Ein trunkener Seebär kommt zum Angeln an den Kai, interessiert sich freilich mehr für das Fangen von Menschen. In rasanter Folge werden die Personen eingeführt, bis es dem Zuschauer schwummrig vor Augen wird: Wie viele Figuren sind eigentlich dabei, und wie viele Schauspieler wirbeln hier herum? Denn zu unterscheiden sind die Charaktere sehr wohl. Bevor die Geschlechter wie die Kleidungsstücke wechseln. Kleider machen Leute, mit Verkleidungen prüft man Menschen, das war immer so bei Shakespeare. Auffallen ist schön, Tarnung ist sicherer.
Shakespeare-Festspiele
Regisseurin Ev Schreiber stemmt diesen Shakespeare leicht und souverän mit Celine Hägermann, Julia Schmidt, Esther Sternad, Sascha Kiesewetter und Cyrus Rahbar.
Es sind die jährlichen Shakespeare-Festspiele im Webers Hof-Theater der Prinzipalin Ev Schreiber und ihrer immer neu zusammen gefundenen Truppe von Schauspielern. Wer kann, bringt Dialekte ein, und schon wird gewienert! Ach könnte man die Akteure doch alle hier behalten!
Und die Sachsen sind wieder von der Seefahrts-Szenerie besessen, so dass René Decho, Benjamin Kuehr und Manfred Schaarschmidt Hafen-Szenerie und ein ökologisch unbedenkliches Wasserfahrzeug neu erfinden können. Und eine Bibliothek gibt es auch in diesem Venedig. Joachim Ringelnatz’ens Hafenkneipe lässt grüßen. War da nicht mal was, in der Nachbarschaft, ebenfalls an der Hainstraße?
“Intelligent, sinnlich-unterhaltsam”
Beim 23. fact-Sommertheater, und dem zehnten Shakespeare an dieser Stelle, weiß man um die Konstanten der Produktion. “Hamlet” im Theater unter Barthels Hof wäre noch hinzuzuzählen.
Das Theater fact definiert auf dem Programm-Flyer seinen Anspruch an die Inszenierungen: “intelligente, sinnlich-unterhaltsame Theaterabende” Wie gehabt, man zeigt sich die Zähne, zieht die Waffen, beschwingte Musik und Scheinwerfer-Illumination besänftigen die Gemüter, und in rund 90 Minuten ist das Spiel gemacht, die Welt ist verändert!
Ein Pfund Fleisch wird verpfändet
Shakespeare, wer auch immer nun der Mann war, der unter diesem Namen schrieb, treibt es auf die Spitze: letztlich geht es um die Verpfändung eines Pfund Fleisches. Wie beim Hütchenspiel wird mit Kästchen gezaubert. Es geht um Christen und Juden und die Schwierigkeiten mit der Wahrheit, der Fürsorge und Gerechtigkeit über Verwandtschaften und Wahlverwandtschaften hinweg.
Darum geht es immer bei Shakespeare. Da kann man ihn bearbeiten, gegen den Strich bürsten und auf den Kopf stellen. Moral schwimmt auf den Wogen oder unter den Wellen, oder ist abgesoffen. Geld und Macht sind stärker als die Erinnerung an die Liebe.
Shylock trägt die Welt auf den Schultern. – Wer ist der Kaufmann? Wer hält sich an die “Pflichten des guten Kaufmanns”? Doch schillern da in Ev Schreibers Bühnenfassung nicht Lessing und Marx durch?
Vintage-Couture
Und weil es längst nicht mehr die Norm ist, sei betont, dass hier Sprechtheater nicht nur symbolisiert sondern akzeptabel gesprochen wird. Ev Schreiber hat eine atemberaubende Kostümkollektion gebaut, jenseits uniformer Serien, eine Vintage-Couture je nach Persönlichkeit, finanziellem Vermögen oder Unvermögen. Geschmäcker haben Zeit und Raum.
Da hat das lachende Auge eine Freudenträne. Und Ludwig Börne sei zitiert mit einem Lächeln im weinenden Auge der Philologen-Maske: “Sehen wir also doch in der Handlung eine Komödie die unabhängig von Religionen nur die menschlichen Schwächen zeigt und die sind überall gleich.”
Und wie die Gebeutelten ihre Chancen haben und ihre Schicksale durchleiden, ist weiß Gott ein Vorbild für den “intelligenten, sinnlich-unterhaltsamen” Alltag, den man sich wünscht.
Rückblick
In der Saison 2012/13 hat das Theater fact fünf Inszenierungen gestemmt. Aus Hamburg kamen Juroren und der Preis der Gastspiel-Teilnahme am “Monika-Bleibtreu-Wettbewerb” der Privattheatertage. In Leipzig zahlt die Stadtverwaltung ganze 10.000 Euro aus dem Steuertopf in die Theaterkasse ein.
Was das fact-Sommertheater bisher auszeichnete, war ein Mehrgenerationen-Publikum, das zuweilen in Familienaufstellung erscheint. Möge das so bleiben. Shakespeare hätte es gewiss gefallen.
Bis zum 1. September täglich, außer montags, 21.00 Uhr in Webers Hof Hainstraße 3. Tel. Vorverkauf Theater fact 0341 – 961 40 80, Ticket-Galerie 0341 – 14 14 14
www.theater-fact.de
Georg Bötticher
Vor Lessings Schäksbier-Monnement in Weimar
(D’r Weimerschen Schäksbier-Gesellschaft gewidmet)
An letzten Sonndag war ich mal in Weimer
Un stand in Bark vorn Schäksbier-Monnement.
So sahk där also aus? Ei Gottverzeihmer!
(Ich hatt’n vorher nämlich nich gekennt.)
‘s is doch kurjos, wie m’r sich von d’n Leiten
Ä vellig falsches Bild mitunter macht:
So hatt’ ‘ch mir Schäksbiern, schon seit langen Zeiten,
Als änn ganz golossalen Gerl gedacht.
Damit warsch also nischt. Nu wußt ich’s besser.
‘s is doch mit unsern Denken nischt Genau’s.
Ä Ginstler, där de noch d’rzu Brofesser
Wie Lessing, gennt sich dadrin besser aus.
Zwar gloobt m’rsch gaum, daß hier där hibsche Härre,
Där so gogett sich wiegt un elegant,
Därselwje wär, »des’ Geist (wenn ich nich ärre,
Sagt’s Geedhe?) einst de ganze Welt umspannt…«
Un wenn’s nur doch so war – da muß m’r staunen,
Was de Nadur voll Seltsamgeeten steckt.
(Se is ä Weibsbild ähm un voller Launen,
Un grade dadorch macht se oft Effekt!)
Ja ja, nee nee, ‘s gann alles ähm nischt nitzen,
Un Lessing weist mal wieder klar druff hinn:
Schenie is Glick! M’r gann Schenie besitzen
Un doch d’rbei – ä großer Schafsgobb sinn.
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