Carsten G. ist sauer. Der Betreuer machte am 20. August 2011 nach dem Altherrenkick des Roten Sterns bei Lipsia Eutritzsch eine sonderbare Entdeckung. "Ein Spieler von Lipsia zog sich draußen sein Trikot aus und setzte sich zu Bekannten am Spielfeldrand", berichtete der Endvierziger. "Auf seinem Oberarm prangte ein tätowiertes Hakenkreuz." Weil er ein Foto des Spielers auf die Mannschaftshomepage stellte, erließ das Amtsgericht Leipzig Anfang April einen Strafbefehl.

Mike L. wurde Ende März wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.440 Euro verurteilt. Hiergegen legte der Tattoo-Träger noch im Gerichtssaal Berufung ein. Dem Verfahren haftete bereits zu diesem Zeitpunkt ein fader Beigeschmack an. Die Leipziger Staatsanwaltschaft hatte das bereits eingestellte Verfahren erst auf Druck lokaler und überregionaler Medien wieder aufgenommen und Anklage erhoben.

Während der Prozess also eher gemächlich in Gang kam, waren die Strafverfolgungsbehörden an anderer Stelle weitaus eifriger. Carsten G. hat einen Straftäter fotografiert. Ohne die Veröffentlichung des Fotos hätte Mike L. nicht vor Gericht gestellt werden können. Die Staatsanwaltschaft vertrat allerdings anfangs die Auffassung, dass das Tattoo nicht wirklich in der Öffentlichkeit gezeigt wurde und erst durch die Veröffentlichung durch Carsten G. öffentlich bekannt geworden ist.

Für Rechtsanwalt und Verteidiger G.s, Jürgen Kasek schon im Ansinnen fragwürdig. “Ursprünglich ist meinem Mandanten die Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung von 250 Euro angeboten worden. Erst nach den Presseberichten kam das Verfahren gegen den Träger des Hakenkreuzes in Gang. Nach dessen Verurteilung wurde der Vorwurf des Verbreitens verfassungswidriger Symbole gegen meinen Mandanten nach § 154 StPO eingestellt. Diese Einstellung erfolgte im Hinblick auf eine weitere Verurteilung hinsichtlich des Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetzes, obwohl der Tatvorwurf wegen Verstoßes gegen §86a StGB deutlich schwerer wiegt.”

Und so leitete die Behörde auf Antrag L.’s ein Verfahren wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild gegen G. ein. Und beantragte einen Strafbefehl, den Amtsrichter Mathias Winderlich bereitwillig ausfertigte – offenbar ohne nähere Prüfung des Falls. So findet sich etwa das erstinstanzliche Urteil gegen Mike L. nicht unter den angeführten Beweismitteln, die der Entscheidungsfindung gedient haben sollen.

Carsten G. wird demnach verwarnt und zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Obendrein soll der Funktionär des Roten Sterns 250 Euro an das Kinderhospiz Bärenherz überweisen. Über seinen Anwalt hat er bereits Widerspruch eingelegt. Gegenüber L-IZ begründet Kasek diese Entscheidung, sich gegen das Urteil zu wehren so: “Der jetzt vorliegende Strafbefehl hat mit einer ordnungsgemäßen, nachvollziehbaren Entscheidung nichts mehr zu tun. Das Gericht hat es bislang nicht einmal für nötig gehalten zu prüfen ob bei einem öffentlichen Fußballspiel dessen Veranstalter der Leipziger Fußballverband ist, dass Recht am eigenen Bild wirklich dem Spieler zusteht.”

Ebenso sei nicht einbezogen worden, ob der Tatbestand von § 23 KUG zutrifft. Dieser Paragraph müsste hier jedoch zutreffen, da es sich um eine sogenannte relative Person der Zeitgeschichte handelt, die Kaseks Mandant abgelichtet hätte.

“Deutlich wird dies durch die deutschlandweite Presseberichterstattung. Der vorliegende Strafbefehl wirkt nach alledem bei einer außerhalb jeden Verhältnisses stehenden angedrohten Strafe wie ein Revanchefoul”, so Kasek.

Sollte die Staatsanwaltschaft nicht klein bei geben, wird der Fall demnächst vor dem Amtsgericht, also erstinstanzlich ernsthaft verhandelt werden. Denn bislang hat es dazu nur Schriftverkehr und keine direkten Gerichtstermine gegeben. Der Fall wurde bislang ganz offensichtlich oberflächlich und ohne Anhörung des Beschuldigten G. entschieden.

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