Clowns, soweit das Auge reicht. So ließe sich Mario Schröders neueste Kreation in fünf Wörtern zusammenfassen. Der Doppelabend mit dem oberflächlichen Titel „Bolero (Walking Mad) / Le Sacre du Printemps“ erinnert an ein Konzertprogramm. Bei der Premiere stand am Samstag tatsächlich die Musik im Vordergrund.
Dass das Gewandhausorchester lautere Beifallsstürme erntet als die Tänzerinnen und Tänzer kommt selten vor. Schließlich bringen die vielen Mitwirkenden in Leipzig traditionell viele Freunde und Angehörige mit, die ihnen bei jeder Premiere lautstark zujubeln – völlig losgelöst von der Qualität der künstlerischen Darbietungen. Der Applaus für die Gewandhausmusiker war berechtigt.
Unter Stabführung von Matthias Foremny zelebrierten die Leipziger in technischer Perfektion Strawinskys höchst anspruchsvolle Partitur. Der ständige Gastdirigent fand einen von Klangeffekten getragenen Zugriff auf die expressionistische Musik Strawinskys mit ihren verschachtelten Motiven, die ohnehin zum Dauerrepertoire des Klangkörpers zählt.
Der Bolero steht im Gewandhaus nicht so häufig auf dem Spielplan, bereite den Musikern aber keinerlei Kopfzerbrechen. Der mechanische Rhythmus der kleinen Trommel (gespielt von Perkussionist Steffen Cotta) bildete den roten Faden für die neun Akteure auf der Bühne. Johan Ingers Tanzstück „Walking Mad“, 2001 entstanden für das Nederlands Dans Theater, ist ein zeitgenössischer Klassiker.
Eine Holzwand fungiert als variabler Spielkörper zwischen den verschiedenen Figuren. Ein Mann gerät mit einer Frau in Kontakt. Das Paar zieht es in eine verrückte Welt, der es – so scheint es zumindest – nicht entfliehen kann. Ingers filigranes Figurenspiel erntet zu Recht anhaltenden Applaus, nicht zuletzt aufgrund der starken tänzerischen Leistung von Laura Costa Chaud.
Der zweite Teil des Abends entführt den Zuschauer in ein Tollhaus. Schröder und sein Ausstatter Paul Zoller stecken die Company in Clownskostüme, die ästhetisch an das Outfit des blutdürstigen Pennywise aus Stephen Kings Horrorthriller „Es“ angelehnt sind. Das Ensemblestück untermalt Strawinskys Musik mit großformatigen Tableaus. Schröder arbeitet sich assoziativ an dem Werk ab, findet in der Partitur – anders als Foremny – aber keine Message, die das Publikum erreichen könnte.
Wenigstens liefert die Company Ballettkunst auf technisch hohem Niveau. Die unzähligen Clowns visualisieren die berauschende Musik lebhaft mit ihren Drehungen, Sprüngen und Attitüden. Zusammen mit Licht, Nebel und einigen geisterhaften Projektionen sieht das Ganze ästhetisch reizvoll aus.
Was fehlt, ist ein Plot, der beim Zuschauer hängen bleibt. Oder wenigstens ein Affront, der nach der Premiere zum Stadtgespräch taugt. Die visuelle Reizüberflutung, ein Markenzeichen des Ballettdirektors, macht allein noch kein gutes Ballett. Als nächstes wird Schröder in Leipzig Tschaikowskys „Schwanensee“ choreografieren. Mit Blick auf die hohen Erwartungen des Publikums sei dem Chefchoreografen ein schlüssigeres Gesamtkonzept zu wünschen.
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