Das Urteil im Prozess um den getöteten Oschatzer Obdachlosen fällt voraussichtlich erst 2013. Nachdem das Leipziger Landgericht entschied, zwei potentielle Entlastungszeugen nicht vorzuladen, stellte ein Verteidiger einen Befangenheitsantrag. Über diesen muss jetzt eine andere Kammer entscheiden.
Vor Verhandlungsbeginn hatte alles darauf hingedeutet, dass der Mammutprozess gegen sechs Männer, zur Tatzeit 16 – 36 Jahre alt, heute abgeschlossen werden könnte. Über 20 Sitzungstage hatten die Beteiligten bis dato für die Beweisaufnahme benötigt. Fünf Angeklagte sollen ihr schlafendes Opfer in einem Bahnhofswartehäuschen am 25. Mai 2011 brutal malträtiert haben. Der Oschatzer Andre K. erlag am 1. Juni seinen Verletzungen. Ein Sechster muss sich wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als Totschlag. Die beiden Nebenklägerinnen beabsichtigen, auf Mord aus niedrigen Beweggründen zu plädieren. Zwei Angreifer sollen rechte Symbolik auf der Haut tragen. Dennoch wollte die 3. Strafkammer um ihren Vorsitzenden Norbert Göbel bisher kein sozialdarwinistisches Motiv erkennen. Allerdings erteilten die Richter den rechtlichen Hinweis, dass zwei Männer auch wegen Mordes verurteilt werden könnten. Ein kleiner Fingerzeig?
“Wir fordern eine solidarische Gesellschaft”: 50 Menschen demonstrierten am Sonntag gegen Sozialdarwinismus
50 Menschen haben am Sonntag-Nachmittag …
Getöteter Obdachloser in Oschatz: Der Griff nach dem letzten Strohhalm
Nicht nur Beobachter hatten am Dienstag …
Getöteter Obdachloser in Oschatz: Erste Geständnisse im Gerichtsprozess
Am Freitag, 24. Februar, ist der Prozess …
Obdachlosen zu Tode geprügelt: Anklage gegen sechs Männer erhoben
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat nach …
Bis zum Urteil werden noch Wochen ins Land gehen. Denn Verteidiger Ulf Ihle, der den mutmaßlichen Rädelsführer Ronny S. vertritt, lehnte heute die Kammer wegen Befangenheit ab. Zur Begründung führte der Jurist aus, dass unmittelbar zuvor sein Antrag auf Ladung von zwei Zeugen abgelehnt worden war. “Das Ziel, das Verfahren zeitnah zu beenden, geht für die Kammer über eine sachliche Entscheidung”, bemängelte der Anwalt.
Richter Göbel begründete die Entscheidung damit, dass die Aussagen der Zeugen für den Ausgang des Verfahrens nicht von Bedeutung seien. “Die Kammer schließt schon jetzt einen Freispruch meines Mandanten aus”, befürchtete Ihle. Oberstaatsanwältin Claudia Laube schloss sich dagegen der Argumentation des Gerichts an. “Wir haben heute nicht den gleichen Stand der Hauptverhandlung wie Anfang September, sondern seitdem mehrere andere Zeugen gehört.”
Über Ihles Antrag muss eine andere Kammer des Landgerichts entscheiden. Sollte sie Ihles Einwänden stattgeben, müsste der Fall von vorne aufgerollt werden. Andernfalls wird Anfang 2013 ein Urteil fallen – über ein Jahr nach Prozessauftakt.
Keine Kommentare bisher