Es ist manchmal ein Kreuz mit dem Kreuz. Erst vor einigen Tagen eine Schneeballschlacht, welche medial (nach)begleitet werden konnte. Nun in der vergangenen Nacht "erneut schwere Krawalle am Connewitzer Kreuz", so die Polizei Leipzig. In Polizeikreisen befürchtet man langsam aber sicher, die winterliche Ruhe der vergangenen zwei Jahre könnte in diesem Jahr enden und sich in Connewitz erneut zum Jahresende hin etwas "aufschaukeln". Ein Vorgang, den man mit Sorge sieht. Noch möchte man auch zum Jahreswechsel 2012/13 eigentlich keine massive Polizeipräsenz am Kreuz zeigen.
Wer ohne Schuld, der werfe den ersten Stein. Wo dies steht, das scheinen einige Menschen so zu interpretieren, dass sie selbst schuldlos sind und dass der “Apparat” an allem Schuld trägt. Also scheint für sie das “Entglasen” von Sparkassenfenstern und Wartehäuschen am Connewitzer Kreuz ein folgerichtiger, klar begründbarer Vorgang zu sein. Manche nennen so etwas eine “Spontiaktion”, andere jugendlichen Schwachsinn – es werden sich natürlich auch wieder Leute finden, die nun “das Linke” (was immer dies sei) als Gefahr für Haus und Hof begreifen.
Der Polizei bleibt derzeit nur das Reportieren, dem nicht anwesenden Journalisten das Aufschreiben und Publizieren. Und ein paar Fragen. Im Polizeijargon ist folgendes geschehen: “Gegen 01 Uhr formierten sich in der Wolfgang-Heize-Str. ca. 75 – 100 schwarz gekleidete, teilweise vermummte Personen, welche lautstark unter Verwendung von Feuerwerkskörpern in Richtung Connewitzer Kreuz bis zur Richard-Lehmann-Straße und zurück zogen.”
Dass die Polizei diesmal dem Wort “schwarzer Mob” aus dem Weg geht, muss man ihr gutschreiben. Weiter im manchmal holprigen Informationsdeutsch: “Während ihres “Marsches” zerstörten die Randalierer mehrere Glasscheiben der Sparkasse Scheffelstraße, entglasten den Wartebereich der Straßenbahnhaltestelle, warfen Baustellenabsperrungen und Verkehrsschilder auf die Karl-Liebknecht-Straße und errichteten aus Müllcontainern mehrere Barrikaden. Scheiben des Nettomarktes, der Wiedebachpassage wie die des Bürgeramtes in der Biedermannstraße gingen ebenfalls zu Bruch.”
Halten wir mal fest: rund 100 Menschen ziehen los, um ihr “eigenes Viertel” einzuäschern. Ja das Wort scheint überzogen, was sind schon ein paar Scheiben? Doch als die Polizeibeamten eintrafen, sollen sie nun auch mit Steinen attackiert, jedoch kein Beamter verletzt worden sein. Ob dem so war? Wer weiß? Im Wissen um die Reihe von Sachbeschädigungen der letzten Nacht wird wohl kaum einer der 100 ein Bekennerschreiben aufsetzen und sich öffentlich mit einer Botschaft über Sinn und Unsinn der Nachtaktion zu Wort melden. Also bleibt die Informationshoheit bei der Polizei.
Und die hat erste Erkenntnisse über den Grund der Aktion, da sie offenbar ein Flugblatt gefunden hat, welches gestern in Connewitz die Runde machte: “Nach derzeitigem polizeilichen Erkenntnisstand stand die Aktion im Zusammenhang mit der Verurteilung eines Polizisten in Sachsen-Anhalt, der verantwortlich für den Tod des im Jahr 2005 im Polizeigewahrsam verstorbenen Oury Jalloh sein soll.” Auf dem Zettel mit dem Aufruf, welcher der L-IZ vorliegt, kann man die Bestätigung dieser ersten Erkenntnisse nachlesen. “Gestern ist das Bullenschwein, was Oury Jalloh auf dem Gewissen hat, nach einem skandalösen Prozessverlauf zu einer lächerlichen Geldstrafe verurteilt worden.” Im Folgenden wird als Treffpunkt zur spontanen Demonstration der Leopoldpark um 0:45 Uhr angegeben und die Bitte geäußert, den Zettel zu vernichten.Also haben die “Spontis” die Polizei mit dem Geräusch splitternden Glases schlicht ans Kreuz rufen wollen, um dagegen mit Steinen zu protestieren, was sie und sicher viele andere als mageres Urteil gegen einen Polizeibeamten empfanden. Vor wenigen Tagen war dieser mit rund 10.000 Euro Strafe verurteilt worden, kann aber weiterhin den Polizeidienst versehen. Eine direkte Schuld konnte ihm am Tod Oury Jallohs, welcher unter dubiosen Umständen in der Haft zu Tode kam, nicht nachgewiesen werden. Leider möchte man fast sagen – denn Unklarheiten bleiben damit, da eine “Selbsttötung” des Inhaftierten nahezu sicher ausgeschlossen werden kann.
Übrig bleibt von dieser Nacht am Kreuz in Leipzig ein Sachschaden von mehreren 10.000 Euro und die nun folgende Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei wegen schwerem Landfriedensbruch. Und die Frage, was dies alles mit Oury Jalloh zu tun hat. In den kommenden Tagen wird also wieder nach Ordnung und Ruhe gerufen werden, nach harten Maßnahmen sicher auch, in der Dimitroffstraße wird die Einsatzplanung für Silvester besprochen und ein Leipziger Journalist legt einen neuen Dateiordner mit dem Namen “Connewitzer Kreuz 2012_13” an.
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