Man könnte meinen, es handele sich um einen Routinefall: Ein Fußballfan bespuckt einen Polizeibeamten am Ende eines eskalierenden Fußballspiels. Die Staatsanwaltschaft klagt an. Es kommt zur Verhandlung. Würde es dabei nicht um den vielfach als umstritten beschriebenen Polizeieinsatz vom 28. September 2013 beim Spiel VfB Zwenkau gegen die BSG Chemie gehen. Der erste Verhandlungstag jedenfalls zeigte irgendwie eine nicht ganz schlüssige Beweisführung vor Gericht und einen Beamten mit Gedächtnislücken.
Im Amtsgericht Leipzig wurde am Dienstag, 25. April ein Strafverfahren wegen Beleidigung eröffnet. Zu dieser soll es am Ende des Fußballspiels VfB Zwenkau gegen BSG Chemie am 28. September letzten Jahres gekommen sein. Zum Spiel selbst gab es dabei vor Gericht wenig zu sagen, dieses verlief friedlich und entspannt. Nach der Aussage zweier Polizeibeamten stellte jedoch die damalige “Plünderung” eines nahe gelegenen Supermarktes – angeblich durch Fußballfans der auswärts spielenden BSG Chemie – den Grund für einen organisierten Einsatz unmittelbar im Anschluss an den Abpfiff dar. Als Konsequenz auf den Vorfall im Supermarkt sollten mehrere Identitätsfeststellungen von Verdächtigen durchgeführt werden.
Entsprechend positionierten sich gegen Ende des Spiels immer mehr Polizeitrupps um das Spielfeld. Dies gestaltete sich rasch schwieriger als gedacht, da die Fans mit Ende des Spiels auf das Spielfeld liefen, um ihre Mannschaft zu feiern.
Der Geschädigte Fabian W. war ein Beamter einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) an diesem Tag. In einem Wäldchen wartete seine Einheit drauf eine bestimmte Gruppe für eine spätere Identitätsfeststellung zu stoppen. Dies sei zunächst durch direkte Ansprache der Personen geschehen. Weil die angesprochenen Personen den Anweisungen nicht folgten, haben man versucht sie festzuhalten. In diesem Rahmen sei es zu der beleidigenden Handlung gekommen. Der Beschuldigte Marc N. hätte ihn nach einem Wortgefecht aus etwa einem Meter Entfernung an den Kopf gespuckt, schilderte W. in seiner Aussage.
Anschließend habe sich der Angeklagte nach hinten zurückgezogen und der Beamte ihn an dem Tag nicht mehr gesehen. Die Verfolgung konnte er damals nach seiner Darstellung nicht aufnehmen, weil er erst hätte über ein Hindernis springen müssen, um dann allerdings direkt in der in seiner Wahrnehmung bereits aggressiven Personengruppe zu landen.
Der Angeklagte selbst schwieg zu den Vorwürfen.
Eine andere Sicht eröffnete allerdings der Zeuge Matthias K. auf die Situation am Tag. Er war damals als Fan mit dabei. Er habe von der Tat nichts mitbekommen. Nach seiner Aussage seien in der zweiten Halbzeit mehr und mehr Beamte im Stadion zu sehen gewesen. Diese hatten teilweise Helme auf. Für ihn war das Aufgebot nicht nachvollziehbar, auch der forsche Einsatz (L-IZ berichtete) danach nicht. Polizeibeamte hätten Fans niedergerissen und Pfefferspray eingesetzt. Er selbst versuchte aus der chaotischen Situation zu entkommen. Die von mehreren Seiten kommenden Beamten erschwerten es aber – Matthias K. schildert eine Umzinglungssituation.
Der szenekundige Polizist Michael N. war ebenfalls vor Ort gewesen und schilderte das völlige Gegenteil. Er sei, trotz dass er dienstfrei gehabt hätte, von der Polizeiführung zum Einsatz gerufen worden. Auf dem Spielfeld selbst hätten auch ihn Fußballfans bespuckt und attackiert. Zum eigentlichen Sachverhalt der Beleidigung konnte er jedoch ebenfalls selbst nichts aussagen, da er der Sachbearbeiter in diesem Fall sei.
Im Laufe des Verfahrens identifizierte der Geschädigte Polizeibeamte W. den Beschuldigten Marc N. als seinen Angreifer.
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N.s Verteidiger Christian Friedrich fragte daraufhin eifrig nach. Zunächst thematisierte er die Übergriffe auf Fußballfans durch die Polizei am dem Tag. Er schrieb unter anderem der Einheit des geschädigten Beamten einige davon zu und fragte, ob ihm die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in dieser Sache bekannt seien. W. zeigte sich ahnungslos. Auf die Frage hin, wie letztendlich die Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen seien, dass N. der Täter ist, konnte der Beamte ebenfalls nichts sagen. Am 28. September selbst hatte er ihn nicht wieder angetroffen. Erst auf einem Polizeivideo hätte er den Angeklagten dann anhand von verschiedenen Merkmalen identifizieren können.
An den Zeitpunkt der Identifizierung konnte der Beamte sich ebenfalls nicht erinnern.
Woher letztendlich das Material und der Name des nun Angeklagten kamen, blieb zumindest für Außenstehende und die Verteidigung am ersten Verhandlungstag offen.
Für die Staatsanwaltschaft scheint der Fall dennoch bislang sonnenklar. So klar, dass sie nicht einmal auf das laut den Akten existierendes, belastendes Videomaterial der Polizei zurückgriff. Der Verteidiger hingegen habe sich das Video wieder und wieder angeschaut und habe laut seinen Ausführungen nichts erkennen können, was ein schuldhaftes Verhalten seines Mandanten belege.
Mit einem “Mmmhhh, Herr Verteidiger” sprach Richterin Heike Gunter-Gröne Verteidiger Friedrich dann in ihrer Zwischenbilanz an, die sich weitgehend an der Haltung der Staatsanwaltschaft orientierte. Um jedoch, wie sie weiter ausführte, das Urteil auch für höhere Instanzen “wasserdicht” zu machen, setzte sie für den 7. April 2014 einen weiteren Verhandlungstermin an. In diesem soll unter anderem ein weiterer Polizeibeamter gehört und dann auch das Videomaterial der Polizei gesichtet werden.
Bis dahin bleiben wohl alle Aussagen rings um den Polizeieinsatz am 28. September 2013 Teil einer nicht normalen Fußballgeschichte.
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