„Am Ende alles gut“ heißt das Debütalbum der Leipziger Band „Mein neues Nicki“, das am 13. September veröffentlicht wurde. Im Look ein wenig nostalgisch angehaucht, bewegt sich das Trio textlich und musikalisch mit Deutschpunk-Sound ohne viel Schnickschnack mitten im aktuellen Geschehen. Alle drei eint das Großwerden im Ostdeutschland der 90er- und Nullerjahre und die Verarbeitung des Erlebten in der Musik. Wir haben mit Thomas, Holle und Jonas über die Entstehung ihrer ersten eigenen Platte gesprochen, ihre Erfahrung während der Corona-Zeit und darüber, warum Kultur auch eine politische Aufgabe hat.

Am Freitag, dem 13. September, habt ihr den Release eures Albums gefeiert. Wie habt ihr den Weg bis dorthin empfunden?

Jonas: Nur vorweg: Das Datum zumindest haben wir uns nicht bewusst ausgesucht (schmunzelt). Aber ein wenig hat es auch gepasst. Ursprünglich sollte die Platte schon im letzten Sommer herauskommen, im November 2022 waren wir im Studio. Aus verschiedenen Gründen hat sich die Veröffentlichung aber immer wieder verschoben.

Thomas: Es gab so einige Hürden auf dem Weg. Das war zwischenzeitlich sehr frustrierend. Unser Hauptaugenmerk lag im letzten Jahr ganz klar auf diesem Album. Dadurch hat es sich manchmal so angefühlt, als kämen wir nicht voran – wir haben in der Zeit keine neuen Songs produziert, wenig live gespielt … Im Endeffekt haben sich diese Verzögerungen durchaus auch als positiv herausgestellt.

Holle: Ich konnte mich eine Zeit lang gar nicht richtig auf den Release freuen. Es gab so viele To-dos abzuhaken, dass es eher zum mechanischen Prozess wurde. Diese Euphorie hat sich erst langsam eingestellt. Jetzt freuen wir uns natürlich sehr. Wir hatten ein tolles Release-Konzert im Kopfsalat. Es gab mit Gush eine tolle Vorband, der Laden war voll, das hat sich sehr gut angefühlt.

Ist aus dieser Erfahrung der Titel eurer Platte geboren?

Holle: Ja, das war am Ende wie ein Mantra für uns – am Ende wird alles gut werden (lacht).

Thomas: Wir hatten verschiedene Ideen, haben immer wieder herumprobiert. Schließlich haben wir uns auf den Titel festgelegt. Die Zeile „Am Ende alles gut“ kommt auch in einem der Songs auf dem Album vor und wird dort infrage gestellt. Das gibt dem Titel eine schöne Doppeldeutigkeit.

Was verbindet ihr ganz persönlich mit dem Album?

Holle: Ich verbinde damit persönlich viele Erfolgserlebnisse. Die Aufnahmen haben mich zum Teil vor einige Herausforderungen gestellt und die konnte ich meistern. Toll war für mich auch, dass wir uns von außen haben helfen lassen durch Maik. Für mich hat das einige Stücke unheimlich aufgewertet, dafür bin ich sehr dankbar.

Jonas: Wir hatten schon unsere erste EP bei ihm aufgenommen und hatten damals schon viel Spaß. Er hat im Vorfeld bereits mit uns an den Songs gearbeitet, hat sich richtig Zeit genommen und viel Input gegeben – einfach, weil er Lust darauf hatte.

Thomas: Für mich ist es das erste Album, das ich aufgenommen habe. Dieser Prozess war ein schönes Erlebnis. Die Songs jetzt zu hören, die Musik „in der Hand zu halten“ lässt mich an die Zeit denken, als ich sie geschrieben habe. Das war während Corona, ich habe mir im Keller einen Raum eingerichtet und dort für mich Gitarre gespielt. Und jetzt sind die Ergebnisse dieser Zeit zu einer ganzen Platte geworden.

Zwei Trabanten vor einem Wohnblock bei Sonnenschein
Zwischen Nostalgie und aktuellem Zeitgeschehen: „Am Ende alles gut“. Foto: Niklas Soestmeyer

Ihr habt euch mitten in der Corona-Pandemie zusammengefunden. Wie habt ihr diese Zeit als Band empfunden?

Holle: Nun ja, Proben war mitunter sehr schwierig. Wir haben das in den strengsten Zeiten, zum Lockdown, ein paar Mal über Online-Videoprogramme probiert. Das hat natürlich so gar nicht funktioniert (lacht). Als wir einmal etwa zwei Stunden lang versucht hatten, uns zu synchronisieren, haben wir das aufgegeben.

Jonas: Wir konnten diese Zeit, zumindest den Sommer 2021, auch positiv für uns nutzen. Als sich für ein paar Monate alles wieder öffnete, hatten wir innerhalb kürzester Zeit auf einmal einige Konzerte – auch außerhalb von Leipzig. Unseren ersten Gig haben wir im Zuge der Fete de la Musique auf dem Dach des NBL gespielt, es war eine tolle Stimmung!

Thomas: Viele Veranstaltungsstätten hatten durch die Corona-Hilfen die Möglichkeit, Konzerte zu organisieren, bei denen es nicht auf eine Masse an Zuschauer*innen ankam. Das hat viele Möglichkeiten eröffnet und eine gewisse Freiheit und Leichtigkeit gegeben. Für kleine Bands, wie uns, war das fast schon eine privilegierte Situation.

Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?

Holle: Was wir oft hören, ist der Vergleich mit Bands wie „Herrenmagazin“ oder „Schrottgrenze“. An sich haben wir uns aber nie auf eine Richtung festgelegt. Um unsere Musik in irgendeiner Art einzuordnen, könnte man wohl am ehesten von Indiepunk sprechen. Es ist tanzbar, es ist punkig.

Thomas: Ich neige dazu, einfach Punk zu sagen – das kann im Endeffekt immer alles sein.

Punk ist oft auch politisch und übt Kritik. Seht ihr als eure bzw. die Aufgabe von Kultur an, politisch zu sein?

Thomas: Schon. In ehemaligen Bands habe ich nie politische Texte geschrieben. Jetzt ist für mich aber einfach an der Zeit. Ehrlich gesagt würde ich mich komisch dabei fühlen, nur über mich zu schreiben, während die Welt gerade ist, wie sie ist. Das kam von ganz allein. So ist das Album wohl schon auch recht politisch geworden.

Jonas: Es ist aber sehr schwer, nicht immer nur die Personen zu erreichen, die ohnehin der Meinung sind, die wir vertreten. Vielleicht sollte man sich dahingehend auch nicht zu wichtig nehmen.

Holle: Für mich ist es trotzdem richtig, auch Missstände aufzuzeigen und durch Kunst und Kultur einen Spiegel vorzuhalten. Auch Veranstaltungsorte sollten sich meiner Meinung nach positionieren zu gewissen Themen und Zeichen setzen. Wenn beispielsweise Rammstein unhinterfragt in der Arena spielen darf, finde ich das problematisch. Personen, die sich auf unseren Konzerten rassistisch, sexistisch oder in irgendeiner Weise diskriminierend verhalten, würden wir ausschließen. Natürlich ist es aber auch schwer, die Grenzen auszuloten.

Auf welche Art entstehen eure Texte und im Endeffekt eure Songs?

Thomas: Ich versuche, über die Grundzüge der Songs schon ein Textgerüst aufzubauen. Das beginnt meist mit einer Zeile oder auch mit einem bestimmten Riff und entsteht aus dieser ersten Idee heraus. Manchmal übernehmen wir auch Texte, die eigentlich beim Proben als Platzhalter und zum Spaß gedacht sind. Ich gehe das aber assoziativ an – nur selten nehme ich mir bewusst vor, über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Das entsteht im Prozess.

Jonas: Oder wir geben Ideen rein. Ich war beispielsweise vor einiger Zeit zu Besuch in meiner alten Heimat, einer kleinen Stadt in Thüringen. Dort habe ich einen alten Bekannten getroffen – früher eingefleischter Punk, ließ er sich nun für die Kommunalwahl aufstellen. Ich fand das lustig – oder interessant – und dachte, dass das ein Thema für ein Lied sein könnte. Wahrscheinlich werden wir uns jetzt erstmal wieder ein wenig zusammenfinden müssen. Wir haben einfach seit zwei Jahren keinen Song geschrieben.

Euer Bandname, das ganz Layout – ihr repräsentiert einen gewissen Ost-Bezug. War das eine bewusste Entscheidung?

Thomas: Wir betrachten das eher ironisch. Wir versuchen nicht explizit, den Osten „abzufeiern“, haben aber alle einen klaren Bezug zur Region. Wir sind hier aufgewachsen und sozialisiert worden. Aber wir wollen keine „Ostalgie“ ausdrücken.

Holle: Trotzdem ist es natürlich immer noch – oder vielleicht gerade wieder – ein Thema. Derzeit findet eine intensive Aufarbeitung der sogenannten „Nullerjahre“, der „Baseballschlägerjahre“ statt. Schauen wir nach Chemnitz, wo Felix Kummer ein ganzes Album produziert hat, das sich damit befasst. Und natürlich sehen wir die Unterschiede zwischen Ost und West noch immer, allein zum Beispiel am unausgeglichenen Gehaltsspiegel.

Jonas: Gleichzeitig gibt es auch immer noch die „Jammerkultur“, die dem Osten so angehangen wird. Die nervt auch mich sehr oft. Der fehlende Blick auf die Dinge, die man hat, anstatt auf die Dinge, die man nicht hat.

Dann noch der Blick in die Zukunft: Wie geht es jetzt weiter für euch?

Holle: Wir wollen jetzt definitiv wieder mehr live spielen. Das ist manchmal gar nicht so einfach – viele, viele Personen und Veranstaltungsorte anschreiben, wenig Antworten bekommen. Aber wir bleiben dran. Es wäre toll, das Album ein wenig zu betouren.

Jonas: Jedenfalls arbeiten wir jetzt nicht direkt am nächsten Album. Klar werden wir neue Songs schreiben, aber als Nächstes könnte auch erstmal eine EP folgen.

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