Zum Abschluss der Opernsaison steht in Leipzig Wagners „Ring des Nibelungen“ auf dem Spielplan. Zusammen mit der alljährlichen Verleihung des Richard-Wagner-Preises bildet die Tetralogie die diesjährigen Wagner-Festtage am Augustusplatz. Ein Zwischenfazit nach zwei Opernabenden.

Wagner zieht. Wagner boomt. Zumindest in der Messestadt. Okay. Der einzige Ring-Zyklus der Saison war im Februar ausverkauft. Nichts geht mehr, meldete die Opernkasse. Bis im April doch wieder Karten auf den Markt landeten. Beim „Rheingold“ und der „Walküre“ konnten Kurzentschlossene sogar an der Abendkasse zugreifen. Für „Siegfried“ (Samstag) sind zur Stunde noch ausreichend Tickets erhältlich. Nur bei der „Götterdämmerung“ (Sonntag) könnte es kuschelig werden.

Wie in den Jahren zuvor lockte der „Ring“ wieder zahlreiche Gäste aus nah und fern nach Leipzig. Wird in der Oper Wagner gespielt, reist inzwischen ein Drittel der Besucher aus dem Ausland an. Sagt die Statistik. Und Zahlen lügen bekanntlich nicht. Ursächlich für das überwältigende Interesse dürften neben der musikalischen Qualität und der unermüdlichen Arbeit der ortsansässigen Wagnerianer die Schönheiten der Messestadt sein. Leider haben die diesjährigen Besucher nur eingeschränkte Möglichkeiten, Zoo, Clara-Park und Karli zu genießen.

Die schwüle Luft, die ihren Weg trotz Klimaanlage in den Zuschauersaal fand, machte den Besuchern am Mittwoch und Donnerstag spürbar zu schaffen. Zügiger Wind und Nieselregen laden die Wagner-Touristen auch am opernfreien Freitag nicht zu ausgiebigen Freiluftaktivitäten ein. Besserung ist bis Sonntag nicht in Sicht. Bekanntermaßen sind Wagnerianer hart im Nehmen. Spätestens, seit die Bayreuther Festspiele letzten Sommer aus Sicherheitsgründen ein striktes Sitzkissenverbot für das hölzern bestuhlte Festspielhaus erließen. Wen kümmert das durchwachsene Sommerwetter, solange die musikalische Qualität passt?

In Rosamund Gilmores Ring-Adaption wird viel getanzt. Foto: Tom Schulze
In Rosamund Gilmores Ring-Adaption wird viel getanzt. Foto: Tom Schulze

Über die Inszenierung seien an dieser Stelle keine großen Worte mehr verloren. Man mag Rosamund Gilmores Märchenmysterium für Erwachsene mit Tanzeinlagen oder man mag den Ansatz nicht. Dass eine ganze Reihe der Besucher die Aufführungen nicht zum ersten Mal besuchen, spricht jedenfalls dafür, dass Gilmores visuelle Fokussierung auf die Naturmysterien, von denen das Ring-Libretto und die Musik durchsetzt sind, unter gestandenen Wagnerianern Zuspruch findet. Ulf Schirmer führte das exzellent disponierte Gewandhausorchester souverän durch die ersten beiden Teile des Rings. Für das „Rheingold“ benötigt der Intendant und Generalmusikdirektor zweieinhalb Stunden. Ein guter Wert unter den zeitgenössischen Maestros, die Lebendigkeit und Fluss von Wagners Musik ins Zentrum der Interpretation stellen.

Schirmer hebt schon in den ersten Takten des „Rheingolds“ die Sinnlichkeit hervor, wenn er das sonore Brummen der Bässe zum sich langsam erhellenden Bühnenset dirigiert. Die anspruchsvollen Orchesterzwischenspiele zelebriert der Opernchef vorzugsweise majestätisch, schmetternd und mitunter in ohrenbetäubender Lautstärke. Das passt wunderbar zu den effekthascherischen Umbauten im „Rheingold“, wenn Wotan (Tuomas Pursio) und Loge (Thomas Mohr) zu Bühnennebel und Lichteffekten nach Nibelheim hinabfahren. Nicht minder furios der Walkürenritt, den Regisseurin Rosamund Gilmore wunderbar von einem Männerensemble vertanzen lässt.

Jürgen Linn (links, mit Dan Karlström) begeisterte die Zuhörer am Mittwoch als Alberich. Foto: Tom Schulze
Oper Leipzig – Richard Jürgen Linn (links, mit Dan Karlström) begeisterte die Zuhörer am Mittwoch als Alberich. Foto: Tom Schulze

Die gesanglichen Darbietungen erreichen trotz einiger hochkarätiger Sänger nicht zur Gänze das Niveau einer Festspielaufführung. Die Stimme des erkrankten Tuomas Pursio kollabierte beim „Rheingold“ irgendwo im dritten Bild. Der Einzug der Götter nach Walhall, eine der schönsten Stellen des ganzen Rings, ist diesmal eine Enttäuschung. Sänger des Abends war Thomas Mohr, der herausragende lyrische Qualitäten beweist. Am Sonntag wird der Tenor den Siegfried in der „Götterdämmerung“ singen. Brillant auch Jürgen Linn. Der Routinier sang den Alberich nicht nur famos, sondern verkörperte dabei mit müheloser Leichtigkeit die Rolle des windigen Schurken, der den Rheintöchtern (stark: Eun Yee You, Sandra Maxheimer, Sandra Fechner) das Gold geraubt hat.

In der „Walküre“ blieb Simon O’Neill als Siegmund hinter den hohen Erwartungen des Publikums zurück. „Gut, dass er tot ist“, kommentierte eine Zuschauerin beim Applaus nach dem 2. Akt. Der Tenor, der 2010 und 2011 bei den Bayreuther Festspielen mitwirkte, hatte nicht nur punktuelle Schwierigkeiten, gegen das Orchester anzusingen. „Nothur“ statt „Nothung“ hört der Wagnerianer gar nicht gern. Ein Gewinn war dagegen die Verpflichtung von Thomas J. Mayer, der dem Walküren-Wotan eine angenehm düstere Note verlieh. Umjubelter Star des Abends war Irene Theorin. Die Schwedin mit reichlich Wagnererfahrung, die auf den großen Bühnen der Welt zu Hause ist, sang die Brünnhilde mit breiter Sopranstimme, traf jeden Ton und jede Silbe, strahlte stimmlich wie schauspielerisch Präsenz aus und fügte sich nahtlos in Gilmores Mysterienspiel ein.

In eigener Sache: Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar