Im Juni wurde Oberbürgermeister Burkhard Jung zum Ehrenbotschafter für das Jubiläum von Auerbachs Keller erkoren. Denn 2025 feiert Leipzigs ältestes Gasthaus sein 500jähriges. 1525 begann Dr. Heinrich Stromer von Auerbach in seinem Keller Wein an die Studenten der Universität auszuschenken.  Zur Geschichte des Gasthauses gehören natürlich auch die Legenden um den Besuch von Dr. Faustus und Mephisto im berühmten Keller, die Goethe später in seinem Drama „Faust. Der Tragödie erster Teil“ verarbeitete.

Seit 30 Jahren schlüpft nun Hartmut Müller in Rolle und Kostüm Mephistos, um den Besuchern von Auerbachs Keller die teuflische Geschichte samt Kellergeschichte nahezubringen. Die Gelegenheit nutzten wir natürlich, um Mephisto einmal vors Mikrophon zu bitten und ihm ein paar Fragen zu seinem Treiben zu stellen.

Wie kam es dazu, dass aus dem Herrn Müller der Teufel wurde?

Das ist ganz einfach. Ich habe als Fünfjähriger begonnen, Theater zu spielen. Meine Mutter war in der Schule Deutschlehrerin und inszenierte das Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge. Und ich war der kleinste Zwerg mit fünf Jahren, ich war noch gar nicht in der Schule. Und so nahm alles seinen Lauf. Ich habe an Rezitatorenwettbewerben teilgenommen, später kam ich nach Leipzig, habe hier Museologie an der Fachschule für Museologen studiert und mich für Theater interessiert. Und dann hat es mich auch verschlagen zum Poetischen Theater Louis Fürnberg.

1996 brauchte man einen Moderator für Leipzig-Präsentationen in zehn deutschen Städten. Und es war keiner zur Verfügung. Da kam man auf Hartmut Müller, den man schon gesehen hatte. Und zwar als Herr Jürgen Schneider hier der Eigentümer war, und Herr Wende der Gaststättenleiter. Da hatte er schon ein Programm in den Historischen Weinstuben, das hieß „Ein Abend bei Goethe“. Dort mimte ich bereits den Mephisto und den Roten Tod. Und später bei einer Theaterinszenierung in Halle. So hat man mich entdeckt.

Und Herr Reinhardt (Ulrich Reinhardt, Pächter von Auerbachs Keller seit 1996, d.Red.) vom Auerbachs Keller hat gefragt, wollen Sie nicht? Dann habe ich ein Stück erdacht, zusammen damals mit Anna Loch, die Texte geschrieben hat für die Pfeffermühle. Und so begann meine Laufbahn hier nach und nach als Mephisto, als Seele des Hauses, sozusagen, bis heute. Insgesamt vier Betreiber, 30 Jahre.

Und wie viele Auftritte so im Jahr?

Im Schnitt schätzungsweise 25 im Monat. 2014 hatte ich ja einen Herzinfarkt und da haben wir mal geschätzt. Ist schon wieder zehn Jahre her. Da hatte ich insgesamt schon 3.200 Auftritte und Veranstaltungen hinter mir, bei circa 1,8 Millionen Gästen, die mich hier erlebt haben. Es war ja das BBC vor ein paar Jahren mal hier, die über so Reisen, Zugreisen, Railroad berichteten. Und die wollten unbedingt mich haben, weil sie einen Mitschnitt gesehen haben bei YouTube. Die haben gesagt: Sie werden nun 800 Millionen Menschen auf der Welt sehen.

Mephisto in Aktion. Foto: Sabine Eicker
Mephisto in Aktion. Foto: Sabine Eicker

Und wie verkraftet man den Ruhm?

Indem er einen nichts angeht. Weil ich das mit Leib und Seele mache, ich mache das für die Menschen. Und ja, Herr Reinhardt, der ehemalige Betreiber des Auerbachs Keller, sagte mal, Ruhm ist wasserlöslich, der pinkelt sich aus.

Und wie lange halten Sie noch durch?

So Gott will. Ich bin total ausgebucht, seit fünf Jahren mime ich auch den Fasskellermeister. Und ich habe ja hier Gäste aus der ganzen Welt, solange es geht, werde ich einfach zur Verfügung stehen. Für die Menschen, für die Menschen und nur für die Menschen, nicht für mich.

Es ist ja auch ein befriedigendes Gefühl, auch mit vielen Goethe-Fans zu tun zu haben und dann in der Materie aufzugehen.

Sehr, weil die Menschen lieben es, sie lieben es, so etwas live zu erleben. Und vor allem, bei mir ist ja die Literatur verbunden mit der Geschichte, mit der Historie. Und man hat etwas zu erzählen und man kann auch sehr, sehr, sehr viele Fragen beantworten. Und diese Freude, die ich spüre dabei, das ist mein Applaus. Das ist wirklich das, was mir dann auch echt zu Herzen geht.

Und geht die Goethe-Begeisterung über den Faust I hinaus?

Schon. Also vor Jahren habe ich hin und wieder mal doch mich vertieft in Goethe. Aber momentan ist der Faust gefragt. Und gerade bei Goetheanern, die herkommen, die wollen hin und wieder doch mal Originale hören aus dem Faust I. Und das lerne ich extra noch mit auswendig. Dadurch kann ich sehr viel aus dem Faust. Und ich spreche sehr oft das Gedicht Zueignung, was ja am Anfang des Faust I ist, aber leider bei fast jeder Theaterinszenierung weggelassen wird. Ja, den ersten Satz kennt man: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten.“ Und da sind die Leute immer total verzaubert, wenn ich das hier im Auerbachs Keller spreche.

Und kommt einem Mephisto dann auch ab und zu ein teuflischer Gedanke?

Oh, schon, schon. Aber Mephisto ist ja der Prüfstein für die Menschen im eigentlichen Sinne. Er ist ja gar nicht der Böse. Er ist der Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Der eigentliche Delinquent ist Faust. Das Faustische in dem Menschen. Das ist das, woran wir arg zu knabbern haben. Doch glaubet mir, der manche tausend Jahre an dieser harten Speise kaut, dass von der Wiege bis zur Bahre kein Mensch den alten Sauerteig verdaut.

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