Er kommt auf die Bühne wie einer, der den Mikroständer neben dem Klavier noch mal festschrauben soll. Kein Auftritt für einen, der Kabarettpreise reihenweise abgeräumt hat, weil es so was wie ihn in den Kabarett-Spielplänen weit und breit nicht noch mal gab... Ein Mann, ein Musiker, eine Meinung, Unterhaltung.
Jahrgang 1974 steht bei Wikipedia. Groß, schlank, blond, frech lächelnd. Er betritt die Bühne in Jacke, weil es Backstage kühl wäre. Gearbeitet wird dann im T-Shirt. Aber er will wieder abgehen, weil er denkt, er würde die Stimmung nur drücken. Er geht auch raus, und bleibt doch da, und sinnt, wie er seine mutmaßliche Fähigkeit als Stimmungskiller zu Geld machen könne, als Party-Pusher, “der für’n Fuffi kommt, wenn die Gäste partout nicht gehen wollen, und dann ist sofort alles aus!” So tritt ein Michael Krebs auf.
“Zusatzvorstellung”
Ein Bühnenbild braucht er nicht, nur ein Klavier. Und ein Publikum, das er immer wieder direkt anspricht, er redet nie gegen eine Wand oder die eigene Stirn. Vor sich hatte er am Dienstag eine ausverkaufte Moritzbastei-Veranstaltungstonne, das Publikum zwischen Ende 20 und Ende 40.
Zur “Zusatzvorstellung” war geladen, folgerichtiger Titel, wenn das vorhergehende Programm “Es gibt noch Restkarten” hieß. Mit seinem vierten Abend reist er umher, und die TV-Filmschnipsel diverser Sendungen stapeln sich in der Konserve. Im TV hatte er einst einen großen Auftritt, als Knacki Deusers Waschsalon noch wie ein leuchtstoffröhrenbeschienener Waschsalon aussah. Da kam der lächelnde junge Mann ans E-Piano und meinte, Richard Clayderman würde immer nur ein Lied spielen… Krebs beherrscht die Musikstile und -zitate wie die Klaviatur. Und – als am Dienstag die Mikrofonbatterie versagte – rutscht ihm sofort die “Ballade pour Adeline” in die Finger… Wortlos. Kommentarlos. Neue Batterie, weiter im Text.
Notenblätter gibt es keine, allenfalls Papier-Requisiten zum Zeigen und Weiterreichen. Als wäre es originär, schraubt sich Michael Krebs von Message zu Message, denn irgend eine Erkenntnisse und Erläuterungen, ohne Aufrufe und Ermahnungen geht es nicht. Nur kommt der Zeigefinger erst dann, wenn man schon zustimmend nickt! So arbeiten Ideologen und Animateure. Aber worum geht es bei Michael Krebs?
Tee-Namen, Ballermann und Passwort-Steuer
Um die Verheißungen der Namen auf Tee-Beutel-Verpackungen! – Schlager seien nur transformierter Jazz, man kann auch Zurück-Drehen: Und in einem Hit verarbeitet er alle Ballermann-Hymnen. Und dann für alle und mit allen “Zicke, zacke – Hölle, Hölle … Man macht so was ja eigentlich nicht, aber interpretatorisch-verfremdet geht’s schon wieder als Kabarett durch! Und es fühlt sich toll an, wenn man es schon mal macht.” Und alle machen mit. Scheinbar für sich singt Krebs ein bitteres Lied über das Deutschland, das mit Stasi und Gestapo Weltmarktführer und Exportmarktführer gewesen sei.
Michael Krebs macht Vorschläge, die Teilnehmer der Veranstalter wollen sich doch bitte gleich mal in eine Liste eintragen, mit Email-Adresse und Passwort. Ach so, zu seinen Weltverbesserungen gehören auch ein “Informationseinspeisungsentgelt” für Spitzeldienste und eine “Passwortsteuer” weil das umständliche Entschlüsseln der Passwörter ja Geld kostet.
Bei den Unterhaltern ist er die Oberklasse
Michael Krebs ist Vollblut-Musiker, Rollenspielereien gibt es kaum, Grimassen ziehen schon gar nicht. Klar, der Rapper “Pussyfeind” kommt dann doch in Shirt, Kapuze, Brille mit rauchiger Stimme.
Kabarett entsteht aus dem, was Michael Krebs hört, sieht, liest, so klein es auch ist, und was er groß aufbereitet. Zuletzt wird als Beweisstück ein Blatt vorgezeigt, das komponiert, gespielt und gesungen eine Schmuse-Nummer wird: Dabei lud eigentlich nur eine kirchliche Gemeinschaft mit liebevoll gereimtem Text zum Spieleabend ein …
Rasant und schwungvoll geht es vorwärts, da wird nicht erst Schwung und Luft geholt, wenn eine Pointe naht. Bei den Unterhaltern ist Michael Krebs die Oberklasse. Und weil es gerade der WeltKREBStag war, wird auch der seriös mit hineinmoderiert, ohne kranke Geschichten.
Flüsterfuchs? – Nein, danke!
Michael Krebs ist gegen den Flüsterfuchs. Ausgerechnet das Handzeichen der POMMESGABEL DES TEUFELS ist in deutschen Kindergärten als Fingerzeig der FLÜSTERFUCHS: Mund geschlossen und Ohren gespitzt! Um künftige Wacken-Konzert-Generationen nicht zu irritieren, rät Michael Krebs seit Jahren “Flüsterfuchs? Nein, danke!” Allerdings fanden sein Logo die dänischen Anti-Atomkraft-Aktionisten ihrem Erscheinungsbild zu ähnlich und rückten dem Krebs juristisch auf die Pelle. So kommt der Mann zu seinen Geschichten und Sympathisanten!
Sympathien hegen Berliner Schwaben gegenüber angeblich selten. Krebs ist seit zwei Jahren ein Berliner. Seine nachgewiesene Verträglichkeit nützte ihm da nichts, wenn man seiner atemberaubenden Erzählung aus Berliner Nachbarschaft glauben muss. In Hamburg hatte der gebürtige Schwabe als Jazzpianist-Student eine eigene Live-Musik-Spätzle-Koch-Show-Reihe. Kulturtransfer, ganz ohne Goethe-Institut.
Es schwäbelt gewaltig in der Moritzbastei, vor ein paar Jahren in des alten Horns Likörverkostungssalon tat er das nicht so. Da hatte er auch einen Flügel, auf dem eine Dame aus dem Publikum abgelegt wurde, und Sekt gab es auch noch für die beiden, aber das gehörte zum Programm.
Schwäbische Wurzeln plus Metallica
Dass er seine Herkunft nur noch grob mit Schwäbisch-Hall beschreibt, kann nur bedeuten, dass er in einem der folgenden Programmen wieder ins Detail gehen wird, bis hin nach Neukupfer und zur gleichaltrigen Nachbarstochter Melanie Schäufele, und der Post, die eine bestellte Schallplatte brachte, die Neukupfer erbeben ließ: Metallica! Wovon wir früher im Programm mit dem schönen Titel “Vom Wunderkind zum Spätentwickler” erfuhren.
Drei Mikrofon-Batterien wurden Dienstagabend verbraucht, nach dem ersten Wechsel sagte er noch locker: ” Ihr wolltet noch die alte leer machen! Das hätte ich genauso gemacht!” -Sächsische Sparsamkeit.
Nach heftigem Applaus und Zugaben und “Hölle, Hölle…” steht er dann am Ausgang, verkauft und signiert CDs und schwatzt hochdeutsch, oder schwätzt schwäbisch. Die Leipziger Lachmesse hat Michel Krebs noch nicht erkannt, in Horns Erben und der Moritzbastei wurde er heimisch. Als er vom späteren “Wunschtitel” spricht, wird ihm gleich einer zugerufen. Kaum dass die Vorstellung zu Ende ist, klaut draußen einer das Plakat.
Michael Krebs spielt am 6. Februar in Jena, am 7. Februar in Pirna.
Alle Termine, Noten u. a.:
www.michaelkrebs.de
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