Selten zuvor war die Ernennung eines Intendanten für das Schauspiel mit solch hohen Erwartungen verknüpft wie bei Enrico Lübbe. Der bisherige Chemnitzer Schauspiel-Chef soll nicht nur die Zuschauerzahlen nach oben korrigieren, sondern nebenbei diejenigen Zuschauer zurückgewinnen, die sein Vorgänger Sebastian Hartmann aus der Bosestraße vergrault hatte. Am Donnerstag stellte der Regisseur sein Programm vor. 30 Premieren versprechen vor allem Eines: Vielfalt.
“Eigentlich wollte ich in Leipzig Journalist werden. Dann zog es mich hier ans Haus.” Schauspiel-Intendant Enrico Lübbe kramt tief in seiner Biografie, um sich den Messestädtern anzudienen. In Leipzig studierte der Theatermacher von 1993 bis 1999 Kommunikations-, Medien- und Theaterwissenschaft. Am Schauspiel war der 38-jährige Hospitant, Regieassistent und später, von 2000 bis 2004, Hausregisseur.
Dass Leipzig eine “sehr offene, sehr kulturbegeisterte, sehr theaterbegeisterte Stadt” sei, ist für Jemanden, der das größte Sprechtheater der Stadt runderneuern soll, wohl eine Selbstverständlichkeit. Mit Bedacht wählt Lübbe am Donnerstag seine Worte, als er der hiesigen Presselandschaft den Spielplan präsentierte. Der erste Eindruck zählt.
In seiner ersten Saison erwartet das Publikum ein Mammutprogramm. An fünf festen Spielstätten sind 30 Premieren geplant. “Vielfalt könnte das Konzept des Spielplans unserer ersten Saison heißen”, so Lübbe. Die “Große Bühne” wird zum Schauplatz bekannter deutscher und internationaler Dramatik. Shakespeare, Lessing, Brecht, Schiller, Goethe und Ibsen, um einige Autoren zu nennen. Christoph Mehler, in der Szene bestens bekannt, wird die Spielzeit am 3. Oktober mit einem “Othello” eröffnen. Enrico Lübbe legt am 5. Oktober mit Lessings “Emilia Galotti” nach.
Am 11. Oktober folgt die Leipzig-Premiere der “Lulu”-Inszenierung von Wedekind-Experte Nuran David Calis. Im Laufe des Jahres lädt Lübbe die Leipziger zu einem Streifzug durch die Weltliteratur ein. Auf dem Spielplan: Sophokles’ Antigone (17.10.), Cechovs “Ivanov” (23.11.), Schillers “Kabale und Liebe” (15.02.) und Ibsens “Hedda Gabler” (17.04.). Das Weihnachtsmärchen stammt aus der Feder von Uli Jäckle, der “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” neu adaptieren und inszenieren wird (Premiere: 01.12.).
Auf der Hinterbühne werden gehaltvolle Gegenwartsliteratur und moderne Klassiker zu sehen sein. Am 4. Oktober findet die Leipziger Erstaufführung von “Des Meeres und der Liebe Wellen” statt. Im Rahmen der “euro-scene” zeigt Lübbe seine Chemnitzer Adaption von Elfriede Jelinkes “Rechnitz (Der Würgeengel)”. Weitere Premieren: “Der Reigen oder Vivre sa vie” nach Schnitzler und Godard (31.1.), Gerhard Fritschs “Fasching” (3.5.) und Sybille Bergs “Angst reist mit” (05.06.).
Als provisorische Spielstätte sollen die “Diskothek” und die “Baustelle” dienen. Zwar wird das ehemalige “Schauhaus” erst 2016 umgebaut werden. Bespielt wird die Location trotzdem schon in der kommenden Saison, während die “Skala” nur noch als Probebühne genutzt werden soll. In der “Diskothek”, bisher als große Probebühne im Dachgeschoss genutzt, werden sechs Stücke junger Autoren inszeniert. Die “Baustelle” dient als Spielort des Leipziger Schauspielstudios, dessen Zukunft für weitere fünf Jahre gesichert ist. “Die Differenzen mit der HMT sind aus der Welt geräumt”, erklärte Lübbe am Donnerstag.
Aus dem “Spinnwerk”, bisher Spielstätte der Jugendtheaterclubs, wird die “Residenz”. Im Rahmen der Reihe “Artists in Residence” erhalten fünf Gruppen der Freien Szene die Chance, binnen sechs bis acht Wochen eine Projekt zu erarbeiten und aufzuführen.
Großes Theater versprechen drei namhafte Gastspiele. Nicolas Stemann zeigt Ende Januar seine umjubelte “Faust”-Inszenierung. Intendant Lübbe präsentiert im März seine Berliner Interpretation von Horváths “Geschichten aus dem Wiener Wald” dem Leipziger Publikum. Und Martin Kusej ist im April mit Fassbinders “Die bitteren Tränen der Petra von Kant” zu Gast, die er am Residenztheater München neu inszenierte.
Im Laufe der Saison dürfen sich die Zuschauer obendrein auf drei Leuchtturm-Projekte freuen. Silvester feiert Brechts “Dreigroschenoper” Premiere. Eine Co-Produktion mit Oper und Gewandhaus. Ab 15. Juni 2014 ist im Zoo Kiplings “Dschungelbuch” zu sehen. Vom 4. bis 8. Mai richten Schauspiel und Theater der Jungen Welt gemeinsam das 8. Sächsische Theatertreffen aus.
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