Nacht und Traum. Erscheinen und Verschwinden. Illusion und Irritation. Julian Rauter hat in Zusammenarbeit mit Bühnentechniker und Lichtdesigner Jakob Bauer und Performerin Katrin Wiedemann eine Theaterinstallation zusammengestellt, die sich harmonisch in die aktuelle Ausstellung DIS APPERANCE des Westpol a.i.r. Space fügt. Irritierend ist die 45-minütige Bewegungslosigkeit der vermeintlichen Protagonisten für das uninformierte Gehirn des ahnungslosen Zuschauers. Etwa 25 Minuten dauert es, bis jedem Zuschauer klar sein wird, hier geht es nicht um den menschlichen Körper in der Mitte der Halle. Medienkünstler Julian Rauter erklärt worum es geht.

Die Ausgangsfrage für Rauter ist folgende: Was passiert, wenn im Mittelpunkt der Handlung Nebelfiguren stehen und der menschliche Körper nur als Statist fungiert?

Entstanden ist ein Theaterstück sondergleichen, das nicht mehr benötigt als eine Nebelmaschine, eine Toncollage, Licht und eine bewegungslose Darstellerin. Für die Dauer von drei Tagen, während des Lindenow, war die Installation Element der Ausstellung zum Thema An- und Abwesenheit, Erscheinen und Verschwinden und menschliche Vergänglichkeit.

“Der Grundgedanke war dabei die körperliche Bewegung des Menschen auszulagern und in den Nebel zu übersetzen”, erklärt der Wahl-Leipziger Rauter.

Rauters Theaterinstallation lädt ein zum Bewegen. Der Zuschauer darf, ja soll sich sogar frei im Raum bewegen, die Nebelfiguren aus allen Blickwinkeln betrachten und beobachten wie sie aufsteigen, im besten Fall in der Luft stehen bleiben und wieder verschwinden. Als bewegungslose, körperliche Referenz dazu, liegt die Darstellerin Katrin Wiedemann auf einer weißen Fläche auf dem Hallenboden, eingehüllt in Licht und Ton, über ihr der Nebel und bis zum Schluss unbewegt. “Es könnte auch zu leicht psychedelischen Zuständen führen, sich 45 Minuten lang nur auf den Körper der Darstellerin zu konzentrieren”, witzelt Rauter.
Die zeitweise fast beängstigende Atmosphäre im Raum entsteht insbesondere durch die Zusammenstellung verschiedener Tonszenen aus dem privaten Filmsamplearchiv des Künstlers. Atmosphärische Körperthematisierung durch Ton, das heißt Geräusche wie Schluchzen, Schreien, Weinen, Lachen, Köpergeräusche aber auch Dialog- und Monologszenen. Die Samples bieten eine Fahrt durch die Hollywoodklassiker seit Beginn des Tonfilms. Darunter beispielsweise Ausschnitte der Oscar-prämierten Hamlet-Verfilmung mit Laurence Olivier von 1948, die mit der Frage nach der Existenz, dem Sein und Nicht-Sein nicht besser zum Thema Anwesenheit und Abwesenheit passen könnte. Eben solche Anziehung wie die Figur des Hamlet, bewirkt auch Schriftsteller und Nobelpreisträger Samuel Beckett auf den Theaterinstallateur. Szenen aus Das letzte Band und Warten auf Godot schaffen mit dem endlosen Warten des Menschen auf wiederum das Warten, eine weitere thematische Verknüpfung – Warten auf das Sein, auf Erscheinen und Verschwinden.

Bereits im letzten Jahr, während der ersten Ausstellung zum Thema DIS APPERANCE, gab es eine Installation von Julian Rauter zu sehen. 2013 stand mit Arbeiten der Bildenden Kunst das Zeitliche, das transitorische Moment im Mittelpunkt. Dazu installierte Rauter ein im Raum präsentes und manifestes Objekt in Form eines Kubus. In diesem eine Landschaft und sich darin befindende Senioren. Dieses Jahr stand der Schauplatz, ein konkreter Ort im Zentrum der Ausstellung des Westpol a.i.r. Space. Rauter hingegen wollte mit seiner diesjährigen Installation in die andere Richtung arbeiten, für ihn war die Kurzlebigkeit, Bewegung und Auflösung der Kern des Gedanken. Neben diesem Gedanken war ihm im Stück aber auch wichtig, sich mit dem menschlichen Körper in all seinen emotionalen und psychischen Fassetten auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung wird, wie erwähnt, besonders durch die Toncollage getragen.

Für Rauter stehen die Figur des Hamlet und der Schriftsteller Samuel Beckett aus künstlerischer und privater Sicht besonders für das Bild der Bewegungslosigkeit. Die Frage nach dem Sinn der Existenz des Hamlet und die Thematisierung des ewigen Wartens durch Samuel Beckett, machen den Zusammenhang deutlich und geben Raum für weitere Interpretation des Zuschauers.

Die Monatszeitung 3Viertel ist unter Anderem in den Vierteln Plagwitz, Lindenau, Schleußig, Connewitz und Leutzsch an vielen Stellen frei erhältlich.
Wenn Sie sichergehen wollen, dass Sie die Zeitung auch erhalten, können Sie sich diese gegen eine monatliche Schutzgebühr von zwei Euro nach Hause liefern lassen. Anfragen senden Sie bitte direkt an die Redaktion: info@3viertel.de

Zum Stadtmagazin 3Viertel im Netz
www.3viertel.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar