Für eine festspielreife Aufführung braucht es kein Bayreuth. Seit Sonntag steht in der Semperoper wieder Florentine Kleppers Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ auf dem Spielplan. Die Besetzung wird angeführt von den namhaften Wagner-Stars Andrzej Dobber, Elena Pankratova und Georg Zeppenfeld.
In Kleppers Inszenierung steht Sentas Psyche im Mittelpunkt. Im ersten Akt träumen Dalands (Zeppenfeld) Seemänner von ihrem Mädchen am Land – die kindliche Senta. Der sexuelle Missbrauch des Kindes wird nur metaphorisch angedeutet, soll aber die Ursache für das Verhalten der erwachsenen Senta sein. Die junge Frau sieht sich mit gesellschaftlichen Zwängen konfrontiert. Männer fahren zur See. Frauen haben Kinder zu gebären und ihren Gatten zu dienen.
Senta (Pankratova) flüchtet sich in die kindlich anmutende Phantasie, Erlöserin des Fliegenden Holländers (Dobber) zu sein – ein verfluchter Seemann, der die sieben Weltmeere umsegelt und nur alle sieben Jahre einen Fuß an Land setzen kann, bis ihm eine Frau Treue bis zum Tod schwört.
„Der Fliegende Holländer“ steht für alles, was man gemeinhin nicht mit Richard Wagner assoziiert. Eine griffige Handlung, Melodien zum Mitsummen, kurze Spieldauer, so gut wie keine elend langen Rezitative. Hinzu kommen traumhafte Ensembles, Lieder, Sentas Ballade und natürlich der berühmte Seemannschor. Als das Werk 1843 am Königlichen Hoftheater in Dresden uraufgeführt wurde, hielt sich der Erfolg in Grenzen. Nach vier Aufführungen verschwand die Produktion damals vom Spielplan. Heute ist der wunderbare Klassiker ein Dauerbrenner auf den Spielplänen.
In Dresden wird Wagner heute auf allerhöchstem Niveau geboten. Die Staatskapelle erklang unter Leitung von Asher Fish verführerisch schön. Liebliches Holz und dunkle Streicher umnachteten das Publikum, während stampfendes Blech für schroffen Holländer-Sound sorgte. Andrzej Dobber durchdrang den weitläufigen Saal mit seiner schwarzen, bisweilen brachialen Bassbariton-Stimme. Wagner-Sopranistin Elena Pankratova gefiel wegen ihres klaren, voluminösen Gesangs, mit dem sie bei der Senta-Ballade in voller Lautstärke die höchsten Register erreichte.
Georg Zeppenfelds immer noch jugendlich anmutender Bass war stetig präsent und durchsetzungsstark. Christa Mayer sang die Mary schrill und energiegeladen. Tomislav Muzek gab einen gesanglich wie schauspielerisch durch und durch berührenden Erik. Nur Simeon Esper (Steuermann) zeigte leider einige Schwächen in der Artikulation der Konsonanten.
Musikalische Highlights waren die technisch sauber gespielte Ouvertüre und die Ensembles im ersten und zweiten Akt, in denen die ausgewiesenen Wagner-Spezialisten mit teils reichlich Bayreuth-Erfahrung ihre ganze Klasse ausspielen konnten. Hörenswert auch der Seemannschor, den Klepper von einer Trauergemeine intonieren lässt.
Als große Schwäche erwies sich der Gespensterchor im dritten Akt. Von der Seitenbühne gesungen, ließen sich die schaurigen Verse aufgrund akustischer Schwächen und des zu lauten Orchesters nur erahnen, die Wagner der Holländer-Besatzung in den Mund gelegt hatte. Ein kleiner Wermutstropfen auf einen großartigen Opernabend, der eine Reise wert ist.
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