Mocke ging gern ins Zentralstadion. Bis zum 3. Mai. Nach der Aufstiegsfeier der Rasenballer schlugen vier Unbekannte den RB-Fan, den viele Stadiongänger als Trommler in Sektor B kennen gelernt haben, unweit des Stadions brutal zusammen. Aus Angst vor weiteren Angriffen möchte der Supporter künftig auf Stadionbesuche verzichten, die Angst sitzt tief. Unterdessen nehmen Hass- und Gewaltphantasien gegen RB-Fans immer weiter zu. Dabei werden selbst brutaleste Angriffe noch bejubelt.

Ein Hort des Hasses ist das soziale Netzwerk “Facebook”. In der größten Anti-RB-Gruppe tummeln sich über 5.200 Mitglieder. Selbstverständlich ist der Überfall auf Trommler Mocke dort Thema. Viele halten sich zurück, doch eine Gruppe User wird nicht müde, den Übergriff einer Gruppe auf einen Menschen zu feiern. “Schändliche, böse, vom Familienevent Fußball angewiederte Schwerverbrecher schlugen diesem modernen Helden einen Ziegelstein in die dumme Fresse”, schreibt Peter M., der sich zu Hansa Rostock bekennt.

Fast 70 User klicken auf “Gefällt mir”. Darmstadt-Fan Armin L., der im Mai in Leipzig eine Demo gegen den Dosen-Club anmelden wollte, kurz vor dem avisierten Termin aber einen Rückzieher machte (L-IZ.de berichtete), kommentierte den Hass-Beitrag mit einem lachenden Smiley.

Eine Anhängerin des Halleschen FC spricht lapidar aus, was anscheinend viele Mitglieder dieser Facebook-Gruppen stillschweigend gutheißen. “Ne Ratte weniger.” Ein anderer User spricht – ganz im Nazi-Jargon – in einem weiteren Kommentar von Gewalt als eine “Endlösung” des vermeintlichen Problems. Nicht der einzige Gesprächsfaden zu diesem Thema.
Ohnehin brät der Fußball für die Leipziger letztlich keine so großen Extrawürste, wie immer wieder betont. Dass langwierige Ringen um die Zweitliga-Lizenz, die den Brause-Kickern letztlich nur unter Auflagen erteilt wurde, beweist, dass die Statuten der Deutschen Fußball Liga (DFL) für die Rot-Weißen im gleichen Umfang gelten wie für alle anderen Teams. Auch in Zukunft muss RB Leipzig wohl mit kostspieligen Sportgerichtsverfahren rechnen, falls Club, Spieler oder Fans die geltenden Regeln, etwa in Bezug auf das Abbrennen von Pyrotechnik, grob missachten sollten.

Das mag manchen Fans anderer Vereine, die sich in sozialen Netzwerken über die Leipziger echauffieren, nicht auf den ersten Blick einleuchten. Auch am hoffnungslos überladenen Traditionsbegriff scheiden sich die Geister. So ist für die RB-Kritiker Lok Leipzig (gegr. 1966) regelmäßig ein Traditionsclub, während den weit älteren Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen (gegr. 1904) und 1899 Hoffenheim jegliche Tradition abgesprochen wird.

Der Hass auf RB Leipzig wird vorrangig in Ostdeutschland gepflegt. Dies mag an der räumlichen Nähe zum Vereinssitz und der bislang nach 1989 nachhaltig zurückgeworfenen Fußballlandschaft in vielen ostdeutschen Städten liegen. Nicht vergessen dabei zudem, dass viele RB-Hasser mit dem Engagement des Brause-Konzerns in der Messestadt jegliche Hoffnungen auf den Bundesliga-Aufstieg ihrer alteingesessenen Bezugsvereine innerlich zu Grabe getragen haben.

Entlädt sich die Aggression in Gewalt gegen den Verein oder seine Fans, die als Stellvertreter für die nicht erreichbaren Red-Bull-Manager herhalten müssen, sind zudem die Auferstehung einer verkürzten Kapitalismuskritik und straffe sozialdarwinistische Denkmuster zu beobachten. Da ist es nicht weit zum “unwerten Leben” der Fans von RB, auch Mocke wird hier längst nicht mehr wirklich als Mensch betrachtet.

Dabei sind die Hasstiraden gegen die Rasenballer zunehmend rechtsextrem aufgeladen. RB-Gegner sprechen von “Rattenball”, ein anfängliches Wortspiel aus Rasenball, doch längst werden Anhänger und Spieler auch in einem anderen Kontext als kleine Nagetiere verunglimpft. Damit bekommt die Fußballfehde auch eine antisemitische Note, die bereitwillig von Fans aus der ganzen Republik reproduziert wird. Bereits die Nazis verglichen Juden mit Ratten, etwa in dem Propagandafilm “Der ewige Jude”, der in Neonazi-Kreisen weithin bekannt ist.

In den einschlägigen Facebook-Gruppen sind auch rechte Kreise in der Debatte immer gern dabei. “Spielabbrüche müssen provoziert werden”, fordert beispielsweise der Dresdner Jan D. Der NPD-Sympathisant hat weitreichende Pläne und übt sich schon länger im Anheizen. “Da hilft nur Gewalt!!! Hooligans der Traditionsvereine vereinigt euch. Anonym bzw. es muss heissen ‘die GewaltTäter von Redbull. Das wäre doch mal ein Ziel…!!” In dieselbe Kerbe schlägt Martin H.: “Bei jeden Spiel von den müssen wir mit Gewalt vorgehen.”
Warum löscht niemand die menschenverachtenten Inhalte? Facebook interessiert sich nicht sonderlich für das Treiben seiner Nutzer. Eine Anfrage von L-IZ.de an Administrator Sebastian H. blieb unbeantwortet. Keine Überraschung. Der Leipziger versuchte den Angriff von vier polizeilich gesuchten Gewalttätern auf Trommler Mocke selbst zur Lappalie zu erklären. “Der redet Blödsinn und hofft, dass jemand Mitleid hat… Ziegelstein Attacke … soviel Schwachsinn auf einmal, geht ja gar nicht!!!”

Nach der L-IZ – Anfrage erscheint dann eine Distanzierung von der anfangs bereitwillig beklatschten Gewalt gegen den RB-Fan unter dem Hinweis, dass er keine Schließung der Gruppe möchte. Der deutliche Hinweis eines anderen Users, dieser RB-Fan würde nicht der letzte sein, den es trifft, kritisiert H.. Gelöscht hat er den Beitrag nach wie vor nicht.

Auch im Stadion finden solche Tonlagen schon lange ihren Widerhall in der Realität. Häufig noch als legitimer Protest, doch unter der Oberfläche wohnt auch die Bereitschaft, Übergriffe auf Mitmenschen zu feiern oder gar selbst zu begehen. Als die Rasenballer am 5. Oktober 2013 in Heidenheim aufliefen, entrollten die Ultras der Gastgeber ein Transparent: “Fußballmörder RB”. Beinahe jede Fanszene skandierte in der abgelaufenen Saison gegenüber den Messestädtern: “Ihr macht unseren Sport kaputt.”

Angesichts der Hasstiraden, Menschenverachtung und längst schon wieder auch aktiv ausgeübten Gewalt, die dem Leser in diesen Beiträgen bei Facebook entgegen schlägt, stellt sich die Frage wohl anders herum. Soziale Widersprüche und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft sind hier auf eine Mannschaft und deren Fans fokussiert. Die aggressive Stimmung schaukelt sich dabei immer weiter auf.

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