Ein Stück darf auf den Spielplänen der Opernhäuser der Republik auf keinen Fall fehlen. Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" ist das Werk schlechthin, um das ganz junge Publikum mit dem Medium vertraut zu machen. Bei der Wiederaufnahme von Birgit Eckenwebers Hexen-Klamauk aus dem Jahr 2010 hatten am Sonntag nicht nur die Zuschauer ihren Spaß.
An vielen Häusern fristet die Märchenoper ein Nischendasein. Steht “Hänsel und Gretel” auf dem Spielplan, schlägt oft die Stunde der Sänger aus der zweiten und dritten Reihe des Ensembles. Das Märchenspiel in wagnerscher Tradition ist kein Stoff für die Netrebkos und Kaufmanns dieser Welt. Große Dirigenten machen um das Werk vorzugsweise einen weiten Bogen. Anders in Leipzig. Hier steht Intendant Ulf Schirmer höchstpersönlich am Pult, der fernab jeglicher Klangexperimente den Geist des Werks zum Leben zu erwecken weiß.
Erwischt man die richtige Vorstellung, erlebt man in Leipzig sogar die erste Sängergarde des Ensembles. Shootingstar Olena Tokar zelebrierte am Sonntagnachmittag die Gretel-Partie mit einer Hingabe, als würde sie gerade die Hauptrolle in einem großen Verdi-Abend singen. Sandra Janke wirkte als Hänsel angesichts der überwältigenden Darbietung ihrer Bühnenpartnerin trotz eines starken Auftritts fast ein wenig blass. Karin Lovelius, die kurzfristig für die erkrankte Kathrin Göring eingesprungen war, legte einen spielerisch wie stimmlich überzeugenden Auftritt als strenge Mutter hin, die die Kinder zum Beerensammeln in den Wald jagt. Dass sie die Partie schon in der Vormittagsvorstellung gesungen hatte, war ihr kein bisschen anzumerken.
Jürgen Kurth (Peter) und Nora Lentner (Sandmännchen, Taumännchen) sangen ihre Partien gewohnt zuverlässig. Gewinner des Nachmittags war allerdings Keith Bold, der die böse Knusperhexe nicht nur brillant gesungen, sondern die Rolle auch mit spürbarem Spaß an der Sache verkörpert hat. Im rosaroten Hexenkostüm, natürlich stilecht mit Hakennase, hüpfte und tanzte der Tenor zu Humperdincks Melodien über Alexander Mudlagks Bilderbuchbühne.
Anders als an vielen westdeutschen Häusern ist in Leipzig eine erfrischend moderne Inszenierung zu sehen, die stark von der zeitgenössischen Märchen- und Fantasy-Ästhetik beeinflusst ist. Eckenweber trägt den spätromantischen Märchenstoff in einer farbenfrohen Bildsprache hinein ins frühe 21. Jahrhundert. Eingefleischte Fans der Leipziger Oper wissen längst, dass sie hier eine der besseren Inszenierungen aus dem breiten Repertoire des Hauses zu sehen bekommen.
Oper Leipzig
Hänsel und Gretel
Engelbert Humperdinck
Nächste Termine: 29.11., 6.12. (2 Vorstellungen), 16.12.
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