Im Hof geht es jetzt manchmal laut zu am Anfang des Brühls, am Richard-Wagner-Platz, der beinahe schon zum Refugee-Welcome-Place werden sollte, gegenüber der Blechbüchse der „Höfe am Brühl“. Mittwochabend probte das Theater fact erstmals im Scheinwerferlicht, das gerade noch programmiert wurde.
Da saßen Kostüme und Maske schon perfekt, Requisiten lagen an Ort und Stelle zum Einsatz bereit. Musik ertönte aus der Konserve. Neugierige Touristen und Einheimische lugten in den Hof und verschwanden, bevor man sie hätte einbeziehen können…
Ein paar Tage zuvor rankte der Wein noch üppig auf die Häupter der Passanten, die nun wie in einer Weinlaube sitzen vor der Fassade des Restaurants Wagners, das früher mal Restaurant Neuberin hieß. Nun hat sich der Hof ein bisschen verwandelt, als hätte er sich dem Stück angepasst. Obwohl es laut Shakespeare in Italien spielt.
Hof-Theater
Shakespeares „Die beiden Veroneser“ steht auf dem Spielplan des Theaters fact. Es ist der 20. Theatersommer mit der 30. Sommer-Theater-Inszenierung. Und diese Saison sollte beinahe ausfallen, weil man den Schauspielern mit den Baustellen in Barthels und Webers Hof das Bühnen-Pflaster abgegraben hatte.
So wurde nichts aus dem Plan, mit dem „Raub der Sabinerinnen“ das Theaterstückschreiben und -spielen selbst zum Thema eines Lustspiels zu machen. Es fand sich ein anderer schöner, aber kleinerer Leipziger Hof, der vermutlich schon lange kein Theater mehr gesehen hat. Wieder stehen sich die Zuschauerreihen gegenüber, diesmal an den Schmalseiten des Hofes, nicht längs wie in der Hainstraße 3.
Nebenbei: Wie sich Regie und Schauspieler auf diese Tücken einstellen können, spielerisch und akustisch, sowohl in der einen als auch in der anderen Variante, bleibt auch beim Probenbesuch ein Geheimnis. Platznot ist man dabei gewöhnt, die erste Aufführung von „Lysistrate“ war in der noch kleineren Handwerkerpassage…
Shakespeare auf den Punkt gebracht
Warum sollten sich die beiden Herren aus Verona nicht auch in Leipzig treffen können, und wie sollte es anders sein: die Handlung beginnt im Wirtshaus mit einem Männer-Wettkampf beim Fechten, Armdrücken und Trinken. Der Eine ist eigentlich eine Frau, und ihr blieb keine andere Möglichkeit, um in Verona zu studieren. Was der Andere aber scheinbar nicht merkt. Und bei der Schwärmerei und Liebelei bleibt es nicht, aber erlaubt ist es auch nicht, dass ein Mann einen Mann liebt, also: Flucht! Und schon droht Verfolgung!
Denn hier hat die Version des Theaters fact dem alten Shakespeare schon mal etwas nachgeholfen, einen Extra-Fall – oder auch eine Falle – eingebaut und eine handelnde Person entzogen. Ein paar Probleme auch. Hier kommt man schnell auf den Punkt, auf einen gemeinsamen Nenner: Soll doch lieben, wo man einander lieben will.
Sprachlich-stilistisch gehen Textfassung und Schauspieler mit der Zeit, als würde es darum gehen, gut verstanden zu werden. Sprach-musikalische Qualitäten, Zitate von sonst woher eingeschlossen. Man könnte auch ein Zitate-Quiz draus machen.
Von Mann zu Mann
Dass zu Shakespeares Zeiten sowieso nur Männer auf der Bühne standen, die Frauenrollen von Knaben vor dem Stimmbruch gespielt wurden, muss die Sache damals noch viel künstlicher gemacht haben. Wir reisen eben auch nach Florenz, und nicht in die Wälder zwischen Mantua und Mailand und müssen uns von Räubern überfallen lassen.
Wo ist Shakespeares Wald, wo sind die Räuber? Der Wald ist der Leipziger Großstadtdschungel und wo gibt’s denn noch so was wie Räuber? Aus dem Hund, Star der Aufführung in Stratford-upon-Avon 2014, und bestimmt nicht nur da, ist in Leipzig ein Vogel samt Käfig geworden. Zur Probe krähte auch irgendwie ein Hahn… Aber das, und nicht nur das, kann ja zur Premiere schon wieder anders sein.
Shakespeare, Neuberin
Als Spielort ist das Haus „Großer Blumenberg“ eine historische Adresse. „Im Jahr 1727 gründete Friederike Caroline Neuberin,“ so weiß es das superschlaue Lexikon, die Neuber’sche Komödiantengesellschaft. Im selben Jahr erhielt sie das sächsische Hofprivileg, in Leipzig ein feststehendes Theater im Haus Großer Blumenberg am Brühl zu errichten.“ Anstelle des klassizistischen Baus, der in den letzten Jahrzehnten auch schon mal eine Fassade anfangs in einer Art Rosa, später Lila-Grau hatte, stand schon in der Renaissance ein Gebäude. Als Besitzer wurde 1525 Tiburtius Blumberg genannt.
Badehaus und Theatersaal
Im selben Lexikon steht es unter dem Stichwort des Hausnamens allerdings etwas anders: „Den Platz Richtung Rannisches Tor entlang schloss sich an den großen Blumenberg das Rannische Badehaus an. Hier diente der Färberboden eines Böttchermeisters bis 1776 als Theatersaal. Friederike Caroline Neuber spielte hier in der Saison 1749/1750 die letzten ihrer Leipziger Vorstellungen.“
So kurz und knapp und mehrdeutig sind Enzyklopädien-Texte heute. Verbergen absichtlich oder enthalten verborgene Geschichte und Geschichten. Zwei Jahrhunderte vorher, also nach 1525, betrieb der Baumeister und Kaufmann Hieronymus Lotter hier ein öffentliches Badehaus. Lotter soll auch einen Vogel gehabt haben. Einen Kanarienvogel. Aber das ist vielleicht ein anderes Theaterstück.
Vom Gebäude des Alten Theaters, auf den Grundmauern der alten Stadtbefestigung 1766 erbaut, zerstört 1943, ganz abgesehen.
Kostüm-Nonchalance
Ev Schreiber hat Shakespeares „Two Gentlemen of Verona“ textlich kurz gefasst, inszeniert, das Bühnenbild des Hofes oder den Hof der Handlung angepasst und die Kostüme schön altmodisch gestaltet, zwischen Nonchalance und Eleganz einer alten Zeit, irgendwann zwischen Stratford-upon-Avon und Höfen am Brühl.
Dann wünschen wir mal schönes Wetter, zumindest dienstags bis sonntags abends und das bis Ende August.
Es spielen Lara- Rebecca Müller, Sabrina Kohl, Anna-Karoline Schiela, Uwe Kraus,
Simeon Johannes Wutte.
Premiere ist am 9. Juli 2016, Vorstellungen bis zum 31.08. dienstags bis sonntags 21:00 Uhr.
Kartentelefon: 0341 961 40 80
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