Nach Antisemitismusvorwürfen gegenüber dem Freedom Theatre finden die für den 6. und 7. November geplanten Aufführungen der Produktion „And Here I Am“ nicht statt, teilte die euro-scene Leipzig am Dienstag, dem 15. Oktober mit. Die Debatte um die Einladung der Künstler/-innen aus Jenin im Westjordanland wurde lokal sowie in den überregionalen Medien geführt, dabei kam es mitunter zu konträren Zuspitzungen, die auch durch ein Gesprächsangebot der euro-scene nicht zu besänftigen waren.

Am 6. Oktober veröffentlichte die Gruppe „Artists Against Antisemitism“ eine Stellungnahme, in der sie die euro-scene Leipzig und ihren Festivalleister Christian Watty aufforderte, die Produktion „And Here I Am“ vom Freedom Theatre Jenin (FTJ) auszuladen. Darauf reagierten sowohl die Grünen als auch die Freie Fraktion im Leipziger Stadtrat mit jeweils einer ausführlichen Anfrage an die Verwaltung, die zur nächsten Ratsversammlung beantwortet werden soll.

Das Statement von Artists Against Antisemitism.

„Ahmed Tobasi ist künstlerischer Leiter des Freedom Theatre Jenin (FTJ). Das FTJ wiederum ist Teil der sogenannten Cultural Intifada (www.culturalintifada.com). Damit bekennt sich das FTJ nicht nur zum kulturellen Boykott Israels, sondern auch zu der seit 2021 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als ‚extremistischen Verdachtsfall‘ geführten BDS-Bewegung“, beschrieb die Freie Fraktion das Problem.

„Der Deutsche Bundestag (Drucksache 19/10191) und sowohl der Leipziger Stadtrat als auch die Stadt Leipzig (VI-A-06623-NF-02, VII-DS-09328-NF-02) stellen fest, dass die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung wenigstens in Teilen als antisemitisch zu betrachten sind. Sowohl die vom Kulturamt der Stadt Leipzig geförderte euro-scene Leipzig als auch die Stadt Leipzig selbst müssen sich nun mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dem Antisemitismus auf kultureller Ebene den Boden zu bereiten.“

Absage statt Diskussion

Die euro-scene hätte auf eine Absage des Stücks gern verzichtet und bot stattdessen begleitende Nachgespräche an. In ihrem Statement zu den Vorwürfen von Artists Against Antisemitism Leipzig betonte die Leitung der euro-scene freilich auch, sie fände es erschreckend, wie schnell das Werk verurteilt würde und dass Boykotte und Ausladungen von Künstler/-innen die Diskussion von gesellschaftlichen Debatten verhindern würden.

Das erste Statement der euro-scene.

Am Dienstag nun nahm die euro-scene das Stück aus dem Programm, betonte aber noch einmal: „Die Leitung der euro-scene Leipzig hat sich in diesem Kontext wiederholt von Antisemitismus, Dschihadismus, Terrorismus und Boykottaufrufen distanziert. Zugleich bedauert sie aber, dass die Produktion, ohne dass sie jemals in Deutschland gezeigt wurde, nur aufgrund ihrer Ankündigung solche Reaktionen hervorrufen konnte.

Vor dem Hintergrund einer stark polarisierten Debatte um den allgegenwärtigen Nahostkonflikt hatte die Festivalleitung gehofft, mit einer stark biografisch geprägten Arbeit aus dem Jahr 2017 einen Blick auf das Individuum in Zeiten des eskalierenden Konfliktes werfen zu können.“

Festivalleiter Christian Watty stellte mit Bedauern fest, „dass die Aufführung zum jetzigen Zeitpunkt – auch aufgrund des gültigen Beschlusses (‚Gegen jeden Antisemitismus!‘) der Ratsversammlung der Stadt Leipzig vom 26. Juni 2019 – in Leipzig nicht gezeigt werden kann. Durch den Beschluss sind die Kultureinrichtungen der Stadt verpflichtet, sich insbesondere von jeglichen Boykottaufrufen gegenüber Israel zu distanzieren.“

Die Leitung der euro-scene Leipzig habe sich jetzt mit der Stadt Leipzig, dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus sowie weiteren Projektpartnern beraten und abgestimmt und kam so zu dem Schluss, das Gastspiel abzusagen.

Bereits erworbene Karten für „And Here I Am“, so die euro-scene, können an der Vorverkaufsstelle zurückgegeben werden, an der die Tickets erworben wurden.

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