Moritz Thielicke ist irritiert. Der Jura-Student aus Limbach-Oberfrohna (Landkreis Zwickau), der dort ohne Parteibuch im Stadtrat sitzt, erhielt am Dienstag einen unverhofften Anruf. Ein Mitarbeiter des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) wollte sich mit dem 23-Jährigen über Neonazi-Aktivitäten in der kleinen Stadt im Erzgebirgsvorland unterhalten.

“Es ging um Schmierereien, unter anderem am Vereinssitz der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna, für die ich mich engagiere”, berichtet der Kommunalpolitiker. Das Hausprojekt in der Dorotheenstraße geriet in der Vergangenheit vielfach ins Visier der Rechten, die in der Gemeinde besonders aggressiv auftreten. Rechtsmotivierte Gewalt zieht sich wie ein Roter Faden durch die jüngste Geschichte der Großen Kreisstadt.

Die Opfer wurden von der Stadtgesellschaft häufig als das eigentliche Übel identifiziert. Ein CDU-nahes Aktionsbündnis gegen Extremismus gestattete zeitweilig sogar dem lokalen NPD-Stadtrat die Teilnahme. Gegenüber der Polizei haben die Betroffenen eine starke Skepsis entwickelt. Nach einer Razzia in einem alternativen Wohnhaus, dem “Schwarzen Peter”, teilte die Polizei mit, Sprengstoff gefunden zu haben. Diverse Medien übernahmen die Meldung. Die angeblich brandgefährliche Substanz entpuppte sich später als eher schlecht brennbare Erde.
Thielicke selbst durfte ein Ordnungsgeld wegen Ruhestörung zahlen. Nicht weil er mit Kumpels zu laut feierte, sondern nach einem Naziangriff ein eingeschlagenes Fenster vernagelte. Dies darf man im Erzgebirge nämlich nur von 7 bis 22 Uhr tun. Pech für potentielle Opfer: Die braunen Kameraden kommen üblicherweise nachts.

Das Operative Abwehrzentrum der Polizei ermittelt in Limbach-Oberfrohna wegen rechter Graffiti. Doch was tut man, wenn einem keine Informationen zu möglichen Tätern vorliegen? Die Beamten versuchten, mit denen zu sprechen, die vor Ort von rechter Gewalt betroffen sind. “Wir wollten von Herrn Thielicke wissen, wie er die politische Situation einstufe”, erzählt ein Fahnder.

Die Beamte drängten den Stadtrat, so berichtete er L-IZ.de, zu einem informellen Gespräch. Sprich Smalltalk beim Kaffee, ohne offizielles Protokoll und Pflicht zur Wahrheit. Thielicke blockte ab. “Ich hatte den Eindruck, beim OAZ handele es sich um einen Spitzeldienst”, erzählt er. Sachdienliche Hinweise sei er gern bereit zu geben. “Aber einem dubiosem Spitzeldienst, werde ich keinen Vorlauf bieten, seiner fragwürdigen Rolle nachzukommen.”

Das Vorgehen der Fahnder verwundert, zumindest auf dem ersten Blick. Die Spezialeinheit, welche rechten wie linken Extremismus bekämpfen soll, hat kein so gutes Verhältnis zur “Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung”. Diese wird von konservativen wie rechtsradikalen Kreisen nur zu gerne als linksextrem abgestempelt. In Sachsen ein bewährtes Mittel, um kritische Stimmen mundtot zu machen.

Wollten die Ermittler womöglich auch Erkenntnisse über den Demokratieförderverein und seine Akteure gewinnen? “Es gibt keinen Grund für diese Skepsis”, erzählt der Kriminalhauptkomissar, dessen Name der Redaktion bekannt ist. “Wir wollen Straftaten aufklären.” Bei Thielicke bleiben Zweifel. Auch, weil sich die Beamten in der Nachbarschaft der “Doro 40” nach deren Bewohnern erkundigt haben sollen. Mittlerweile hat das OAZ dem Studenten eine Zeugenvorladung geschickt. “Ob ich dieser Folge leisten werde, werde ich mir in aller Ruhe überlegen”, so Thielicke.

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