Am Freitag, 24. Februar, ist der Prozess um die Tötung von André K. fortgesetzt worden. Fünf Männer im Alter von 16 bis 27 Jahren müssen sich vor dem Leipziger Landgericht wegen Totschlags verantworten. Einem 36-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft unterlassene Hilfeleistung vor. Zwei Angeklagte legten Geständnisse ab.

Am 25. Mai 2011 setzten die Täter dem Leben André K.’s ein vorzeitiges Ende. Sie überraschten ihr Opfer vermutlich im Schlaf. Der Obdachlose hatte sich in einem Wartehäuschen am Oschatzer Südbahnhof eingenistet. “Was wollt ihr von mir?”, soll er seine Peiniger noch gefragt haben, bevor er das Bewusstsein verlor. Wenigstens 30 Mal schlugen und traten die jungen Leute auf ihn ein. Der 50-Jährige erlitt großflächige Blutungen, Blutergüsse, Knochenbrüche. Sein Schädel wurde zertrümmert. Ein Todesurteil auf Raten. André K. überlebte zunächst, erlag aber am 1. Juni einer schweren Lungenentzündung. Eine Folge seiner schweren Verletzungen.

Der Angriff war geplant. Der Mann soll dem Kopf der Angreifer, Ronny S. (27), Geld geschuldet haben. Welche Summe, blieb vorerst unklar. Der Oschatzer – kahlgeschoren, mittlere Größe, bullige Statur – schwieg bislang zu den Vorwürfen. Er und sein Mitangeklagter Sebastian B. wurden in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Ihre teils minderjährigen Kumpel sind auf freien Fuß. Zur Zeit. Ihr Schicksal liegt in den Händen des Gerichts.
Um beim Strafmaß vielleicht etwas besser wegzukommen, gestanden zwei Angeklagte am Freitag die Tat. David O. schilderte mit leiser, zittriger Stimme den Verlauf des Abends. Schaute man dem schmalen Mann in die Augen, glaubte man, die Unschuld vom Lande vor sich zu haben. Er hatte sich dem Anlass entsprechend schick gemacht, trug ein weißes Oberhemd. Seine Haare waren zum Igel gestylt. “Ich hab vorher nie was Schlimmes gemacht”, stammelte er. Zweimal habe er auf den wehrlosen Mann eingetreten. “Warum?”, möchte Oberstaatsanwältin Claudia Laube wissen. “Aus Gruppenzwang”, schockierte sie O. “Man will nicht so alleine stehen als Außenseiter.”

Dabei wäre er bei der Attacke beinahe gar nicht dabei gewesen. Am Nachmittag traf sich der Schüler mit einigen Freunden im Park. Nach einem kurzen Intermezzo bei einer Bekannten von Ronny S. trafen sich die späteren Angreifer in der Wohnung Sebastian B.’s. Es floss Alkohol. Sie beschlossen, sich mit Danilo H. zu treffen. Ein Bekannter der Clique, der S. ebenfalls Geld schuldete. Der war nicht Zuhause. Sie disponierten um und suchten André K. Gegen 21.30 Uhr fanden sie ihn. “Wir haben uns sicher reingesteigert und uns im Suff einen sinnlosen Grund überlegt”, ließ B. seinen Verteidiger aus einer Erklärung vorlesen. Der 26-Jährige trat als Erster gegen den Mann.
David O. befand sich in diesem Moment fernab der Gruppe, fast schon auf dem Nachhauseweg. Hatte er geahnt, dass seine Freunde Böses im Schilde führten? Als er Schreie aus dem Bahnhof hörte, machte er kehrt. “Ich wollte wissen, was dort passiert”, begründete er seine Entscheidung. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie B. dem Obdachlosen sein Samurai-Schwert in den Bauch schlagen wollte. Glücklicherweise verfehlte der Betrunkene sein Opfer knapp, die Klinge zerbarst am Boden. Doch statt Hilfe zu holen, beteiligte sich David O. an der Gewaltorgie, in deren Verlauf Sebastian B. und Ronny S. mehrmals auf K.’s Kopf eingetreten haben sollen. Als auf dem Heimweg zwei Täter auf die Idee kamen, den Notarzt zu rufen, setzte sie ihr Anführer möglicherweise unter Druck. “Kommt gar nicht in Frage. Dann identifizieren sie uns”, soll er gesagt haben.

Ob alle Anwesenden mitgeprügelt haben, ist noch ungewiss. David O. nahm einen der jüngsten Angeklagten in Schutz. “Chris K. hat nur zugeschaut.” Laut Sebastian B.’s Geständnis beteiligte sich der 16-Jährige aber aktiv am Geschehen. Der Schüler schwieg zu den Vorwürfen.

Der “Initiativkreis Antirassismus”, der sich bereits mit der Ermordung des 19-jährigen Irakers Kamal K. beschäftigte, vermutet einen politischen Hintergrund. Ronny S. (27) war am 18. Februar 2010 bei einer JN-Kundgebung in Oschatz gesichtet worden.

Doch die politische Haltung der Angreifer allein wird nicht genügen, um den Angeklagten niedere Beweggründe zu unterstellen. Entscheidend sind in der Rechtspraxis die Gesamtumstände der Tat.

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