Es dreht sich mal schneller mal langsamer auf der Bühne des dritten großen Schiller-Dramas um Stand, Besitz, Dünkel und Karriere. Der Bürgermusikant (Matthias Hummitzsch) tönt zu Beginn, wird gegenüber seiner Frau (Ellen Hellwig) laut und lauter im trauten Heim ("Ich heiße Miller!"), um im nächsten Moment vor der Autorität zu wanken und zu weichen. Präsidial und satt kommt sie daher, Walther Senior (großartig: Andreas Keller), sicher in der Erwartung willensschwacher Untertanen. Nur einer wagt sich gegen diese Arroganz der Macht zu wehren. Der Sohn, Ferdinand (Sebastian Tessenow), erklärt sich wortreich - nicht immer verständlich - warum er sie liebt.
Und lieben will er sie, seine Luise (Pina Bergemann), zumindest gibt er das vor. Die Gegenspieler wissen, wie man sie fängt, die “Rebellen der Liebe”, die rasenden Kräfte der Natur. Sie wissen, was Liebenden die Aufrichtigkeit eines befreienden Gefühls bedeutet: “Uns nichts. Dieser Menschenart alles.”
Regisseur Schmiedleitner hat eine handwerklich saubere Inszenierung vorgelegt, man spürt das Bemühen, die zahlreich erschienenen Zuschauer zu erreichen, ihnen ein Angebot zu machen, die Tragik der einzelnen Figuren selbst zu erfassen. Sie werden historisch entstaubt, beinahe satirisch überzeichnet, dadurch gegenwärtiger. Bisweilen gefährlich nah an der Karikatur.
Sensibel wird jedoch der Versuch unternommen, den schwierigen Weg zwischen dramatischem Kern, der Mesalliance zwischen den spätfeudalen Ständen und zeitlos-charakterlichen Hüllen zu finden. Dies schafft Präsenz der Akteure, das Bühnengeschehen lebt von der Dichte in den Dialogen, lässt die Schwere der einzelnen Schicksale und den klassischen Tragödienverlauf auf den sich drehenden Segmenten leicht und gut mitverfolgen. (Auch dies macht das Stück theaterpädagogisch interessant.)
“Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.” Trotzig wirft Lady Milford (Bettina Schmidt für die erkrankte Julia Berke) einer verzweifelten, um Würde ringenden Luise ihren Resttolz vor die Füße. Groß in der Erscheinung, klein im Verlust. Tragisch enden sie alle. Die Eltern verlieren die Tochter und Sohn, die Liebenden sich, der Hof an Reputation und Würde. (Jonas Fürstenau und Dirk Lange als Hofmarschall v. Kalb und Sekretär Wurm) So regieren Intoleranz und Narzissmus, gehen einher mit List und Intrige. Gelungene, zeitgemäße Perspektiven. Ein Plädoyer für den “Sturm und Drang”, für Selbstbestimmung, Aufrichtigkeit und menschlichen Mut.
Im Text original Schiller – der hätte sich auch nicht im Grabe umgedreht, wenn man ihm vom einen oder anderen Archaismus befreit hätte. Ansonsten hängt da nichts, in dieser zweistündigen, geistreichen Theaterunterhaltung. Nur ein Musiker schwebt über allem. Paul Tetzlaff gibt dem Stück den Sound, begleitet und beobachtet vogelperspektiv den tragischen Verlauf. Auch gelungen.
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