Ahne hat jetzt auch ein Hörspiel. Auch wenn er es Musical genannt hat. Vielleicht sollte man es Kabinett-Musical nennen. Gesungen und gerockt wird natürlich. Aber eher so zwischendrin, wenn die Stimmung umkippt und auch der Held Torsten McCollough mal ein bisschen Temperament zeigt. Denn eigentlich ist er ja mehr so der ruhige Berliner Typ. Der erst mal abwartet, was kommt, auch wenn seine Freundin abhandengekommen ist.
Also so ein richtiger Ahne-Helden-Typ, ein echter Anti-Held, wie ihn die Berliner und die Lesebühneautoren lieben. Eher prekär lebend als Schriftsteller, der vom großen Bestseller träumt, aber keinen produziert, weil diese eiskalte Professionalität mit dem wirklichen Leben nicht viel zu tun hat. Da hangelt er sich eher so durch und freut sich bannig auf den gemeinsamen Zelturlaub mit seiner wunderhübschen Freundin auf einem Zeltplatz in Meck-Pomm.
Und da gehen die Probleme los.
Denn seine wunderschöne Freundin ist weg. Die Polizei ist eher mit entfleuchten Nattern beschäftigt und darum telefonisch unerreichbar. Da bleibt nur ein Super-Schnüffler namens Hugo Stark, der sich schnurstracks auf die Suche macht nach einem schnauzbärtigen Ausländer, mit dem die Schöne fortgegangen sein soll. Völlig offen: Ist sie nun entführt worden oder freiwillig mitgegangen? Torsten glaubt eher an das Erste und freut sich geradezu, als er sieht, wie zielgerichtet Stark die Sache anpackt. Das ist die Stelle, an der sich alle Zuhörer durchaus an ordentliche Klopperfilme erinnern dürfen, in denen brummige Kerle, die alles immer allein auf die Reihe gekriegt haben, kurz mal aufräumen in der Pizzeria und an der Tankstelle und aus den Leuten dort die Aussagen einfach herausprügeln.
Slapstick vom Feinsten. Das Musical ist kurz davor, wirklich in eine herrliche, flotte American-Hero-Persiflage abzugleiten – oder abzuheben. Denn natürlich macht so etwas Spaß. Je verrückter, umso besser. Der Zuhörer ist mit diesem Burschen, der als Rächer aller Bestohlenen loszieht und den (vermeintlichen) Bösewichtern den Stolz aus dem Leib prügelt …
Wäre da nicht der arge Verdacht, dass Hugo Stark nicht ist, was er behauptet zu sein. Ein Verdacht, den sich der verzweifelte Torsten in Rostock bestätigen lässt von einem echten plattdeutschen Wahrsager, während Hugo (der wohl eher das vierte seiner Aliasse ist) von einem wiederauferstandenen alten Liedermacher (der schwarzrotgoldene Mädchen besingt) erfährt, dass Torstens hübsche Freundin wohl erstaunlich einer Dame ähnelt, die im regionalen AfD-Verband die große Klappe schwingt.
Man merkt: Ahne bringt seine ganz speziellen Berliner Ängste mit in die mecklenburgische Provinz, in der es natürlich immer regnet, wenn man schon mal da Ferien machen will. Es gibt zwar ein ganzes Rudel Rollen in dem Musical – sogar den besagten Ausländer mit Schnauzbart – aber tatsächlich müssen sich Ahne und sein Berliner Mitstreiter Henning Sedlmeier in die Rollen teilen. Und Sedlmeier fällt dabei eher der bärbeißige Part mit den harten Hunden (Hugo Stark und der knarrige Liedermacher Toni Silverstone) zu, Ahne eher die freundlich verwirrte Rolle des Helden, der am Ende dann doch noch den Kämpfer in sich entdeckt, weil er in seinem früheren Leben auch mal bei den harten Hunden war. So dass das Ganze, nachdem beide hinterrücks voneinander erfahren haben, dass die Fassade nicht mit dem Inhalt übereinstimmt, auf einen mörderischen Showdown hinausläuft, bei dem ordentlich erklärt wird, was für tödliche Prankenschläge sie einander versetzen.
Tja, und wenn die Helden hinüber sind, bleibt eigentlich nicht mehr viel zu erzählen. Das letzte Stück heißt dann nun einmal „Rache!“ Und aus die Maus.
Wobei: Die letzten Worte gehören dann eher Mareike Huber, die für die beiden kämpferischen Reisenden in die nordostdeutsche Provinz die Rahmenerzählerin übernommen hat. Einer muss ja die Übersicht behalten. Oder eben eine. Wobei man ja am Ende doch mit der Frage allein gelassen wird: Hat sich Torsten in seiner wunderbaren Freundin tatsächlich dermaßen getäuscht? Oder hat er sich einfach in eine Büttenrednerin vom rechten Ufer verliebt und sich der Illusion hingegeben, dass es bei Frauen nur auf das Äußere ankommt?
Fragen über Fragen. Das Schöne ist: Es gibt in diesem Musical keine singenden Löwen, Kaninchen und andere Urwaldbewohner. Keine schrillen Chöre mit verzücktem Bühnenvolk. Auch kein trällerndes Kochgeschirr wie in den üblichen Märchen-Musicals. Nur die beiden Jungs rocken ab und zu auf ihre Weise los, um ihrer Stimmung ein bisschen Luft zu machen. Oder – was ja in Opern und Musicals eher die Norm ist – ihrer Ratlosigkeit Ausdruck zu geben über den Verlauf der Dinge, den wahrscheinlich nur das Publikum im Saal überschaut, während die Helden ja in der Regel immer nicht wissen, woran sie gerade sind – ob nun im Handlungsverlauf oder in der Beziehung zu den Damen auf der Bühne, diesen rätselhaften.
Und die Moral von der Geschicht? Man sollte seine Freundin nie allein nach Meck-Pomm fahren lassen. Die Gefahr, dass man sie nicht wiederbekommt, ist viel zu groß.
Ahne & Sedlmeir Rache!, CD, Voland & Quist 2018, 15 Euro.
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