Ausverkauftes Haus, Ulf Schirmer am Pult, starke Solisten auf der Bühne und das Gewandhausorchester im Graben. Die Premiere von Richard Strauss’ „Salome“ hatte am Samstag alles, was ein großer Opernabend in Leipzig benötigt. Leider war die Produktion vom plötzlichen Tod der Bühnen- und Kostümbildnerin Rosalie überschattet.
Am 12. Juli, fünf Tage vor der Premiere, verstarb die Lichtkünstlerin, die mit bürgerlichem Namen Gudrun Müller hieß, in Stuttgart. Das Bühnenbild für die Leipziger „Salome“ ist die letzte Arbeit Rosalies, die seit den frühen Achtzigern international sowohl mit bildender Kunst als auch im Theater auf sich aufmerksam machte. Für Aaron Stiehls Deutung der „Salome“ errichtete Rosalie auf der Opernbühne einen bombastischen Steinbruch. Treppenstufen sind die bestimmende Form, die sich kreuz und quer über das Bühnentableau erstreckt. Stiehl verlagert den biblischen Mythos um Herodes-Tochter Salome, die sich aus Eifersucht den Kopf von Johannes dem Täufer (bei Strauss Jochanaan) auf einem Silberteller wünscht, in die Gegenwart. Herodes’ Handlanger tragen militärischen Camouflage, Salome High-Heels-Stiefel und Lederjacke.
Die musikalisch wie inhaltlich dichte Oper erweist sich als Blaupause für eine psychologisch aufgeladene Familientragödie. Stiehl fokussiert sich auf die zwischenmenschlichen Konflikte. Da ist zunächst der religiös konnotierte Konflikt zwischen Salome (Elisabet Strid) und Jochanaan (Tuomas Pursio), dann der Gewissenskonflikt des Hauptmanns Narraboth (Sergei Pisarev). Zu guter Letzt seziert Stiehl den Vater-Tochter-Konflikt zwischen der Protagonistin und Herodes (Michael Weinius) als auch die vor diesem Hintergrund offensichtlich werdende Kluft zwischen dem Tyrannen und seiner Gattin Herodias (Karin Lovelius). Was als visuell anreizendes Epos mit vielen Figuren auf der Bühne beginnt, mündet final in ein präzise durchchoreografiertes Drei-Personen-Kammerspiel, aus dem schlussendlich niemand als Gewinner hervorgeht.
Musikalisch erleben die Zuschauer einen Strauss-Abend allerhöchster Güte. Unter den Solisten ist Elisabet Strid eine Wucht. Die Performance der jungen Schwedin, die das Leipziger Publikum schon als Brünnhilde aus dem Ring kennt, ist das Highlight des Abends. Einerseits singt die Sopranistin die anspruchsvolle Partie technisch perfekt. Andererseits beweist sie schauspielerisches Talent, wenn sie die Salome als junge Frau spielt, die aus tiefster Kränkung mehr und mehr dem Wahn verfällt, zum Schluss sogar am Bühnenrand mit dem abgeschlagenen Kopf Jochanaans kuschelt. Ensemble-Mitglied Tuomas Pursio strahlt in seinen Auftritten als Jochanaan gesanglich wie körperlich Präsenz aus. Karin Lovelius gefällt als Herodias. Tenor Michael Weinius singt einen dunklen, dramatischen Herodes, vermag das Publikum nicht vollends zu überzeugen.
Ulf Schirmer projiziert die facettenreiche Partitur mit ihren zahllosen Motiven und Variationen vom Pult aus temporeich in den Saal. Die Balance zwischen Orchester und Solisten stimmt. Beinahe jedes Wort ist deutlich zu verstehen. Schirmer, ein Spezialist für das Strauss-Repertoire, interpretiert das Werk in einer erfreulich lebendigen Weise, weder übermäßig verspielt noch übernatürlich abstrakt bis artifiziell. Das kommt in Leipzig gut an. Der nicht enden wollende Schlussapplaus ebbt erst ab, als die Saalbeleuchtung angeht.
Salome
Richard Strauss
Oper Leipzig
Nächste Termine: 25.06., 14.10., 20.10.
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