Lavendel blüht und grünt in den Büschen auf der Wiese, laut Apothekern ein Duft mit beruhigender Wirkung auf Menschen und abstoßend für Motten. Die grüne Wiese ist ein regengespülter und sonnengebrannter Teppich mit Pflastersteinrelief. Eine Performance á la Theater-fact-Lipsiensis ... Das war in - Hut ab! - 22 Jahren schon mal Schiff und Insel, Autofriedhof, Bibliothek, vieles andere und immer mal wieder ein Garten - nun ein Kräutergarten mit irrem Duft von frischem Lavendel ...
Shakespeare gestutzt, Publikum entschleunigt
Jeden Sommer von Juli bis Anfang September sieht’s hier immer wieder anders aus, meistens sind es Landschaften Shakespeares. Noch immer hat der begnadete Landlümmel, Bürgermeistersohn, Lateinschüler und zeitloser Zeitgeist Saft und Kraft! Dabei wird er im Theater fact regelmäßig gestutzt. Kunst ist, wo man nichts mehr weglassen kann.
Bei der inszenierten Entschleunigung der hyperaktiven Straßenpassanten heutiger Zeit war Ev Schreiber vielleicht noch nie soweit, wie bei “Der Widerspenstigen Zähmung”. Als Plakatmotiv hat die Widerspenstige hoffnungsvoll die Beine gespreizt. Nur scheint das keiner sehen zu wollen. (“Wer ficken will, muss freundlich sein.” Hieß es vor Jahren mal. Für allerhand Schlafzimmer dieser Welt und unterschiedlicher Voraussetzungen eine selige Utopie.)
Was sich liebt, das prüft sich
Ja, wo die Liebe hinfällt! Wächst kein Gras mehr? Aber Lavendel? Man prüft einander ohne die eigene Ehre zu gefährden, verkauft sich also eine Kaste tiefer. Ämtertausch zwischen Herrn und Diener. Doch plötzliche Möglichkeiten wecken Begehrlichkeiten.
Shakespeare wird mit Konserven-Musik angereichert und in Szenen und Zeitlupen-Momenten erzählt, wie in Nahaufnahmen alter Filme, nur viel kürzer, oder versteckter, vergleichbar Szenen auf alten Ölgemälden. Zuschauer fiebern bestenfalls mit den Figuren, dass auch sie die Sache durchschauen mögen! Und so schmunzelt man mit, wenn sich die Paare finden und ein rotes Luftballonherz im Sommerabendluftwirbel aufsteigt…
Ev Schreiber hat ihrer ganzen Commedia Beine gemacht: Isabell Korda, zeigt eine arge Wildkatze von Widerborstigkeit, Emma Charlott Ulrich ist die Bilderbuch-Naïve Bianca, Sascha Kiesewetter teilt bzw. verdoppelt sich zu Lucentio und Petruchiom Mathieu Pelletier, Claudia Götz als allesdurchschauende und lebenslustige Wirtin und schließlich als Vaterfigur der väterlichgut oder -böse Dietmar Didi Voigt.
Im Programmheftchen sind die bisherigen Stationen der Schauspieler aufgelistet, denn Komödianten reisen von Ort zu Ort und Projekt zu Projekt. Heute nur sehr viel weniger als Truppe, wie einst.
Verwechslungen? – Selbstverwandelungen!
Fiel uns das früher so auf? Dass Shakespeares Komödien weniger die Verwechslungen bedienen, als die Selbst-Verwandelungen und Anverwandlungen. Sinneswanderungen eingeschlossen, und, ja, auch Seelenwanderungen. In dieser Zeit des Abköhlerns, Guttenbergens, Wulffmachens und widerspenstig werdender Doktortitel…
Man kann in Ratsplanarsälen planvoll und entscheidungsfreudig oder im Theater praktisch und sogar noch – mehr oder weniger weit davon entfernt – im theaterwissenschaftlichen Seminar darüber diskutieren, was auf der Bühne gezeigt werden muss, soll, kann und darf. Ein paar Bretter übereinander zu legen zu einer Bühne, Bänke aufzustellen und Publikum neugierig zu machen, ist der freundlichere Weg. Zuweilen sollen die Leute sogar neugierig auf Altes sein. Laut Kurt Tucholsky, der aber seinem Leben selbst ein Ende setzte, “will das Publikum mit dem überrascht werden, was es kennt.” Wobei der Moment des Überraschungseffektes kunstvoll-leicht sein kann. Wie ein rotes Luftballonherz.
Achtung! Es sind nur 101 Plätze vorhanden. Bis zum 01.09.2012 dienstags bis sonntags, 21:00 Uhr, Webers Hof, Hainstraße 3, Tickets: 0341 141414, 0341 9614080, Abendkasse ab 19:30 Uhr.
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