Für Diplomforstingenieur Ralf Herrmann war es eine herbe Überraschung, als er wie immer bei seinen Rundgängen durch den Wildpark wieder vor dem Gehege der Kolkraben haltmachte, um den Kindern diese schönen und klugen Tiere näher vorzustellen. Aber er konnte den Kindern keinen Kolkraben zeigen. Der Käfig war - wieder einmal - aufgebrochen worden.
“Die Enttäuschung der Kinder war groß, denn weit und breit kein Kolkrabe. Wie wir feststellen mussten, hat ein sogenannter Tierfreund den Draht aufgeschnitten und die Tiere sind aus dem Gehege geflogen”, erzählt Ralf Herrmann, der beim Verein der Freunde und Förderer des Wildparks Leipzig e.V. als Mitarbeiter für das Veranstaltungsmanagement zuständig ist. Dazu gehören auch die Rundgänge für Kinder und Erwachsene durch den Wildpark.
Seit vielen Jahren wurden im Leipziger Wildpark Kolkraben gehalten. Diese intelligenten Rabenvögel, die in Freiheit 20 Jahre und in Gefangenschaft sogar über 60 Jahre alt werden können, waren ein Anziehungspunkt für viele Wildparkbesucher. Nachdem die Kolkraben Anfang des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa fast ausgerottet waren, hört man in freier Wildbahn nun wieder ihre charakteristischen Rufe. Mit etwas Glück kann man sie auch von Weitem beobachten.
Kolkraben leben in Paaren, die ihr Revier gegen andere Paare oder Trupps von Nichtbrütern verteidigen. Die unverpaarten oder Nichtrevierbesitzer schließen sich zu lockeren Trupps zusammen, die gemeinsam Nahrungsressourcen erschließen, und zeigen ein sehr komplexes Sozialverhalten.
Schon Anfang August wurde das Gehege der Raben von “Tierbefreiern” aufgebrochen. Ein Tier verließ das Gehege. Um das verbliebene nicht allein zu halten, wurde aus einem anderen Wildpark ein Kolkrabe aus einer Nachzucht angeschafft. In der letzten Woche wurden die beiden Tiere zusammengeführt. Doch am Mittwoch, 21. November, war das Gehege dann aufgeschnitten und beide Tiere waren weg.
“Die Kolkraben des Leipziger Wildparks sind keine Wildfänge, sondern stammen aus Nachzuchten anderer Wildparks”, erklärt Herrmann. “Sie sind in der Obhut des Menschen aufgewachsen und kennen es nicht anders. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ihnen gelingt, in der Freiheit zu überleben, ist relativ gering.”
Bei einer ähnlichen Tierbefreiungsaktion im Juli im Vogelpark Wattenscheid wurde der entflogene Kolkrabe nach drei Tagen völlig erschöpft und nahezu flugunfähig entdeckt, er konnte wieder eingefangen werden.
“Man kann und sollte durchaus darüber diskutieren, ob so intelligente Tiere in Gefangenschaft gehalten werden sollten, um Menschen die Beobachtung aus der Nähe zu ermöglichen. Es ist jedoch verantwortungslos, durch eine solche Befreiungsaktion den möglichen Tod der ‘befreiten’ Tiere billigend in Kauf zu nehmen”, kritisiert Herrmann die Befreiungsaktion. “Ob mit dieser Aktion dem Wohl der Tiere gedient wurde, ist mehr als zweifelhaft – den an ihrer Natur und Umwelt interessierten Leipzigern ganz bestimmt nicht!
Wir als Förderverein des Wildparks Leipzig verurteilen generell die Befreiung von Tieren aus Gehegehaltung, die nur dem einen dienen – der Eitelkeit der sogenannten Tierbefreier. Es ist weder gut für die Tiere ,die zu 90 Prozent in der freien Natur versterben, noch ist es für unsere Natur gut, wenn dort Tiere auftauchen, die das Leben in der Wildnis nicht gelernt haben und dort erheblichen Schaden anrichten können.”
Und so bittet er um Hilfe bei der Suche nach den beiden “befreiten” Vögeln.
Sollte hier in der Gegend ein verhaltensauffälliger, beringter Kolkrabe (geschwächt, geringe Fluchtdistanz) beobachtet werden, wird gebeten, das Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten (0341) 309410), oder den Wildparkverein (0341) 26496004 zu informieren.
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