Ob die Idee wirklich so pfiffig war, werden dann wohl die jungen Nutzer der App einschätzen müssen, die das Theater der Jungen Welt am Freitag, 30. September, vorgestellt hat. Denn eigentlich geht es darum, Orte der Zwangsarbeit in Leipzig kennenzulernen. Aber um das zu können, muss man erst einmal zu einem Mitarbeiter einer fiktiven Firma namens Vibezig werden. Unbezahlt natürlich. Ist ja die schöne neue Arbeitswelt.
Die hier der hässlichen alten Arbeitswelt begegnet. „‚Tracing Remenbrance‘ ist ein Spiel, in dem du für das fiktive Start-up Unternehmen Vibezig arbeitest. Das Spiel tut so, als sei es eine Arbeits-App, aber weder das Unternehmen, noch das Arbeitsverhältnis sind echt“, beschreibt das Theater der Jungen Welt (TdJW) den Einstieg in diese App, die ihre Nutzer tagelang beschäftigen kann.
„Trotzdem geht es im Spiel um ein ernstes Thema: In ‚Tracing Remenbrance‘ wirst du mit Dokumenten aus der Geschichte von Zwangsarbeit zur Zeit des Nationalsozialismus konfrontiert.“
Und dazu kann man dann mit seinem Smartphone in Leipzig herumlaufen, um reale Orte der Zwangsarbeit kennenzulernen, die ohne entsprechende Hinweise im Stadtraum nicht mehr als solche erkennbar sind.
„Das Spiel arbeitet mit realen Tageszeiten, manchmal geht es erst am Abend oder am nächsten Tag weiter. Insgesamt dauert das Spiel regulär mindestens drei bis vier Tage: Dabei spielst du natürlich nicht die ganze Zeit, sondern das Spiel läuft quasi neben deinem Alltag her“, erläutert das TDJW.
„Du kannst dir natürlich auch mehr Zeit lassen als drei oder vier Tage, das Spiel geht an vielen Stellen erst weiter, wenn du bereit bist, weiterzuspielen. Drei bis vier Tage ist unsere Empfehlung für das optimale Spielerlebnis.“
Das Projekt „Mirror // Mirror“ über NS-Zwangsarbeit in Leipzig und gegenwärtige Formen rechter Radikalisierung startete im Frühjahr 2022 in Kooperation mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig. Die eigens für das Theater der Jungen Welt entwickelte mobile Gaming-App „Tracing Remembrance“ („Der Erinnerung nachspüren“), die am 30. September veröffentlicht wurde, ist nach „On the other Side“ („Auf der anderen Seite“) der zweite Part des dreiteiligen Projektes.
Gefördert wird das Projekt von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF).
„Ideale Orte für das Arbeiten und Leben der Zukunft per telepathischem Vibe-Scan zu finden – das ist das Konzept eines neuen Start-up-Unternehmens“, das sich auch gleich mal im YouTube-Clip so vorstellt, wie das die sogenannten smarten Firmen heute für gewöhnlich tun. Professionell gemacht.
Vielleicht funktioniert das ja bei jungen Leuten, die unbedingt für ein Start-up arbeiten möchten. „Wie aber umgehen mit Erinnerungen, die an Orten auftauchen, die man zuvor für historisch unbelastet gehalten hatte?“
Für das Theater der Jungen Welt (TDJW) schafft Gamedesigner und Kurator Sebastian Quack diesen dann doch sehr eigenwilligen Zugang zur Geschichte der Zwangsarbeit im Leipzig des Nationalsozialismus und zur Debatte um Erinnerungskultur.
Ähnlich wie bei „Pokémon GO“ bewegen sich Spieler/-innen mit dem Smartphone durch die Stadt. Als Scouts des Start-ups nehmen sie per App Aufträge an, checken die Stimmung von Orten („Vibe von Locations“) und werden dabei immer tiefer in die Frage hineingezogen, wie mit den diesen Orten anhaftenden Erinnerungen zu verfahren ist:
Wer hat ein Interesse daran, sie zu bewahren? Welche Möglichkeiten bieten sie? Und wer will sie am liebsten einfach löschen?
Willkommen beim mobilen Game TRACING REMEMBRANCE!
Gemeinsam mit Vertreter/-innen der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig und dem künstlerischen Team wurde am Freitag, 30. September, die mobile Gaming-App „Tracing Remenbrance“) im Theater der Jungen Welt der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die App ist in allen gängigen App-Stores verfügbar.
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