner Vladimir Wenzel rechnete aus, dass der Angeklagte bei der Tat am 15. August etwa 3 Promille im Blut gehabt haben müsste. “Ich glaube nicht, dass er zu dem Zeitpunkt mitbekommen hat, wer vor ihm steht”, sagte der Experte aus. Für den 28. Oktober sei von einem ähnlich hohen Wert auszugehen. Gewissheit gebe es aber keine, weil seinerzeit kein Bluttest angefertigt worden sei.
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Bis 2010 war mit Julian O. nicht gut …
Mittlerweile hat der dreifache Vater sein Leben neu geordnet. Julian O. bewohnt eine eigene Wohnung, befindet sich in einer festen Beziehung und absolviert eine Ausbildung im handwerklichen Bereich.
Staatsanwalt Ronny Duckstein plädierte auf 150 Tagessätze – wegen Vollrauschs. Dies ist ein eigenständiger Straftatbestand, der dann zur Anwendung kommt, wenn ein Angeklagter andernfalls wegen Schuldunfähigkeit aufgrund seines vorsätzlich hohen Alkoholkonsums nicht verurteilt werden kann.
“Man muss die Entwicklung sehen, die der Angeklagte durchgemacht hat”, hielt Rechtsanwalt Stolzenburg entgegen. Sein Antrag: Nicht mehr als 100 Tagessätze. Amtsrichter Peter Weber wollte jedoch ein Zeichen setzen. 140 Tagessätze zu je sieben Euro. “Sie haben massiv gesoffen”, hielt er Julian O. vor. Der verlässt mit betretener Miene den Gerichtssaal.
Das Urteil ist rechtskräftig.
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