LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus Ausgabe 37Das Schauspiel macht dem Theater der Jungen Welt die Jugendlichen und jungen Erwachsenen streitig. Das ist ein Ergebnis einer Zuschauerbefragung, die der kommunale Eigenbetrieb zwischen Dezember 2015 und April 2016 durchgeführt hat. Angesprochen wurde dabei das Publikum bei 42 Vorstellungen, verteilt über alle Spielstätten. Seit Enrico Lübbe 2013 das Schauspiel leitet, sind die Zuschauerzahlen wieder kontinuierlich gestiegen, was sicher auch die Stadtpolitik freuen dürfte.
Mit immerhin 15,5 Millionen Euro bezuschusst die Stadt Leipzig ihr größtes Theater im Jahr, Tendenz steigend durch Tariflohnentwicklungen und Instandhaltungskosten. So ist bereits jetzt für den kommenden Doppelhaushalt erneut eine Aufstockung für alle Kulturhäuser der Stadt in Höhe von knapp 3,7 Millionen geplant.
Ergebnisse der Befragung
In der abgelaufenen Saison 2015/16 besuchten über 120.000 Menschen die Vorstellungen in der Bosestraße und der Residenz auf dem Spinnereigelände. Die Auslastung stieg so binnen drei Spielzeiten von rund 60 auf satte 76,8 Prozent. Die Ergebnisse der Besucherbefragung bieten auf den ersten Blick Anlass für manche Überraschung. Viele ältere Leipziger scheinen um das Schauspiel einen Bogen zu machen. Über 60 Prozent der Befragten ist unter 45 Jahre alt. Knapp die Hälfte der Befragten war sogar unter 35.
Nur 19,25 Prozent waren 55 Jahre oder älter. Angestellte bildeten den stärksten Personenkreis, gefolgt von Studenten. Bei 61 Prozent der Befragten handelte es sich um Frauen. Die meisten Schauspielgäste sind überdurchschnittlich gut ausgebildet. 43,79 Prozent der Befragten mit akademischem Hintergrund gab an, ein geisteswissenschaftliches Fach studiert zu haben.
Viele Zuschauer wohnen im Westen oder Süden der Stadt. Die meisten Gäste besuchen laut der Erhebung ein bis drei Vorstellungen im Jahr. Nur 3,21 Prozent gaben an, ein Abonnement zu besitzen. An dieser Stelle besteht für das Schauspiel offensichtlich noch viel Ausbaupotenzial.
Bei der sonstigen Freizeitgestaltung belegen das Gewandhausorchester, die Oper und der Zoo in der Gunst der Schauspielgäste die vorderen drei Plätze. Das Interesse des Publikums an niveauvoller Unterhaltung schlägt sich in weiteren Zahlen nieder. Die Hälfte der Befragten teilte mit, gelegentlich Museen zu besuchen. Etwa 40 Prozent zieht es gelegentlich bis regelmäßig in klassische Konzerte, Oper- und Ballettaufführungen. Für Jazz-Konzerte und Sportveranstaltungen interessiert sich dagegen nur eine Minderheit.
Im Ranking der besuchten Festivals rangiert die Buchmesse mit Abstand auf Platz 1, gefolgt von dem DOK-Festival und dem Bach-Fest. Nur 162 Befragte gaben an, die euro-scene zu besuchen, die unter anderem in den Räumen des Schauspiels stattfindet. „Das Ergebnis freut und bestätigt mich und mein Team, den ‚Leipziger Weg‘, wie das Fachmagazin Theater der Zeit unsere Arbeit tituliert hat, weiterzuverfolgen und zu forcieren, als das programmatische Miteinander von antiken Texten und Uraufführungen, Vergangenheit und Gegenwart, Diskussion und Reflexion“, jubelte Intendant Enrico Lübbe angesichts der Ergebnisse.
Was verraten die Zahlen wirklich?
„Uns ging es darum festzustellen, wer unsere Besucher sind“, erläutert Verwaltungsdirektor Daniel Herrmann. Das Theater verzichtete bei der Durchführung der Erhebung bewusst auf die Zusammenarbeit mit einem externen Meinungsforschungsinstitut. Die Studie wurde von Mitarbeitern des Schauspiels erarbeitet. Der Abenddienst übernahm die Befragung der Besucher. „Es ging uns nicht darum, empirisch genau auf die Kommastelle Altersangaben zu erfassen. Uns ging es um ein Gesamtbild.“, betont Herrmann gegenüber der LEIPZIGER ZEITUNG. „Und es freut uns, dass unser Angebot anscheinend in der erfahrungsgemäß sehr schwer zu gewinnenden und zu haltenden Altersgruppe der 25-45 jährigen, die 40% unserer Besucher ausmachen, so gut angenommen wird.“
Das Ergebnis ist eine aufschlussreiche Momentaufnahme. Herrmann und seine Mitarbeiter stellten zu ihrer Überraschung fest, dass sich viele Zuschauer trotz Online-Zeitalter über klassische Medien wie Plakate oder Zeitungsinserate über den Spielplan informieren. Knapp ein Fünftel der Befragten besorgt sich seine Tickets erst kurz vor Vorstellungsbeginn an der Abendkasse. Da sich fast ein Viertel der Interviewten online mit Karten eindeckt, möchte Herrmann in den kommenden Monaten das Webticketing ausbauen.
Aus den Zahlen geht allerdings auch hervor, dass das Schauspiel kaum noch über Abonnenten verfügt. Herrmann bezifferte deren Zahl gegenüber der LZ auf gerade noch 600. Davon hätten jedoch 300 ein Kombiabo mit der Oper abgeschlossen. Die Startposition in diesem Sektor scheint jedoch beim Intendantenwechsel am kritischsten gewesen zu sein. „Die Abonnentenzahl ist seit dem Intendantenwechsel zu Herrn Lübbe jedoch wieder deutlich gewachsen, als fast alle Abonnenten dem Haus den Rücken gekehrt hatten.“, so Herrmann. Starken Zuspruch fände darüber hinaus die Schauspiel-Card.
Die Rabattkarte kostet einmalig 50 Euro und gewährt dem Besitzer ein Jahr lang saftige Ermäßigungen für alle Spielstätten. „Die Schauspiel-Card macht einen großen Anteil an unseren rabattierten Karten aus“, berichtet Herrmann. In Zukunft möchte das Schauspiel allerdings auch die klassischen Abomodelle neu konzeptionieren, um mehr Gäste ans Haus zu binden.
Die Besucherbefragung des Schauspiel Leipzig (PDF zum Download)
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