Allerorten gibt es Zeichen einer Normalisierung. Zumindest in Sachsen. Die ersten Kabaretts und Varietés öffnen wieder, wenn auch unter ungewohnten Umständen, mit größeren Abständen zwischen Stühlen, in größeren Sälen, aber eigentlich immer: Bitte mit Maske. Und im Horns Erben, das seit einer Woche wieder geöffnet hat, nimmt auch eine Serie wieder den Faden auf, die längst zur beliebtesten Impro-Show des Landes geworden ist.
Oder mal in der Langversion: die dokumentarisch-fiktive Improvisationstheater-Kultreihe „Adolf Südknecht – die Seifenoper-Improschau“, die Geschichte über eine Kneipiersfamilie im Wandel der Zeit, die nun schon seit 2012 läuft. Mit jedem Jahr nähert sich die Serie der Gegenwart. Im Dezember startete der Teil „Adolf Südknecht – Ostbesuch“. Im März ging es dann in die Coronapause. Aber am Dienstag, 26. Mai, wird der Faden der Handlung wieder aufgenommen, der die Zuschauer mitnimmt in den deutsch-deutschen Alltag 1958, wenige Jahre vor dem Bau der Berliner Mauer.
Adolf Südknecht besucht die Familie seines Bruders in Westberlin. Im Nachtleben lernt er deren Stamm-Imbissbude kennen, die ihn entfernt an sein Lokal, das Horns, erinnert. Unerwarteterweise tauchen zwei ebenso altbekannte wie unerwünschte Besucher auf, die irgendein Geheimnis in sich tragen …
Und während im Osten der Mauerbau naht, feiert der Westen sein Wirtschaftswunder.
Wie sich zeigen wird, bildet ein harmloser Besuch plötzlich zwei grundverschiedene Welten ab, was großen Einfluss auf den Umgang in den Beziehungen selbst naher Verwandter hat. Plötzlich findet Weltgeschichte im Wohnzimmer statt, in dem zwischen Riss und Überbrückung reichhaltiges Potential für situationsgeladene Konflikte vorhanden ist.
Die preisgekrönte Historien-Theatergeschichte „Adolf Südknecht“ wird seit 2012 ununterbrochen in bisher über siebzig Episoden gespielt und thematisierte zu Beginn die 1920er Jahre, setzte sich dann ausführlich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander und knüpfte nach den Nachkriegsjahren zeitlich nahtlos an die Geschehnisse um den 17. Juni 1953 an, um sich dann den Anfängen der Staatssicherheit zu widmen.
Dabei sollen die bisher gewonnenen Erfahrungen des einzigartigen Theaterformates weiter ausgebaut und vertieft werden. Vor allem in Bezug auf die Verbindung von Unterhaltung, Information, historischer Vermittlung, städtischer und landesweiter Erinnerungskultur und der Suche nach theatralischen Formen wird dabei Wert gelegt, betont Theaterleiter Armin Zarbock. Mit Seifenoper in dem Sinn hat die Show schon lange nichts mehr zu tun. Eher macht sie nacherlebbar, wie sich ganz einfache Leipziger tatsächlich durchschlugen in den seltsamen Wirren und Verwirrungen des 20. Jahrhunderts.
Neben der Hauptbesetzung mit zwei Schauspielern und einem Musiker spielen pro Episode drei bis vier weitere Schauspieler (in durchgehenden Rollen Stefan Ebeling aus Leipzig, Karin Werner aus Potsdam und Tobias Wollschläger aus Berlin) und ein Gastmusiker (Frank Berger) mit. Jede Episode baut zeitlich und inhaltlich aufeinander auf, wird aber dennoch dramaturgisch in sich abgeschlossen sein. So ist für die Zuschauer ein Ein- und Ausstieg in die Theater-Reihe jederzeit möglich.
Die Schauspieler erschaffen dadurch, dass sie sich lediglich einen dramaturgischen Rahmen vorgeben und alle Texte improvisieren, eine unikate und in ihren Emotionen authentische Aufführung. Sie recherchieren vorher sorgfältig die historischen Ereignisse, um sie im Augenblick des Spiels abrufen zu können.
Das Theater „Adolf Südknecht“ macht mit der Aufarbeitung historischer Ereignisse und deren Folgen auf das persönliche Umfeld einer Familie Geschichte sinnlich erfahrbar und schlägt so eine Brücke in die Gegenwart. Zielgruppe ist ein Publikum ab dem jugendlichen Alter. Durch die kontinuierliche Arbeit sind inzwischen ein großer inhaltlicher, historischer und künstlerischer Erfahrungsschatz und ein großes Netzwerk an bundesweiten Künstlern entstanden. Des Weiteren wird, wie immer in den vergangenen Jahren, jeder Abend aufgezeichnet und zum Abruf auf dem Adolf-Südknecht-Vimeo-Channel kostenlos zum Nachschauen bereitgestellt.
So hält das Theater an der bewährten Konzeption des Kneipentheaters fest und entwickelt es in behutsamen Schritten in die Zukunft weiter: „Zeitreisen aus dem Wohnzimmer der Weltgeschichte!“
Seit 2020 gibt es sogar eine institutionelle Förderung durch das Kulturamt der Stadt Leipzig.
Die nächste Folge „Adolf Südknecht – Ostbesuch: Curry mit Ketchup“ gibt es am Dienstag, 26. Mai, ab 20 Uhr im Horns Erben (Arndtstraße 33).
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