Eine Reise auf den Grund des Rheins, Baustellenbesichtigung einer Götterburg, Ringkämpfe, Waffenschmieden, Hypnose, Drachentöten und Feuerwerkszauber - dazu Gesang und festliche Blasmusik samt Streichinstrumenten, und das alles in geheiztem Raum, auf akzeptablen Sitzen und in nicht mal zwei Stunden, welches Reisebüro hat schon diese Offerte.... Reisen Sie, ach was fliegt!, mit der Musikalischen Komödie in Richard Wagners Mythenreich.
100 Minuten aus 15 Stunden
Was sonst gut 15 Stunden dauert, über vier Tage verteilt – soll jetzt in 100 Minuten gehen? Katharina Wagner, Richards Urenkelin meinte am Uraufführungstag dieser Strichfassung von Hartmut Keil und Maximilian von Mayenburg: “Alle wesentlichen musikalischen Nummern sind drin!”
Wagners Werke kurz gefasst, speziell für Kinder, Kostüme von Kindern gestaltet – die seit Jahren in Bayreuth bei jeweils 10 Vorstellungen bejubelte Kinderopern-Idee wird erstmals von einer anderen Bühne aufgegriffen, die Bayreuther Strichfassung übernommen, aber neu inszeniert. Nur die Kostüme ähneln teilweise noch den von Schülern entworfenen Originalen. In Bayreuth wird die Kinderoper produziert von der BF-Medien GmbH, einer Tochter der Bayreuther Festspiele, mit extra eingeworbenem Geld, nicht aus dem Festspiele-Etat finanziert. Gespielt wird auf einer Probebühne, von außen einer Bretterbude uralter Theaterzeiten ähnlich, innen ist Beleuchtung die einzige moderne Bühnentechnik.
Theater-Zauber
In Leipzig nun hätte man sich auch einen TÜV-, DIN- und brandschutzgerechten Kinderspielplatz vorstellen können, oder “in der Metaebene” das Umfeld eines Supermarkts, um die Kids in ihrer Welt abzuholen und mit dem Theater auf die Straße zu wirken … Doch dazu glaubt Regisseurin Jasmin Solfaghari wohl zu sehr an die Fantasie der Zuschauer und die Gestaltungskraft von Sänger-Darstellern. Und das ist gut so.
Schwarz ausgehängte Bühne, in der Mitte ein Podest, aus dem bei Bedarf allerhand herausgucken kann, dazu noch ein Baum, und aus Siegfrieds Bären-Freund wird ein Teddybär. Zu Beginn wogen die Wellen des Rheins, als ob dort Schiffe versinken müssten. Siegfried droht freilich ein Ungetüm von einem Drachen!
Erlösungskuss am Auenwald
Man muss das Thema für Kinder nicht naiver und großzügiger erzählen als es ist: Die Macht über die Welt gibt es für den Verzicht auf Liebe. So hat es Loriot beschrieben. Hartmut Haenchen meinte, Macht und Liebe seien unvereinbar. In Mären sind nun mal Tiere und Untiere Normalität, und da darf sich auch mal eine Frau für längere Zeit schlafen legen, bis sei ein Erlöser wachküsst … Wenn schon nicht hinter einer Dornenhecke, dann in einem Feuerring, und wenn schon nicht im Reich der Nibelungen, dann eben in der Nähe des Leipziger Auenwaldes.
Als Siegfried brilliert ein Mann mit wundervollem Tenor namens James Allen Smith, von dem man erzählt, er sei noch vor kurzem Bankangestellter gewesen und habe sich erst vor ein paar Jahren als Sänger hervorgetan – man mag es kaum glauben. Fast alle Darsteller entstammen dem Leipziger Ensemble der Oper, zu der die Musikalische Komödie als Haus und Personal gehört. Wer hätte Milko Milev einen solchen Wotan zugetraut? Überraschung!
Dirigent Stefan Diederich spielt mit dem Orchester der Musikalischen Komödie als ginge es darum, gegen eine Götterdämmerung anzukämpfen. Sinngemäß stimmt das auch, den dem Haus in Lindenau droht nach einem Stadtratsbeschluss vom Juli ein neuerliches Datum, bis wann der Spielbetrieb ins Opernhaus eingegliedert werden soll, oder aber sich der bauliche Erhalt des Hauses in der Dreilindenstraße doch noch finanzieren lässt.
Bayreuther Publikum war näher dran
Mit der Bayreuther Version von 2011, die es auf DVD gibt, ist das nur von der Stückfassung her, aber optisch nicht vergleichbar. Dort war das Publikum näher dran am Geschehen, saß auf Podesten und ohne Trennlinie vor der breiten Spielfläche, ähnlich der Probebühne des Leipziger Opernhauses. Das Orchester, in kleinerer Besetzung als in Leipzig, war mitten im Bühnenbild platziert, das vorwiegend hell ausgeleuchtet war. Es bestand keine Gefahr, dass die Klangfülle des Orchesters die Sänger überstimmen könnte. Zu den Auftakten tanzten die Rheintöchter auf Skater-Rollen. Umbaupausen oder gar Zwischenvorhänge mit projizierten Aufschriften gab es nicht und Sprechtexte waren kurz und knapp gehalten. In Bayreuth waren ganze Schulklassen fachlich vorgeprägt: sie hatten Kostüme für die Darsteller entworfen, kamen nun angereist, um die Sieger des Wettbewerbs zu sehen.
Richard ist Leipziger…
Aus den Leipziger Ring-Absichten sticht das in der Moritzbastei schon einige Zeit laufende Menschen-Figuren-Puppenspiel “Siegfried – Götterschweiss und Heldenblut” des Theaters der Jungen Welt heraus.
Um Leipzig hat sich ein Ring aus “Ringen des Nibelungen” gebildet, ob nun die Erfurter Puppenspiel-Version auch in Bad Lauchstädt gastiert, Halle/Saale gerade in Kooperation mit Ludwigshafen/Rhein den Zyklus abschließt,. man in Dessau rückwärts erzählt und mit der “Götterdämmerung” begann, Dresden und Chemnitz waren schon vor Jahren im Ring-Fieber.
…sind die Leipziger Wagnerianer?
Leipzig offeriert dieses Jahr viel Wagner. Hat jemand untersucht, wie viel Wagner man in einem Jahr vertragen kann? Als Wagnerianer? Oder als Manchmal-Wagnerianer? Oder als Leipziger schlechthin? In der Arena wird es großes Spektakel geben, im Sommertheater der Moritzbastei eine “Wagner-Show”. Wagner-Vorträge und Gesprächsrunden scheinen einen offensichtlich immenses Auskunftsbedürfnis befriedigen zu müssen: in der Moritzbastei reden eine musikwissenschaftsbeflissene Bibliothekarin und ein Krimiautor über Richards ersten Lebensmonat.
Erda und Erdmann
Ein Büchlein, wenig größer als Postkartenformat, “Leipzig wagnert” vermischt Wagners Leben in der Region mit Wirkungsgeschichte. Und sogar der alte Bunker unter dem Richard-Wagner-Platz muss erwähnt werden. Und endlich kriegt Erda ein männliches Pendant! Egal, ob nun Richard Wagner seine Erd-Mutter von Jörd aus der nordischen Mythologie abholte, in Harald Ottos Broschüre gibt es einen “Erdmann”! Und mit dem redet der Buchautor auf dem Fockeberg! Man sollte es daselbst laut vorlesen.
Opernintendant Ulf Schirmer hatte angekündigt, sich um ein Repertoire zu sorgen, einen “Ring” sähe er dann für 15 Jahre beständig. Mittlerweile verkündete er, dass die “Meistersinger” nach dieser Spielzeit verschwinden und statt der streitbar-umstrittenen “Holländer”-Aufführung ein konzertanter Abend geboten wird und später eine neue Inszenierung angestrebt wird. Dass “Iphigenie” schon wieder ausgedient hat, erfuhr man neulich beim Faschings-Kostümverkauf.
Den “Ring des Nibelungen” gibt es wieder am 02. und 03. Februar, 13. März und 21. Mai 2013. Eine Stückeinführung findet 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn statt. Karten unter Tel: 0341 – 12 61 261 (Mo – Sa 10.00 – 19.00), per E-Mail: service@oper-leipzig.de oder im Internet unter www.oper-leipzig.de.
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