Am Sonntag, dem 18. Juni, um 11 Uhr gibt das Leipziger Lehrerorchester sein Frühjahrskonzert im Großen Saal des Gewandhauses. Auf dem Programm steht neben den Haydn-Variationen von Brahms und der 8. Sinfonie von Dvořák auch das Doppelkonzert für Klavier, Violine und Streichorchester von Felix Mendelssohn Bartholdy, das er 1823 als 14-Jähriger schrieb. Als jugendlicher Geniestreich lässt das Konzert das Potenzial dieses außergewöhnlichen und frühvollendeten Komponisten erkennen.

Carlo Kai Yin Wat und Clara Theile, zwei Geigerinnen aus dem Leipziger Lehrerorchester, haben mit den beiden Solisten Rolf-Dieter Arens (Klavier) und Andreas Hartmann (Violine) gesprochen.

Carlo/Clara: Wann haben Sie das Doppelkonzert kennengelernt?

Rolf-Dieter Arens: Als ich noch in Leipzig an der Hochschule studierte, fragte mich Karl-Ernst Sasse, ein Dirigent aus Halle, ob ich das spielen wolle. Ich habe schnell festgestellt, dass es wahnsinnig schwer ist, weil man bei Mendelssohn sehr elegant spielen muss. Auch wenn es im Forte oder Fortissimo steht, muss es leicht und leichtfüßig sein. Es ist eben kein Brahms und auch kein Tschaikowski. Ich fand es damals schon toll, aber ich habe erst viel später gemerkt, als ich reifer wurde, was es für ein fantastisches Stück ist.

Carlo/Clara: Kann man ein Stück, das ein 13- oder 14-Jähriger komponiert hat, überhaupt ernst nehmen?

Andreas Hartmann: Natürlich ist ein Jugendwerk. Man muss aber sehen, dass Mendelssohn nur 36 Jahre alt geworden ist. Und die Reife, die er mit 13 Jahren hatte, die haben wir wahrscheinlich noch nicht mal mit 30.

Rolf-Dieter Arens: Das Konzert hat in der ungekürzten Fassung ein paar Längen. Wir spielen die leicht gekürzte Fassung von Menuhin. Ich finde, wenn man etwas spielt, was einem Spaß macht, was einen sofort anspricht und was auch dem Publikum gefällt, muss man es immer ernst nehmen. Es ist ein großer Wurf.

Andreas Hartmann: In diese Periode fallen mehrere seiner Werke. Da gibt es noch ein Violinkonzert und die zwölf berühmten Jugendsinfonien. Niemand wird sagen: ‚Hier stimmt was nicht‘. Sie sind genial.

Rolf-Dieter Arens: Genau! Auch die frühen Klavier-Quartette, die er zwischen 1822 und 1825 geschrieben hat: fantastische Musik.

Aufnahme von Rolf-Dieter Arens und Andreas Hartmann im Gespräch mit Clara Theile und Carlo Kai Yin Wat. Foto: Julia Sander
Rolf-Dieter Arens und Andreas Hartmann im Gespräch mit Clara Theile und Carlo Kai Yin Wat. Foto: Julia Sander

Carlo/Clara: Worauf achten Sie besonders, wenn Sie das Doppelkonzert spielen?

Rolf-Dieter Arens: Wir versuchen, es sehr „delikat“ zu spielen. Man muss beim Klavier höllisch aufpassen, dass man nicht so viel Pedal spielt. Es muss alles glasklar bleiben und darf weder schwer klingen noch schwer sein, wie bei Mozart.

Andreas Hartmann: Alle lauten Stellen müssen leicht und geschwind wirken. Diese Unrast und diese Unruhe muss ständig zu spüren sein. Es brodelt etwas. Ja, es gibt die schönen elegischen Passagen, aber wenn es wieder auf den Berg rauf geht, dann gibt es nur eine Richtung und die heißt Vorwärts.

Interessanterweise hat Mendelssohn diese Fassung für Streichorchester geschrieben, möglicherweise in Ermangelung eines großen Orchesters. Ich finde, die Mischung zwischen den Streichern und der Solo-Violine und dem Klavier ist leicht zu händeln. Beide Solo-Instrumente kommen gut durch, weil die Farbunterschiede zwischen einem Streich- und einem Tasteninstrument relativ groß sind.

Carlo/Clara: Ist das Konzert ein gutes Stück für junge Leute?

Andreas Hartmann: Ich denke, es wird jeden ansprechen, der eine Beziehung zur leichten, klassischen Musik hat, weil es sehr locker zur Sache geht. Es gibt immer neue, interessante Höhepunkte zu entdecken. Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand langweilt. Weder als Junger noch als Alter.

Im Gespräch mit Rolf-Dieter Arens. Foto: Julia Sander
Rolf-Dieter Arens. Foto: Julia Sander

Carlo/Clara: Sie, Herr Arens, werden auf dem Gewandhausflügel spielen. Sie, Herr Hartmann, bringen Ihre Geige mit. Was ist das für ein Instrument?

Andreas Hartmann: Meine Geige ist fast 300 Jahre alt. Ich habe sie nach langer Suche gefunden und mich gleich verliebt. Vor allem in den Klang. Es ist dieses besondere Etwas im süßen Ton, im weichen Ton, in der Klangfülle. Das ist ein wesentlicher Charakterzug von guten alten Instrumenten, dass sie, obwohl sie schon sehr alt sind, noch solch eine Kraft entwickeln können, besonders in großen Räumen.

Carlo/Clara: Wie ist es, so ein Konzert mit einem Laienorchester zu spielen?

Andreas Hartmann: Ich bin begeistert, mit euch zu spielen. Die Freundschaft besteht ja schon sehr lange. Gerd-Eckehard Meißner, den Dirigent, kenne ich seit der Kindheit und er war bei uns Geiger im MDR-Sinfonieorchester. Ich liebe es, weil das Lehrerorchester hier Musik machen WILL. Ihr kommt nicht zur Arbeit, sondern opfert eure Freizeit. Opfern im guten Sinne. Und ich weiß genau, wenn Ihr nach Hause geht, wird jeder für sich wissen, okay, das muss ich noch üben. Und so steigt jede Probe das Niveau bis zum Höhepunkt, zum Konzert.

Im Gespräch mit Andreas Hartmann. Foto: Julia Sander
Andreas Hartmann. Foto: Julia Sander

Carlo/Clara: Sie sind viele Jahre im Musikbereich tätig. Wie sehen Sie die Zukunft der klassischen Musik?

Rolf-Dieter Arens: Man muss sich als Künstler mehr selbst vermarkten. Heute muss jeder auch ein Programm ansagen oder zu dem Programm etwas sagen können. An den großen Formen wird sich nichts ändern, weil die Spitzenorchester bleiben. Aber es wird Mischformen geben, man wird Programme eher so zusammenstellen, dass die E-Musik und die U-Musik nahtlos ineinander übergehen. Nur die großen Spitzenorchester wie die Berliner Philharmoniker werden ihre Programme so machen, wie sie es immer gemacht haben. Aber alles andere wird sich doch ein bisschen verändern.

Andreas Hartmann: Wir müssen darauf achten, dass wir auf der Suche nach einem jungen Publikum, die absolut wichtig ist, unser angestammtes Publikum, das eher älter ist, im Blick behalten. Wir wollen Publikum gewinnen, aber nicht das verlieren, was wir schon haben. Ja, die Vermarktung wird sich ändern. Und es muss mehr im Sponsorenbereich passieren, da der Förderbereich eher rückläufig sein wird.

Carlo/Clara: Vielen Dank für das Gespräch!

Rolf-Dieter Arens: Wir danken auch und freuen uns auf den Juni.

***

Konzerttipp: Frühjahrskonzert des Leipziger Lehrerochesters, Sonntag, 18. Juni, 11 Uhr im Gewandhaus zu Leipzig, Großer Saal

Dirigent: Gerd-Eckehard Meißner
Programm: Johannes Brahms – Variationen über ein Thema von J. Haydn, op. 56a
Felix Mendelssohn Bartholdy – Doppelkonzert d-Moll für Violine, Klavier und Streicher, MWV O 4
Antonín Dvořák – Sinfonie Nr. 8, G-Dur, op. 88
Solisten: Rolf-Dieter Arens, Klavier/Andreas Hartmann, Violine

Eintrittskarten: Tickets zu 16 Euro (erm. 10 Euro) erhältlich an der Gewandhauskasse, im Gewandhaus online, bei Ticketonline sowie bei eventim. Abendkasse: 17 Euro (erm. 11 Euro)

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar