„Immerzu. Immerzu.“ Das Leben ist ein Karussell, das sich ständig dreht. An Woyzeck dreht es sich nur vorbei, das Leben. „Wenn wir in den Himmel kämen, müssten wir Donnern helfen“, sagt er. Hier auf Erden aber muss Woyzeck zunächst dem Doktor bei dessen medizinischen Experimenten helfen. Jeden Morgen muss er zum Hauptmann und ihm zu Hilfe sein. Er muss in die Kaserne, und zu Hause ist Marie, die er liebt und mit der er einen Sohn hat. Auch dort sollte er helfen. Mehr, als er es tut.

Aber egal, was er tut — es genügt nie. Den anderen nicht, und ihm auch nicht.

Immerzu aber gibt es auch die Stimmen in Woyzecks Kopf. Die ihm noch ganz andere Dinge einsagen, die er tun soll: Das Karussell dreht sich immer schneller und schneller. Ruhe gibt es kaum für Woyzeck. Aber wenn er zur Ruhe kommt, sind da immer noch diese Stimmen, dann flüstert sogar die Erde auf den Feldern.

Diese Stimmen erzählen ihm auch vom Tambourmajor, der es auf Marie abgesehen habe. Woyzeck versucht zu fliehen – vor Hauptmann, Doktor und diesen Stimmen. Aber sie holen ihn ein. Und Marie wird eingeholt von Woyzecks Eifersucht.

Der Fall Woyzeck

1821 erstach Johann Christian Woyzeck (1780–1824) seine Geliebte, die Witwe Woost, in der Leipziger Vorstadt. Er war bereits in Leipzig in die Lehre gegangen, und nach Jahren als Soldat, die er im Hin und Her der Napoleonischen Befreiungskriege in Armeen verschiedenster Staaten verbracht hatte, war er wieder in die Stadt zurückgekommen.

Wie viele andere in Deutschland wurde auch Georg Büchner auf den Leipziger Fall aufmerksam, der drei Jahre verhandelt und breit besprochen wurde. Denn mit diesem Kriminalfall verbanden sich wie unter einem Brennglas Fragen, die damals noch nicht allzu lange diskutiert wurden: Fragen nach Schuldfähigkeit und Wahnsinn ebenso wie soziale Fragen nach Lebensbedingungen und Lebenschancen.

Die psychiatrischen Gerichtsgutachten, die zum Fall Woyzeck entstanden, bilden eine der Quellen zu Büchners Drama, das sich andererseits eine große literarische Freiheit nimmt. Schlaglichtartig reiht Büchners „Woyzeck“ in expressiver Zuspitzung Stationen einer Eskalation auf — und nimmt gesellschaftliche Hierarchien und Abgründe in einen grellen Fokus.

Schauspielintendant Enrico Lübbe widmet sich in Leipzig dem Stoff noch einmal neu, nach der Schauspiel-Inszenierung in Chemnitz 2011 und Alban Bergs Opernversion 2017 in Erfurt. Das Bühnenbild entwirft Etienne Pluss, der u.a. die Bühne für Enrico Lübbes Inszenierungen „Die Maßnahme/Die Perser“, „Faust I + II“, „Mein Freund Harvey“ und „Winterreise/Winterreise“ gestaltete.

Ebenso wie Pluss verbindet auch Kostümbildnerin Bianca Deigner eine langjährige Zusammenarbeit mit Enrico Lübbe. Gemeinsam erarbeiteten sie in Leipzig u.a. „Das kalte Herz“, „Winterreise /Winterreise“, „Der Gott des Gemetzels“ und „Die Maßnahme/Die Perser“. Der Leipziger Musiker und Jazzpianist Philip Frischkorn verantwortet nach zuletzt „Das kalte Herz“ und „563“ für „Woyzeck“ erneut eine Schauspielmusik am Haus.

200 Jahre her

Aktuell wird der Fall auch deshalb, weil sich Woyzecks öffentliche Hinrichtung am 27. August 1824 auf dem Marktplatz in Leipzig zum 200. Mal jährt.

Passend zur Inszenierung bietet das Stadtgeschichtliche Museum im Rahmen von PAY ATTENTION! den Rundgang „Der Fall Woyzeck“ an, der den Spuren und Stationen des historischen Woyzeck in der Leipziger Innenstadt folgt. Termine und Tickets erfragen Sie bitte direkt beim Stadtgeschichtlichen Museum.

„Woyzeck“, Premiere am 27. April um 19.30 Uhr, Große Bühne im Schauspiel Leipzig

Regie: Enrico Lübbe, Bühne: Etienne Pluss, Kostüme: Bianca Deigner, Video: Robi Voigt, Dramaturgie: Torsten Buß

Mit: Christoph Müller, Bettina Schmidt, Tilo Krügel, Michael Pempelforth, Thomas Braungardt, Samuel Sandriesser, Paula Winteler, Niklas Wetzel, Bruno Akkan, Luca-Noél Bock, Aicha-Maria Bracht, Joshua Dahmen, Sasha Hayes, Fritz Manhenke, Emmeline Puntsch

Live-Musik: Philip Frischkorn (Flügel), Angela Requena Fuentes (Schlagzeug)

Weitere Vorstellungen: 4., 15. und 29.Mai und 11. Juni jeweils 19.30 Uhr, Große Bühne im Schauspiel Leipzig
Öffentliche Probe: 17. April 18 Uhr, Große Bühne

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