Die Reaktion war zu erwarten. Am Montag, 3. Juni, hat das Landgericht Leipzig die Feststellungsklage der Kommunale Wasserwerke Leipzig (KWL) gegen die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) abgewiesen und die KWL zur Zahlung verurteilt. Die Höhe des Betrages steht noch nicht fest. Die KWL hatte Klage am Landgericht Leipzig eingereicht, mit dem Ziel, die CDO-Folge-Verträge mit der LBBW als unwirksam erklären zu lassen.

CDO steht für Collateralized Debt Obligation und meint Finanzwetten, die mit Krediten hinterlegt sind. Diese Geschäfte waren im Zuge der Finanzkrise schief gegangen, der damalige KWL-Chef Klaus Heininger steht wegen Korruptionsverdachts vor Gericht und im Grunde stritt die KWL, weil sie jene Kredite nun nicht zurückzahlen will.

“Das Urteil des Landgerichts Leipzig ist für die KWL nicht nachvollziehbar”, teilt das Unternehmen mit. “Die KWL wird die Urteilsbegründung intensiv mit ihren Rechtsvertretern, den Gesellschaftern sowie der Stadt Leipzig auswerten und Berufung einlegen. Die Stadt Leipzig sowie die Gesellschafter der KWL, dieLeipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) und der Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig-Land (ZV WALL), unterstützen diesen Schritt.”

Wie das Landgericht betonte, wird das Verfahren der KWL gegen die UBS und die Depfa Bank hinsichtlich weiterer solcher CDO-Transaktionen am High Court of Justice, dem Zivilgericht des britischen Obersten Gerichtshofes , in London von der Entscheidung des Landgerichts Leipzig nicht beeinflusst. Die KWL ist nach wie vor davon überzeugt, die behaupteten Ansprüche auf juristischem Wege abwehren zu können.

Aber wie das Landgericht sein Urteil erklärte , ist auf jeden Fall verwirrend. Denn es begründete die Schadensersatzansprüche der LBBW damit, dass der verantwortliche Geschäftsführer der Wasserwerke, Klaus Heiniger, seinerzeit keineswegs die Zustimmung der Aufsichtsratsgremien einholen musste, um die neuen Verträge abzuschließen. In der Medieninformation heißt es dazu: “Es kommt dann auch nicht darauf an, ob deren frühere Geschäftsführer Heininger und Schirmer unternehmensintern gehalten waren, die Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter einzuholen, oder ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang die Aufsichtsorgane über die Transaktionen informiert wurden. Die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme hat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ergeben, der Beklagten wäre positiv bekannt gewesen oder hätte sich wenigstens aufdrängen müssen, dass derartige Genehmigungen fehlen.”
Was zur nächsten Seltsamkeit an diesem Urteil führt. Denn den Gerichtsweg beschritten die Leipziger Wasserwerke auch, weil sie davon ausgingen, dass Banken, die derartige Geldgeschäfte mit Kommunalunternehmen eingehen, über die eingeschränkten Rechte kommunaler Unternehmen zu solchen Deals informiert sind und deshalb auch entsprechende Informationen einholen.

Aber eine solche Rückfrage scheint man nicht einmal für nötig erachtet zu haben. Einzig die Auskünfte des ehemaligen KWL-Geschäftsführers scheinen Grundlage der Zustimmung durch die LBBW gewesen zu sein. So sagte der britische Banker Mark Northway Anfang Februar aus, er habe mit Heininger dazu telefoniert und ihn beim Wort genommen. “Ich hatte mich gefragt, ob die KWL als städtisches Unternehmen das Geschäft machen durfte […] eine solche Transaktion ist kein normales Geschäft für ein kommunales Unternehmen.” Northway sagte er habe nich gewusst, dass zu dieser Zeit in Deutschland bereits Prozesse wegen Spekulationsgeschäften von kommunalen Unternehmen liefen. Klaus Heininger schickte ihm ein Dokument, in welchem er versicherte, die Genehmigung des Aufsichtsrats zu haben. Northway sprach auch mit einem Kollegen von der Schweizer Bank UBS darüber – Paul Czekalowski. Dieser riet ihm zu. “Und ich habe seine Angaben nicht geprüft, dazu sah ich keinen Grund.”

In der PM des Landgerichts heißt es: “Nach Mitteilung von Heininger, der Aufsichtsrat der KWL habe zugestimmt, und rechtsgutachterlicher Prüfung, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften den Zugang zu derivativen Finanzinstrumenten öffentlichen Unternehmen verschließen, kam die Transaktion durch von den Geschäftsführern Heininger und Schirmer unter dem 8. September 2006 unterzeichneten ‘Confirmation Letter’ zu Stande. Nur diese Transaktion ist Gegenstand des hier entschiedenen Rechtsstreits.”

Keine Rücksprache mit der Stadt Leipzig? Keine mit der LVV? Keine Anfrage an den Aufsichtsrat?

Im Gegenteil: Die LBBW scheint die Leipziger Wasserwerke wie ein einfaches privatwirtschaftliches Unternehmen behandelt zu haben. So zumindest klingt auch diese Aussage in der Mitteilung des Landgerichts: “Die in privatrechtlicher Form betriebenen Wasserwerke unterliegen in ihrer Geschäftstätigkeit gegenüber Dritten keinen weitergehenden Einschränkungen als sonstige Unternehmen. Auch kommunalaufsichtsrechtliche Regelungen standen der Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht entgegen.”

Das zumindest wird in den nächsten Tagen der Punkt sein, an dem einige Instanzen die Gesetze wälzen werden. Denn genau diese privatwirtschaftlichen Freiräume sind deutschen Kommunen und ihren Unternehmen eigentlich versagt. Was nicht nur die beiden involvierten Geschäftsführer der KWL gewusst haben müssen, sondern auch die Landesbank Baden Württemberg, die mit genau solchen kommunalwirtschaftlichen Fällen regelmäßig zu tun haben dürfte.

Aber genau mit diesem Konflikt tat sich schon das Gericht in der Erstverhandlung gegen Klaus Heininger und seine Mitstreiter schwer. Ein Grund dafür, warum die Staatsanwaltschaft in Berufung ging und der Prozess gegen Heininger wegen Untreue jetzt in Dresden neu verhandelt wird. Denn genau darum geht es: War es Untreue, ein kommunales Unternehmen, dessen Aufgabe schlicht die Wasserversorgung ist, mit einem 292-Millionen-Euro-Risiko zum Versicherer zu machen und die Aufsichtsgremien darüber nicht zu informieren – oder nicht?

Das Landgericht verweist den Fall der Bestechung jedenfalls auf die persönliche Ebene der Beteiligten: “Die Bestechungsabrede wurde zwischen Heininger und der VPG getroffen und zwar noch im Rahmen der ersten mit der UBS abgeschlossenen Transaktion. Dies hätte aber nur dann Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Transaktion zwischen KWL und der Landesbank, wenn Heininger als damaliger Geschäftsführer der KWL mit der Beklagten zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt hätte.”

Value Partner Group (VPG) – das waren die beiden Geschäftsleute, die die ganzen millionenschweren Deals einfädelt haben.

Die Beklagte ist in diesem Fall die LBBW. Statt aber die Prüfpflicht der Landesbank anzusprechen, geht Richter Sixtus Ecker davon aus, die Bank hätte etwas von der Bestechungsabrede, bei der Heininger immerhin 3,7 Millionen Euro zufließen sollten, gewusst haben müssen, um in die Pflicht genommen zu werden.

Aber: “Die Mitarbeiter der Landesbank wussten aber im maßgeblichen Zeitpunkt von der Bestechungsabrede nichts. Aber selbst vermutete Kenntnisse der Mitarbeiter der UBS, des sogenannten Deal-Teams, wären schon der UBS nicht zuzurechnen gewesen, da das Deal-Team Kenntnisse der UBS dann vorsätzlich vorenthalten. Der beklagten Landesbank lässt sich nicht schon deshalb die Redlichkeit ihres Handels bei den hier in Streit stehenden Transaktionen absprechen, weil diese per se mit der Rechts- und Sittenordnung nicht im Einklang stünden. Es lag für die Landesbank auch gar nicht auf der Hand, dass Heininger seine Vertretungsmacht missbraucht hätte.”

Was ja im Allgemeinverständnis bedeuten würde: Banken wie die LBBW können sich auf die Aussagen von cleveren Managern verlassen, egal, was sie sagen. Sie sind jeder Nachprüfung entbunden.

Was zumindest seltsam ist. Bei jedem normalen Bankkunden wird die Bonität bis ins Letzte geprüft. Und auch die Berechtigung, ob der Vertreter vor ihnen tatsächlich zum Abschluss eines Geldgeschäftes in diesem Rahmen berechtigt ist.

Aber das Gericht sieht hier keine Verantwortung. Im Gegenteil: “Die Landesbank hatte auch keine Pflicht, sich Genehmigungen vorlegen zu lassen. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht durch Heininger wäre nur bei massiven Verdachtsmomenten evident. Diese ergaben sich nicht bereits daraus, dass die Klägerin ihrem Gesellschaftszweck nach die Aufgaben der Wasser- und Abwasserversorgung hatte. Bereits durch den Abschluss von Cross-Border-Leasing-Verträgen im Jahr 2000 hatte sie insoweit ihr Geschäftsfeld erkennbar erweitert. Zero-Bonds und CDO/CDS sind Folgegeschäfte.”

Dass heißt ja wohl: Weil das Unternehmen Wasserwerke sowieso schon mit recht spekulativen Geschäften unterwegs war, stellte das kein Hindernis für weitere spekulative Geschäfte dar. Und noch deutlicher: “Eine Sittenwidrigkeit im Sinne eines wucherähnlichen Geschäftes scheidet bereits wegen mangelnder verwerflicher Gesinnung der Landesbank aus.”

Aber darum ging es ja wohl auch nicht – sondern um die Rechtmäßigkeit von Geschäften, die die LBBW mit der KWL-Geschäftsführung eingegangen ist. Und augenscheinlich hat man im Prozess nicht beweisen können, dass andere Instanzen über diese Geschäfte tatsächlich informiert worden waren. Was ja auch bedeuten würde: Die Aufsichtsgremien wussten auch über dieses Geschäft nichts, aber aus Sicht der vertragschließenden Bank scheint das egal.

Hat sich die LBBW tatsächlich einfach darauf verlassen, dass die UBS ihrerseits alle nötigen Prüfungen vorgenommen hatte?

Genau so scheint es das Gericht zu sehen: “Die Beklagte war insoweit nur ein weiteres, wegen fehlender Kreditlinie zusätzliches Glied in der Kette der zuvor bereits abgestimmten Finanzplanungen. Die Klägerin hat insoweit mangelnden Beratungsbedarf signalisiert, zudem mit dem Risk Disclosure Letter die Beklagte gerade von Beratungspflichten freigesprochen. Zudem fehlt es an der schlüssigen Darlegung von Beratungsfehlern, die für den Geschäftsabschluss ursächlich geworden wären.”

Ein Risk Disclosure Letter – Da staunt der normale Bankkunde nur. Wer hat dann also das Risiko zugeschoben bekommen wie einen Schwarzen Peter?

Zumindest macht man im Hause LBBW schon einmal gehörig Druck und hat eine Schadensersatzforderung von 75,4 Millionen Euro aufgemacht. Ob solche eine Forderung berechtigt ist, will das Gericht noch durch einen Gutachter prüfen lassen. Mit der Erstellung des Gutachtens solle Jörg Laitenberger, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Spezialgebiet Finanzierung von Banken, von der Universität Halle-Wittenberg beauftragt werden, teilt das Gericht noch mit.

Aber die Wortmeldung der Wasserwerke deutet schon mal darauf hin, dass sich auch mit diesem Vorgang bald höhere Instanzen beschäftigen.

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