Rund 150 Kinder und einige Erwachsene stehen vor einer Bretterbude Schlange, drinnen sitzen sich auf Tribünen die Zuschauer und das Orchester gegenüber. Dazwischen steht ein Podest, flankiert von Rahmen mit Vorhängen, mehr Bühnenbild ist nicht nötig, man kann die Kulissen-Rahmen diverse Male umparken und mit Scheinwerfern Räume bauen und Blickwinkel schaffen. Alles Spielerische schafft die hereintobende Truppe eines fast durchweg anwesenden Kinderchores.
Auf wahrlich engem Raum agieren Darsteller, die sonst die große Festspielhausbühne füllen können. Christiane Kohl als Elsa und Alexandra Peterskamer als Ortrud geben dem eher menschlich als fabelhaft angelegten Lohengrin von Norbert Ernst die Grenzen vor. Ach ja, und er muss sich doch befragen lassen, wo er denn herkomme.
Sprichwörtlich gesagt: Man muss ja so was wissen, um einschätzen zu können, ob jemand selbst gerade seien Herkunft vergessen habe.
Hauptperson Schwan
Ein Kind spielt den Schwan, der immer mal wieder vorbeikommt und zur Bühne schaut, ob er denn dran sei, ob er im Spiele wäre; guckt, staunt, zieht weiter oder bleibt. Das ist eine großartige Funktionsweise, und anders als ein halbnacktes schmächtiges Kind auf einer Bühne preiszugeben. Freilich ist der Schwan zunächst Teil eines rasanten Mobiles, ein Gruß hinauf in Hans Neuenfels’ “Lohengrin”-Inszenierung, in der es einen schwarz-glänzenden Oldtimer gibt! Dem Frank Castorf dann noch in seinem “Rind” eine Edel-Limousine und einen Wohnwagen folgen ließ.
Kinder spielen, sehen Spiel
Wagners Vater und Stiefvater hatten sich als Hobby oder Beruf dem dramatischen Spiel verschrieben, das färbte auf die Kinder ab, und die Familie war sowieso mindestens seit Kirchenkantorszeiten Musik- und Schauspiel-Aufführungen gewohnt. Wenn schon Richards “Leubald” seine Fantasien erahnen und ausufern ließ, brilliert die erzählerische Disziplin. Die Kurzfassung für gut 75 Minuten von Daniel Weber mit der musikalischen Bearbeitung von Marko Zdralek und in der Inszenierung Maria-Magdalena Kwaschiks lässt eigentlich nichts weg, kreiert aber ein Kraftzentrum das im Publikum erstaunliche Konzentration und Ruhe schafft. Um so prächtiger entlädt sich ein Finale aus donnerndem Applaus und Füßetrampeln.
Vorkenntnisse haben einige, denn Schulklassen haben sich mit den Kostümen befasst, eine wunderbare Erfindung dieses “Wagner-für-Kinder”-Projekts, das nun schon seinen sechsten Jahrgang feiert. Bühnenbildner Alexander Schulz scheint genau gewusst zu haben , was hier in der kargen Halle alles und in welchen Varianten schon aufgebaut war, denn er beschränkt sich wie bei einem Jahrmarktstheater uralter Zeiten.
Hinter dem Spielraum sitzt das Orchester, immerhin 30 Damen und Herren des schon bayreutherfahrenen Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder), der Dirigent Boris Schäfer hat das Geschehen im Rücken, Kameras und Monitore übertragen ihn über die Köpfe der Zuschauer, was die Sänger eher ablenken dürfte. Als “Blindflug” hat es eine frühere Solistin mal bezeichnet, als “aufregender als im großen Haus”.
Am Ausgang gibt es nun Überraschungseier, nicht mehr wie voriges Jahr zur beziehungsreichen Auswahl Liebes- oder Todestrank-Tropfen. Leider hat das Projekt nur zehn Vorstellungen. Doch Konzept, Bearbeitung des Textes und der Musik und Inszenierung sind repertoiretauglich für vielerlei Bühnen. Und es wäre ein raffinierter Trick, das Publikum statistisch zu verjüngen…
Vor sechs Jahren hat man in Bayreuth angefangen mit einem “Holländer”, der tatsächlich zwei Schiffe stilisierte, der “Tannhäuser” nahm mit einfachen Mitteln vorweg, was später auf der großen Bühne zur Materialschlacht wurde, nämlich die Wartburg als Internat mit Gesangswettbewerb zu zeigen. Den “Ring” gab es in einem Simultanbühnenbild rund um das Orchester, in den “Meistersinger” genügten Kreide und Tafeln um ganz Nürnberg abzubilden, bei “Tristan und Isolde” saß das Publikum mit auf dem großen hölzernen Schiff und alle waren Zeugen….
“Lohengrin” ist ab September als DVD zu haben. DVDs früherer Produktionen “Wagner für Kinder” sind bei der BF Medien GmbH online erhältlich.
Es folgt noch ein Theaterbrief aus Bayreuth:
“Die Weltzeituhr dreht sich in Berlin – Frank Castorfs satirische Version vom ?Ring des Nibelungen’.
Keine Kommentare bisher