Keith Warners Adaption von Verdis „La Forza del Destino“ (dt. Die Macht des Schicksals) endet mit einer Überraschung. Statt sich mit dem Schicksal seiner Geliebten Leonora abzufinden, stürzt sich Don Alvaro krachend in den Tod. Das unerwartete Ende ist das einzige Ausrufezeichen der ansonsten schwachen Inszenierung.
Das christliche Kreuz zieht sich als allgegenwärtiges Sinnbild durch den Abend. Keith Warner deutet das Schicksal, dem Verdis Charaktere gnadenlos ausgeliefert sind, als hausgemacht. Zwei gekreuzte Laufstege, die zwei Drittel der Spielfläche einnehmen, sollen die Gabelungen und Abzweigungen symbolisieren, die Leonora (Emily Magee), Carlo (Alexey Markov) und Alvaro (Gregory Kunde) ins tödliche Finale des Vierakters führen.
Damit auch der letzte Zuschauer den Kniff versteht, hat Bühnenbildnerin Julia Müer ein kleines Holzkreuz auf die Vorderbühne gepflanzt. Den Hintergrund füllt ein kastenförmiges Gebäude, das zugleich Palazzo, Schänke und Kloster ist. Beiseite schwebende Wände ermöglichen die Bespielung von innen und außen. Eine Empore nebst zwei Treppen eröffnet die Möglichkeit, Personen „von oben“ die Szene betreten zu lassen.
Zweifelsfrei zählt Warner, seit Jahren Stammgast an der Semperoper, zu den renommiertesten Opernregisseuren unserer Zeit. Was der Zuschauer diesmal in Dresden zu sehen bekommt, lässt die szenische Raffinesse des Briten jedoch vermissen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass der Altmeister Teile der Produktion seiner Assistentin Katharina Kastening überlassen hat.
Die starke Fokussierung auf die Figur des Don Alvaro, der in Warners Adaption nervlich von seinem christlichen Leben im Hier und Jetzt auf der einen und seiner Inka-Herkunft auf der anderen Seite zerrissen wird, kommt trotz des Rückgriffs auf eindeutige Symbole nur partiell zum Vorschein. Zwei stark präsente Statisten symbolisieren als weiß gekleidete Maria und schwarz geschminkter Inka den schmalen Grat zwischen Gut und Böse, den Alvaro, nach dem Verdi die Urfassung der Oper benannte, sich ausgeliefert sieht.
Die Ideen hinter der Produktion, nachzulesen im Programmheft, klingen zwar vielversprechend. Allerdings krankt die szenische Umsetzung, die voll und ganz auf die darstellerischen Leistungen der Solisten baut. Die Solisten strahlen viel zu selten Emotionen aus. Ihr Spiel wirkt mechanisch, als täten sie etwas, ohne zu wissen, warum sie genau das tun.
Die zahlreichen Massenszenen mit Chor und Statisten wirken unübersichtlich, geradezu lieblos und ungenau dahinchoreografiert. Das starre Bühnenbild schränkt obendrein die Bewegungsfreiheit der Akteure ein. Insgesamt bekommt der Zuschauer fast vier Stunden lang besseres Stadttheater in Gestalt einer lieblos dahingeklatschten Tableau-Folge zu sehen. Von einem Haus wie der Semperoper darf man inszenatorisch mehr erwarten.
Wenigstens bewegen sich die musikalischen Darbietungen auf hohem Niveau. Dirigent Mark Wigglesworth verzichtet am Pult auf jegliche Selbstdarstellung. Die wunderbare Potpourri-Ouvertüre mit dem nihilistischen Schicksalsmotiv, das sich durch die gesamte Oper zieht, haben Regisseur und Maestro vor den Beginn des zweiten Akts verlegt. Was bei Wagner ein No-Go wäre, kann man bei einem eher unbekannteren Verdi schon mal machen, ohne dass sich jemand aufregen würde.
Wigglesworth erweist sich als Verdi-Kenner. Vor allem Streicher und Holzbläser bereiten ein mitreißendes Klangerlebnis. Der kräftige, düstere Sound aus dem Graben, ganz auf Linie gespielt, untermalt stimmungsvoll die satten, dunklen Farbtöne auf der Szene. Die Balance zwischen Orchester und Solisten passt. Von der Bühne ist jedes Wort sehr gut zu verstehen. Wer des Italienischen mächtig ist, kann der Handlung ohne Übertitel problemlos folgen. Einziger Minuspunkt: Die knatschenden Treppen, über die Warner im zweiten Akt den Chor auf die Bühne führt, stört ganz erheblich den Genuss des herrlichen Orgelzwischenspiels.
Die Gewinnerin des Verdi-Gesangswettbewerbs heißt Emily Magee. Ihr leidenschaftlich interpretiertes „Pace, Pace, Mio, Dio“ im vierten Akt ist ein guter Grund, den Abend bis zum Ende auszusitzen. Auf dem zweiten Platz landet Gregory Kunde, der zwar szenische Schwächen zeigt, aber mit seiner breiten Tenor-Stimme im dritten Akt nicht nur ungeheure Luftmassen bewegt, sondern auch die Alvaro-Arie par excellence meistert. Dafür erntet der Amerikaner sogar Szenenapplaus. Alexey Markov (Carlo) und Stephen Milling (Marchese/Padre) lassen Ausrufezeichen, die sich ins Gedächtnis einprägen, diesmal vermissen.
Nächste Termine: 5., 8. & 11. Mai.
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