Bei diesem Titel denkt man sofort an E.T.A. Hoffman und seinen berühmten „Meister Floh“. Den darf man ruhig mitdenken, wenn am Donnerstag, 20. Juli, das Krakauer Theater KTO – eines der renommiertesten Straßentheaterensembles Europas – in Leipzig mit dem Straßentheater-Spektakel „Peregrinus“ gastiert. Weltweit begeisterte das Ensemble aus Leipzigs Partnerstadt Krakau bereits mehr als 1,5 Millionen Menschen.
Das Ensemble unter der Leitung von Jerzy Zoń ist in Leipzig nicht mehr unbekannt. Bereits 2009 begeisterte KTO im Rahmen des Lichtfestes Leipzig auf dem Georgiring mit einer emotionalen Darbietung. In dem aktuellen Stück „Peregrinus“ stellen die Schauspieler pantomimisch einen einzelnen Tag im Leben eines Menschen des 21. Jahrhunderts in den Fokus: Eine Figur ohne Emotionalität, der individuellen Merkmale beraubt, in einer digitalen Zivilisation, in der der Konsum zur dominierenden Religion geworden ist. Die Inszenierung zeigt die Protagonisten in verschiedenen Lebenssituationen, die mit Musik – von Klassik über Filmmusik bis Rap und Pop – illustriert werden. So kurz die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM), die das Gastspiel betreut.
Freunde von E.T.A. Hoffmann werden im Titel den bedauerlichen Peregrinus Tyß wiedererkennen, der nach jahrelanger Abwesenheit in seine Heimat zurückkehrt und dann auf einmal einer Anklage gegenübersteht, er sei für die Entführung einer Frau verantwortlich. Eine sichtlich inszenierte Anklage, in der Hoffmann ein eigenes Erlebnis aus seiner Arbeit als Richter verfremdet hat. Als Erster thematisierte er eindrucksvoll die irrationalen Auswirkungen der aufkommenden Demagogenverfolgungen in Preußen, die auch Menschen zum Inhalt polizeilicher Ermittlungen machten, die auch nur in den Verdacht kamen, mit den obrigkeitlichen Verordnungen zu hadern.
Ordne dich unter, lautete die polizeilich untermalte Botschaft.
Das ist schon ein wenig wie heute. Es verblüfft schon, wie sich Dinge, die man eigentlich längst für abgehakt hielt, immer wieder in neuen, skurrilen Inszenierungen wiederholen. Aber E. T. A. Hoffman war es nicht, bei dem die Schauspieler aus Krakow ihre Stückidee holten. Es war der englische Dichter T. S. Eliot. Das ist der Bursche mit „Old Possum’s Book of Practical Cats“, zu deutsch: „Old Possums Katzenbuch“, Basis für das erfolgreiche Musical „Cats“.
Und Peregrinus bezieht sich dabei auf peregrination: die Wanderschaft. Und das Gedicht, auf das sich KTO speziell bezieht, ist „The Hollow Men“ (Die Hohlen Männer) von 1925. Wikipedia: „Eliot beschreibt Menschen wie Tote oder Geister. Darin sah er die Problematik des Menschen in der Moderne. Die jetzige Welt sei nur das ‚andere Reich des Todes‘“.
Den Vers, den KTO daraus zitiert, hat Hans Magnus Enzensberger so übersetzt: „Wir sind die hohlen Männer / Die Ausgestopften / Aufeinandergestützt / Stroh im Schädel. Ach, / Unsere dürren Stimmen, / Leis und sinnlos / Wispern sie miteinander / Wie Wind im trockenen Gras …“
Natürlich steckt darin Eliots sehr kritische Beziehung zur Moderne und dem letztlich sehr hohlen modernen Individualismus und seinem blinden Fortschrittsdenken. Bei ihm immer verwurzelt in einer tiefen und zuweilen auch radikalen und dogmatischen Religiosität.
Es gibt also auch Gründe, seine Skepsis zu behalten, wenn die Schauspieler am 20. Juli im Business-Outfit durch Leipzig spazieren.
Die Performance startet um 18 Uhr auf dem Marktplatz, erstreckt sich anschließend über die Hainstraße bis zum Richard-Wagner-Platz und auf dem gleichen Weg wieder zurück zum Markt. Dort findet sie vor dem Polnischen Institut gegen 18:45 Uhr ihren Abschluss.
Alle Leipziger sowie Gäste der Stadt sind zur Vorstellung am 20. Juli 2017 herzlich eingeladen, so die LTM. Die Inszenierung beginnt und endet vor dem Polnischen Institut (gegenüber dem Alten Rathaus, Handwerkerpassage) und ist selbstverständlich kostenfrei.
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