In Leipzigs Musikalischer Komödie ist "Romeo und Julia" ein Renner geworden, denn es sollte unbedingt ein Stück für junge Leute werden. Doch dem Haus haftete der Ruf eines älteren Stammpublikums an. Das ist inzwischen anders geworden. Dieser Tage beschäftigt den Leipziger MuKo-Ballettchef Mirko Mahr "Eine Nacht in Venedig" vor der Premiere am 09.07.2015 am Neusiedler See im österreichischen Mörbisch.

Und sein nächstes Ballett in Leipzig wird “Carmen” sein. Mirko Mahr sieht schon im Kopf, in Zeichnungen und Planungen des Hauses, wie es dann auf der Bühne an der Dreilindenstraße mit spanischem Temperament zugehen wird.  Romeo und Julia trafen sich beim Engländer William Shakespeare im Sommer im norditalienischen Verona… So klein und auch groß ist die Welt, wie man sie sich auf Brettern gern vorstellt. Fehlt noch in der Auflistung, dass das MuKo-Ballett zum Leipziger Stadtfest neulich in der “Tribute Night” auf dem Nikolaikirchhof auftrat, und auch nächstes Jahr wieder dabei sein soll.

Achterbahn der Gefühle von der Bühne in den Saal

Es war ja Mirko Mahrs Fassung vom Lieben und Leiden Julias und Romeos, nicht eine überlieferte Choreographie, und auch die Orchesterpartitur hatte Änderungen. In der baulich noch immer ramponiert wirkenden MuKo stand auf der Bühne ein vergessener Rummelplatz, die Burg-Kulisse samt Rutsche wurde zum Balkon. Was Ballett und Orchester in dieser Show anstellten, hatte Druck und Drive. Zusätzliche Vorstellungen wurden eingeplant, und im Oktober geht es weiter.

Eine Leipziger Lehrerin schwärmte vom Theaterabend und ihren begeisterten Schülern. Die sind aber auch an Theater längst gewöhnt. Es waren die Schülerinnen, die dahin wollten, niemand wurde gezwungen. “Sie machten sich auch fein dafür”, freute sich die Lehrerin. Und zum Dank bekamen sie als Einstimmung einen Einblick ins Aufwärm-Programm vor der Vorstellung und sprachen mit den Akteuren. Es interessierte sie auch, ob Tänzer ein Six-Pack haben. Und der Romeo-Darsteller hob zum Beweis das T-Shirt an… Man wird das künftig sicher nicht so bestellen können, aber hier war es ein Gruß von Mensch zu Mensch.

Ist das wichtig? Ja, denn es bedeutet gegenseitige Anerkennung der Arbeit. Die Mädels werden das Theater-Virus hoffentlich nie wieder los. Die symbolisch gedachte Achterbahnfahrt der Gefühle hat funktioniert und ist von der Bühne über den Orchestergraben im Publikum angekommen.

Ballettchef Mirko Mahr hatte vor Jahren die Idee zu “Romeo und Julia” seiner Leitung angeboten, durchgesetzt und herausgebracht. Die Theaterkassiererinnen dürften daran auch ihre Freude haben. Und die Musikalische Komödie zieht neue Publikums-Jahrgänge an. Nicht erst seit dem “RING für Kinder” finden sich mehrere Generationen im Saale ein. (Bei Begriffen und Titeln hat das Theater Entwicklungsbedarf, denn “Freischütz für Kinder” sollte man nicht sagen…)

Das Ballett als Hauptdarsteller

Mit Mirko Mahrs Film-Sound-Ballett-Abend “Dancing Movies” und dem “Aschenputtel” hatte eine imposante Ballett-Reihe begonnen. Stefan Diederich als Musikalischer Leiter und das Orchester der Musikalischen Komödie waren die richtigen Partner dafür. Aus dem Wagnis wurde ein Volltreffer.

Ballettabende in der Muko gab es doch schon mal, erzählten ältere Theaterfans, “Die sieben Todsünden der Kleinbürger”, die Person der Anna 2 verkörperte das Ballett. Vielleicht gibt’s das auch mal wieder? Wenn sich die Leipziger Stadt-Musik-Bühnen weiterhin so die Bälle zuwerfen? Und im Opernhaus gab es ja “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny”, ebenfalls von Bertolt Brecht und Kurt Weill.

Eine “West Side Story” zeigte man vor etlichen Jahren im Opernhaus, dann als Aufführung in der Dreilindenstraße, zuletzt eine Gastspiel-Tourneeproduktion am Augustusplatz und nun in Mario Schröders neuer Version. Shakespeares “Romeo und Julia” amerikanisch-modern gefasst, werden in der “West Side Story” aus den verfeindeten Familien rivalisierende Gangs.

Mirko Mahr als Graf Montague in "Romeo und Julia" auf der Bühne der Musikalischen Komödie. Foto: Kirsten Nijhof
Mirko Mahr als Graf Montague in “Romeo und Julia” auf der Bühne der Musikalischen Komödie. Foto: Kirsten Nijhof

Graf Montague … Mirko Mahr

Dass er wieder als Tänzer auf der Bühne steht, hatte Mirko Mahr eigentlich nicht vor. “Aber, meint er, “der alte Graf Montague muss ein älterer Charakter sein!” Und weil alle 15 Tänzer plus Gäste schon im Einsatz waren, wurde der Choreograf zum 20. Darsteller des Abends.

Zwischen Ballettsaal und Bühne warten täglich noch die Büros im Opernhaus und in der Musikalischen Komödie. Da nimmt ihm auch kein Team Kommunikation und Entscheidungen ab, bevor er sich mit Torsten Rose, dem Betriebsleiter der Musikalischen Komödie, verständigt. Denn das Personal ändert sich, was Mirko Mahr normal findet: “Irgendwas ist immer, jemand will gehen, bewirbt sich woanders, mancher kommt wieder.” Corinna Dehne ist als Assistentin und Trainingsmeisterin wichtigste Partnerin von Mirko Mahr, sie betreut das Repertoire und alle erdenklichen Neueinstudierungen…

Vom Tänzer zum tanzen lassen

Mirko Mahrs Laufbahn ist eine Leipziger Karriere. Als Schüler an der Leipziger Fachschule für Tanz hatte der gebürtige Bautzner auch Leipzigs Opernhaus vor, hinter und auf der Bühne kennengelernt. Er wollte auch nicht weg. Sechs Jahre lang choreografierte er schon für die Tänzer-Kollegen. Mit dem ersten Stück “Sog” für den Solisten Michael Goldhahn. Mit dem Duett “Das Ich” für zwei Tänzer in Trikots mit einem gemeinsamen Ärmel, getanzt von Michael Goldhahn und Gabor Zsitva, reiste er auch zum Festival Junger Choreografen nach Paris. Danach folgte eine dreiteilige Arbeit mit Tango-Temperament.

Als sich dann die Chance bot, Leiter des Balletts der Musikalischen Komödie zu werden, war Mirko Mahr auch der Richtige am richtigen Ort. Bei “Zar und Zimmermann” zum Beispiel wirbeln nicht die Tänzer die Holzschuhe, sondern der Chor macht sich ballettverdächtig. Für das Ballett der Musikalischen Komödie choreografierte er eine “Balkanhochzeit” im Kellertheater des Opernhauses.

In Traditionen kreativ zu sein, liegt Mirko Mahr, so war das auch schon vor Jahren beim “Schwarzwaldmädel” – aufgeführt auf Tourneen und vornehmlich im Schwarzwald! Meist auf großen und sehr großen Bühnen.

Beinahe ohne räumliche Trennung begegneten Cottbusser Theaterbesucher Frank Sinatras Lebensschicksal und seiner Musik, die im Nachtbar-Bühnenbild gespielt wurde. So nah sich Tänzer und Besucher bzw. Zeugen waren, so wenig fern und so rau wirkte die Geschichte.

Der Chef tanzt vor

Wie Mirko Mahr das heute mit einem großen Ensemble macht, seine Ideen umzusetzen, also in die Tänzer zu bringen, kann man per Internet im Video aus dem Mörbischen Ballettsaal sehen. Da ist die Kopfarbeit längst getan, Mirko Mahr steht vorn am Spiegel und hinter ihm im Saal trainieren 40 Tänzer die Schritte, Bewegungen, Rhythmus bis in die Zehen- und Fingerspitzen. Jedem Kommando, das der Chef gibt, folgt seine Bewegung.

Mörbisch: 6.000 Zuschauer, 2.500 Quadratmeter Bühne

“Wenn ich mal in Mörbisch bin, habe ich es geschafft!”, hat Mirko Mahr vor Jahren gesagt. Ob das nun damals ernst gemeint war, ist jetzt egal, da lacht er so oder so heute drüber. Denn die Proben laufen längst, der Kartenverkauf läuft floriert.

Wenn man Mörbischs Freilicht-Theater der Seefestspiele noch nicht selbst besucht hat, fielen einem Theaterfan bestimmt Fotos in “Festival”-Zeitschriften oder Zeitungsnachrichten auf.

Intendantin Dagmar Schellenberger, im sächsischen Oschatz geboren, sang schon in Leipziger Inszenierungen, so die Partie der Maria in der “West Side Story” im Opernhaus. Mirko Mahr war damals Tänzer in einer der verfeindeten Gangs. Kammersängerin Dagmar Schöneberger pflegt nun in Österreich ein spezielles Erbe: Operette, heiteres Musiktheater. Dem “Bettelstudenten” folgte in der Saison 2014 “Anatevka”.

Mörbischs Festival in Fakten: 6.000 Zuschauer je Vorstellung, 2.500 Quadratmeter Bühne, für Orchester und Chor gibt es ein Extra-Haus, aus dem der Ton übertragen wird. Karl Absenger führt bei der “Nacht in Venedig” Regie, der auch schon in Leipzig inszeniert hat. Extra für die Produktion wurde ein neues Ballett gecastet, Mirko Mahr wählte schon vor Monaten aus 110 Bewerbern 40 Damen und Herren aus, nur einige wenige kannten sich aus früherer Zusammenarbeit. “Sie sind alles Profis, es sind Ballettsolisten aus Prag und Bratislava dabei”, lobte Mirko Mahr seine Mannschaft, die wie er selbst wegen bestehender Engagements zunächst nur an den Wochenenden in Mörbisch zusammenkam.

Romeo und Julia treffen sich auf einem kaputten Rummeplatz. Vom Burgturm geht es über die Rutsche auf die Achterbahn der Gefühle. Foto: Kirsten Nijhof
Romeo und Julia treffen sich auf einem kaputten Rummeplatz. Vom Burgturm geht es über die Rutsche auf die Achterbahn der Gefühle. Foto: Kirsten Nijhof

Kreuzfahrtschiff und Kaiserwalzer

Nun wurde im Mörbischen Open-Air-Theater noch eine Drehbühne montiert, ein Bauwerk, das gigantische Bühnenbilder wechseln kann. Als Traumszene verwandeln sich die Fassaden Venedigs mit einer Bühnendrehung zu einem Kreuzfahrtschiff, das quasi am Neusiedlersee vor Anker liegt. Und irgendwie hinein soll man auch noch sehen können… Es soll keine Parodie auf die oft totgesagte und doch quicklebendige sogenannte silberne Wiener Operette werden, sondern ein Theaterspektakel. Hier meinen es alle absolut ernst mit dem Genre der Operette, der aus dem Ernst des Lebens geborenen Komödie, Festival als Kunst und Geschäft für den Tourismus einer Region. “Es wird auch einen ‚Kaiserwalzer’ geben, verrät Mirko Mahr vorab, dann, wenn auf dem Schiff ein Ball stattfindet.

Wie üblich wird auch die Intendantin und Kammersängerin Dagmar Schellenberger  mitwirken und die Partie der Barbara singen. Im Herbst steht sie dann wieder in Salzburg auf der Bühne des Landestheaters, zum Beispiel als Mutter Oberin in “Sound of Music”.

Neues in der Dreilindenstraße

Wie es in Leipzig in der Musikalischen Komödie auf, hinter und unter der Bühne aussieht, konnten Besucher zufällig oder bewusst bei Halloween-Expeditionen kennenlernen, wenn sie einfach mal genau hinsahen. Wenigstens für die Lager- und Garderobenräume wird nun Abhilfe in einem Nachbarhaus geschaffen, in dem längst Richtfest war. “Zu Beginn der neuen Spielzeit sollen Fundus- und Probenräume fertig sein”, hofft auch der Ballettchef Mirko Mahr.

Acht Damen und sieben Herren hat das MuKo-Ballett in der nächsten Saison unter Vertrag. Und beim “Carmen”-Ballett muss auch ein bühnengerechter Stier auf der Bühne zu sehen sein! Mirko Mahr sowie die Bühnen- und Kostümbildner wissen schon, wie er erscheinen und aussehen soll. Es wird wieder eine Uraufführung sein, natürlich eine neue Choreografie von Mirko Mahr, nach einem neu zusammengestellten musikalischen Konzept, das auf Bizets “Carmen”-Suite beruht und Musik von Radion Konstantinowitsch Schtschedrin verwendet. Mehr wird noch nicht verraten. “Tänzer und Chor werden voll im Einsatz sein”, kündigt Mirko Mahr lachend an.

Leipziger in Berlin

Nicht nur “Frau Luna”, Paul Linckes Reise aus Alt-Berlin zum Mond, läuft in Leipzig, auch das Ballett reist nach Berlin! Schon regelmäßig wirken die Damen und Herren in der “First Night” auf dem Gendarmenmarkt am 2. Juli mit. Gar nicht weit weg von der Leipziger Straße in Berlin. Der RBB überträgt am 15. Juli 2015.

Man muss keine Angst bekommen, wenn man hören sollte, dass Mirko Mahr ins Krankenhaus muss. Die Sachsenklinik der MDR-Serie “In aller Freundschaft” lud ihn ein, zwar zum Mitspielen, aber nicht als Patient. Sendetermin: 28. Juli 2015.

Aufführungen in Mörbisch am Neusiedler See vom 9. Juli bis 2. August 2015
Trailer mit Making off und Mirko Mahr bei Proben im Internet, u. a.
http://www.seefestspiele-moerbisch.at.

Premiere der “Carmen” in der Musikalischen Komödie Leipzig am 26.02.2016.
http://www.oper-leipzig.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar