Das Lieblingsinstrument von Thomas Fritzsch ist die Gambe, die Viola da gamba, die noch im 18. Jahrhundert ein beliebtes Soloinstrument in wohlhabenden Haushalten war. Aber begnadete Gambenspieler โ€“ wie etwa Carl Friedrich Abel โ€“ reisten auch als Solisten quer รผber den Kontinent und erfreuten das Publikum mit diesem geradezu beseelten Instrument. Doch selbst Mozart kannte es noch. Mozart? Mozart.

Thomas Fritzsch, seit 2014 Botschafter der Bach-Abel-Stadt Kรถthen, spielt die Gambe nicht nur. Systematisch sucht er nach den Kompositionen aus der Hochzeit der Viola da gamba und setzt sie mit CD-Aufnahmen in stimmungsvollen Kirchen Mitteldeutschlands auch um.

Fรผr sein neues Projekt ist er den Spuren des โ€žbesten noch lebenden Gambistenโ€œ Joseph Fiala gefolgt, der von 1748 bis 1816 lebte und ein Freund von Leopold Mozart war, dem Vater von Wolfgang Amadeus. Und wenn Leopold mit dem berรผhmtesten Gambisten seiner Zeit befreundet war, war es ja nur zu wahrscheinlich, dass auch der junge Wolfgang Amadeus fรผr Gambe komponierte. Und das ist sogar urkundlich belegt, auch wenn ihn heute kaum jemand als Komponisten fรผr die Gambe kennt.

Mozart und die Viola da gamba

Aber Fritzsch lรคsst sich ja von solchen Befunden nicht einschรผchtern. โ€žAngesichts der Vielzahl an persรถnlichen Begegnungen, die Wolfgang Amadรฉ Mozart mit adligen Liebhabern und professionellen Spielern der Viola da gamba pflegte, ist die Suche nach Mozartschen Gambenkompositionen naheliegendโ€œ, schreibt Fritzsch im Begleitheft zu dieser CD, die er mit Michael Schรถnheit an einem originalen Tangentenflรผgel und der Merseburger Hofmusik in der Johann-Georgen-Kirche in Schleberoda aufgenommen hat.

Er selbst hat dabei genau jene Gambe gespielt, die einst im Besitz von Joseph Fiala war. So etwas verbindet. Und gespielt hat dieses kleine exquisite Orchester all das, was Fritzsch gefunden hat โ€“ zwei Konzerte von Joseph Fiala zum Beispiel โ€“ wobei er eines erst in der Musikbibliothek des schweizerischen Benediktinerklosters Engelberg aufstรถberte โ€“ und zwei Kompositionen Mozarts, die auch Mozartkenner verblรผffen dรผrften.

Mozart als Komponist fรผr die Gambe? Passt das รผberhaupt zu ihm? Aber wenn man genau hineinhรถrt in das Andantino B-Dur und die Sonate B-Dur, dann erinnert die Leichtigkeit sehr wohl an den berรผhmten Opernkomponisten. Nur als Gambenkompositionen selbst sind sie nicht รผberliefert. Das ist immer wieder das Problem beim Aufspรผren von Originalkompositionen: Oft existieren nur spรคtere Abschriften oder auch Versionen fรผr andere Instrumente. Und das trifft auf beide Mozartstรผcke zu. Die Gambe wurde durch damals modernere Instrumente ersetzt, die Stรผcke bekamen eine andere Tonalitรคt.

Und so fragt Fritzsch natรผrlich rhetorisch nach dem Verbleib des Autografs, etwa der Sonate B-Dur KV 292, zu der nur die posthume Verรถffentlichung von 1805 existiert, die auf ein Bassinstrument wie die Gambe verweist. Und so ist es wohl auch fรผr das Andantino in B-Dur KV 46, das in einer Version fรผr Violincello und Cembalo รผberliefert ist.

Die Klangwelt der Aufklรคrung

Man bekommt beim Zuhรถren ein Gespรผr dafรผr, wie sich die Klangwelt der Kammermusik und der adligen und bรผrgerlichen Hausmusik in der zweiten Hรคlfte des 18. Jahrhunderts verรคndert hat. Das Getragen-Feierliche trat zunehmend in den Hintergrund, die Musik wurde lebendiger, der Klang der Instrumente heller. Man darf durchaus daran denken, dass das hier die Musik der Aufklรคrung ist, welche im Franzรถsischen โ€žles Lumiรจresโ€œ heiรŸt und im Englischen โ€žEnlightenmentโ€œ. Das Licht spielte eben nicht nur in der Philosophie eine zentrale Rolle, sondern auch in Musik, Architektur, Wissenschaft und Malerei. Auch im deutschen โ€žAufklรคrungโ€œ steckt ja das Hellerwerden am Morgen.

Ein neues Lebensgefรผhl schuf sich Raum. Und Wolfgang Amadeus Mozart hatte daran โ€“ was die Musik betraf โ€“ eine gewaltige Aktie. Nach ihm wirkte fast alles, was vor ihm komponiert wurde, als verzopft und altbacken. Was Opern betraf, erst recht. Und dass auch die Gambe schon solche Tรถne bereithalten konnte, wird gerade in den Aufnahmen der beiden Mozartstรผcke deutlich. Die wohl auch deshalb รผberdauert haben, weil sie sich fรผr eine โ€žmodernere Instrumentierungโ€œ umschreiben lieรŸen.

Und natรผrlich fรคllt auch auf, dass Joseph Fiala verglichen mit Mozart noch deutlich traditioneller und ruhiger komponierte. Ganz verschwand die Gambe ja nicht aus dem Gebrauch. 2020 produzierte Thomas Fritzsch mit Michael Schรถnheit und der Merseburger Hofmusik auch eine CD mit Gambenmusik der Schumann-Zeit. Aber die wirkliche Hochzeit der Gambe โ€“ auch als Instrument der Hausmusik โ€“ ging da schon deutlich zu Ende. Und so sind die Aufnahmen von Fritzsch und seinen Mitstreitern heute eben auch die Wiederentdeckung einer musikalischen Welt, die von einem vรถllig anderen Lebensgefรผhl erzรคhlt. Auch einem anderen Zeitempfinden.

Ganz so, als wรคren sich die Bewohner des 18. Jahrhunderts sehr wohl noch bewusst gewesen, wie viel Zeit sie hatten. Und dass Zeit ein zu genieรŸendes Gut war. Nicht ahnend, wohin die Beschleunigung aller gesellschaftlichen Vorgรคnge ihre Nachfahren einst bringen wรผrde.

Geplant ist die Verรถffentlichung der neuen CD fรผr den 17. Februar.

Thomas Fritzsch, Michael Schรถnheit, Merseburger Hofmusik โ€žMozart & Fialaโ€œ, Rondeau Production, Leipzig 2023, CD ROP6234.

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